Server für Wikileaks:Das Amazon-Prinzip

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Deals mit Partnern wie Wikileaks gehören für Amazon zum erfolgreichen Geschäftsprinzip. So geriet das Unternehmen nun in die politische Zwickmühle.

Paul Katzenberger

Was hat Amazon eigentlich mit Wikileaks zu tun? Diese Frage drängt sich derzeit auf, nachdem das größte Online-Kaufhaus der Welt nun mitteilte, dass es seine Server der Hacker-Plattform nicht mehr zur Verfügung stellen will.

Amazon will mit Wikileaks keine Geschäfte mehr machen. (Foto: dpa)

Doch wer Amazon nur als überaus erfolgreichen Online-Shop betrachtet, hat das Prinzip dieses Unternehmens schon lange nicht mehr verstanden. Vielmehr erfindet sich der von Jeff Bezos 1994 als Online-Buchhandlung gegründete E-Commerce-Pionier ständig neu. Die Bereitstellung von Infrastruktur bis hin zu Serverkapazitäten gehört dabei schon seit Jahren zu einem der Pfeiler des Geschäftsmodells.

Viele Menschen - auch in Deutschland - nutzen schon lange all das, was Amazon stark gemacht hat: seine Website, seine Lager, seine Vertriebswege und seine Bezahlsysteme. Und den Speicherplatz in den gigantischen Rechenzentren des Online-Händlers.

Durch dieses Angebot erwies sich Amazon zudem einmal mehr als Vorreiter bei der kommerziellen Verwertung eines neuen technischen Trends: des Cloud Computing. Dieser Ansatz, der ins Deutsche wohl am besten mit "Rechnen in der Wolke" übersetzt wird, stellt IT-Infrastrukturen wie Rechen- und Speicherkapazität oder Software über ein länderübergreifendes Netzwerk zur Verfügung.

Win-win-Situation für alle Seiten

Dieses Prinzip ist eine geniale Geschäftsidee. Denn auf den ersten Blick erscheint es paradox, dass Amazon anderen Händlern mit Namen wie movies-sounds-and-games oder Medimops sowie Millionen Privatmenschen seine Infrastruktur für Verkäufe von CDs, Büchern, Salatschleudern oder auch Katzenfutter zur Verfügung stellt. Schließlich züchtet Amazon damit seine eigene Konkurrenz heran. Doch die Methode funktioniert, wie das Beispiel des Online-Shops Avides zeigt.

Das Unternehmen aus dem niedersächsischen Hemsbünde bietet von der Kaffeemühle über die Barbie-Puppe bis zum schnurlosen Telefon so gut wie alles an - doch die Produktangebote mit ihren Beschreibungen und ihren wertvollen Kundenbewertungen laufen alle unter Amazon. Die Norddeutschen kümmern sich um die Lagerung und den Versand ihrer Artikel, nur die Zahlungsabwicklung läuft über den Partner Amazon.

Avides ist fast immer günstiger als der Gastgeber selbst, und trotzdem freut sich Amazon über jeden Verkauf des kleineren Partners. Denn die Gebühr, die Avides für die Dienste bezahlt, rechnet sich für Amazon so gut, dass der Online-Gigant getrost auf den eigenen Verkauf verzichten kann. Es entsteht also eine Win-win-Situation für alle Seiten: Avides erhöht seine Umsätze, doch durch die vielen zusätzlichen attraktiven Anbieter auf seinen Seiten erhöht Amazon ständig die Reichweite und verdient dabei auch noch.

Das Prinzip funktioniert so gut, dass es den Online-Flohmarkt Ebay inzwischen deutlich in den Schatten stellt.

Dubiose Geschäftspartner

Doch natürlich läuft Amazon bei seinem Geschäftsmodell Gefahr, sich mit dubiosen Geschäftspartnern einzulassen. Im E-Commerce-Bereich dürfte sich dieses Risiko durch das strenge und von Kunden getragene Bewertungssystem weitgehend minimieren lassen, doch im Fulfilling bei Serverkapazitäten sind die Gegebenheiten manchmal womöglich undurchsichtiger. Auch eine noch so penible Prüfung wird in jedem Einzelfall nicht vollständig verhindern können, dass sich hinter dem neuen Geschäftspartner eigentlich ein Neonazi-Auftritt aus Schweden oder eine fundamentalistische Sekte verbergen könnte.

Probleme mit zwielichtigen Anbietern hatte Amazon immer wieder. Erst im November hatte der Online-Händler einen Pädophilen-Ratgeber zurückgezogen, der in den USA exklusiv auf dem konzerneigenen E-Book-Lesegerät Kindle veröffentlicht worden war. Im vergangenen Jahr stoppte Amazon ein Computerspiel bei dem eine Mutter und eine Tochter vergewaltigt wurden.

Die an Wikileaks vermieteten Serverkapazitäten brachten Amazon nun aber vor allem unter politischen Druck, der das Image des E-Commerce-Giganten ebenfalls beschädigen könnte.

Schon lästert Wikileaks, welchen Bezug das Unternehmen aus Seattle eigentlich zur Redefreiheit habe. Allerdings hat Amazon im Umgang mit negativer PR durchaus schon Routine entwickelt. Mit seiner Sammelwut von Kundendaten ist der Online-Shop vielen Menschen unheimlich geworden.

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