Sexismus im Silicon Valley:Google-Entwickler für antifeministisches Manifest gefeuert

  • Ein Google-Mitarbeiter hat im Internet ein Schreiben veröffentlicht, in dem er Frauen aus "biologischen Gründen" ihr Tech-Verständnis abspricht.
  • Das Manifest löst im Netz heftige Debatten aus - und auch Google-Chef Sundar Pichai distanziert sich davon.
  • Mittlerweile hat der Entwickler bekannt gegeben, er sei gefeuert worden. Google hat das bislang nicht bestätigt.

Von Kathrin Werner und Vivien Timmler

Das antifeministische Manifest hat mehr als 3300 Wörter und füllt fast zehn Seiten. Ein Google-Programmierer (männlich, weiß) hat es verfasst, und es klingt, als ärgere er sich schon lange darüber, dass Leute wie er gezwungen werden, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht männlich und nicht weiß sind.

Sein Argument grob zusammengefasst: Frauen können es einfach nicht. Allerdings sei das nicht ihre Schuld, sondern die ihrer Gene. Frauen hätten schlicht andere Talente als Technik. "Die Verteilung von Vorlieben und Fähigkeiten zwischen Männern und Frauen unterscheidet sich auch aus biologischen Gründen, und diese Unterschiede könnten erklären, warum wir keine gleiche Vertretung von Frauen in Tech-Führungsrollen haben", schrieb der Google-Mitarbeiter in einem internen Memo. Die Bemühungen um mehr Frauen und Minderheiten als Mitarbeiter seien diskriminierend für weiße Männer, Political Correctness schade dem Suchmaschinenkonzern.

Diese Meinung teilt sein Chef, Google-CEO Sundar Pichai, allerdings nicht. Kollegen zu unterstellen, dass sie aufgrund genetischer oder biologischer Merkmale weniger geeignet seien, für den Konzern zu arbeiten, sei "beleidigend und nicht okay", schreibt er in einem internen Memo an die Kollegen. Der Verfasser habe die Grundwerte und Verhaltensregeln des Unternehmens verletzt. Dieser gab unterdessen bekannt, er sei gefeuert worden, weil er "an Geschlechterklischees festgehalten habe". Google selbst hat sich dazu bislang nicht geäußert.

Das Manifest hatte sich rapide verbreitet, erst im Google-Konzern, dann per E-Mail im Silicon Valley, dann per Internet in der Welt. Die einen schickten es weiter, weil sie glauben, dass er insgesamt recht hat. Die anderen, weil sie befürchten, dass er in einem Punkt recht hat: Ganz viele bei Google, womöglich in der ganzen IT-Branche, denken wie er, trauen sich aber nicht, es auszusprechen. Er habe sehr viel Anerkennung dafür erhalten, die Sache ans Licht zu bringen, schrieb der Programmierer. Googles "linksgerichtete" Firmenpolitik führe zu einer "Monokultur", welche die freie Meinungsäußerung von Leuten wie ihm unterdrücke. Medien zufolge erntet er in einer Google-internen Diskussionsgruppe Lob für seinen Mut - und Kritik für Sexismus und erfundene Theorien über biologisch bedingte Begabungen der Geschlechter.

"Enttäuscht, aber nicht überrascht" sei sie, schrieb die frühere Google-Programmiererin Erica Baker in einem Blog. "Das ist kein ganz neues Verhalten. Neu ist nur, dass dieser Mitarbeiter sich sicher genug fühlte, um eine achtseitige sexistische Abhandlung zu schreiben und intern zu verbreiten." Das Manifest passt in die Zeit. In den USA debattiert man über Diskriminierung - nicht von Minderheiten, sondern der Mehrheit. Laut Umfragen halten sich Donald Trumps weiße Wähler für die unterdrückteste Gruppe. Das Justizministerium will die "Weißen-Diskriminierung" etwa bei der Universitäts-Aufnahme untersuchen und unterbinden.

Belege, dass weiße Männer es bei Google schwer haben, gibt es jedenfalls nicht, im Gegenteil. Das US-Arbeitsministerium wirft dem Konzern vor, Frauen für dieselbe Arbeit weniger Gehalt zu zahlen. Google bestreitet das. In einem neuen Bericht gibt der Konzern an, dass nur 31 Prozent Mitarbeiter Frauen sind. 56 Prozent sind weiß, weltweit, nur zwei Prozent schwarz. Nur ein Viertel der Führungsposten und ein Fünftel aller Technik-Jobs sind mit Frauen besetzt. Seit Jahren ist das kaum verändert. Um für mehr Vielfalt zu sorgen, hat der Konzern eine neue Kulturchefin engagiert. Danielle Browns erste Tat war, auf das Manifest zu antworten: "Es verbreitet inkorrekte Vermutungen über Geschlechter", schrieb sie. "Vielfalt und Inklusion sind wesentlicher Teil unserer Werte."

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