Serie Gipfelstürmer:Gut vernetzt im Norden

Das beschauliche Oldenburg zählt - im Verbund mit Hannover - zu den stärksten Gründungsregionen Deutschlands. Das liegt auch daran, dass hier die verschiedenen Anlaufstellen eng zusammenarbeiten.

Von Marlene Thiele

Garvin Hinrichs bringt die Oldenburger und den Grünkohl zusammen - zumindest bald. Zunächst muss er noch genug Landwirte finden, die ihr Gemüse auf seiner Internetseite meinmarktstand.de zum Verkauf anbieten. Seit einem Jahr gibt es die Seite. Einige Bauern, Bäcker und Imker präsentieren dort bereits mit bunten Bildern ihre Waren. Nachdem der Nutzer seine Postleitzahl angegeben hat, bekommt er Angebote von Erzeugern aus der Umgebung angezeigt und kann sich aus Käse, Brot und Chutneys seinen Warenkorb zusammenstellen. Die Zustellung erfolgt möglichst noch am selben Tag. "Ich habe immer auf dem Wochenmarkt eingekauft", sagt Hinrichs, "dann habe ich mit der Schichtarbeit begonnen und es oft nicht mehr geschafft. Manche Händler konnten mir ihre Waren liefern, aber vielen war das zu kompliziert."

Und so kam Hinrichs auf die Idee, einen möglichst unkomplizierten Onlinehandel für Händler und Produzenten anzubieten und damit vielleicht sogar neue Kunden für die regionalen Produkte zu gewinnen. Gemeinsam mit drei Gesellschaftern hat er Ende 2016 sein Start-up gegründet und seitdem schon einige Betriebe aus der Region Oldenburg vom Mitmachen überzeugt. Die Zustellung erfolgt durch den Brief- und Zeitungszusteller Citipost. Hinrichs träumt davon, irgendwann ganz Deutschland in Erzeugerregionen aufzuteilen und den regionalen Einkauf überall möglich zu machen. Dazu braucht er ein stimmiges Konzept - und Investoren.

Serie Gipfelstürmer: Entspannt: Der Platz vor dem Alten Rathaus mit Cafés in Oldenburg.

Entspannt: Der Platz vor dem Alten Rathaus mit Cafés in Oldenburg.

(Foto: Torsten Krüger/Mauritius)

Um Fehler beim Aufbau zu vermeiden, hat sich der 29-Jährige für das neue Oldenburger Start-up-Förderprogramm beworben, das vom Land, der Stadt und der Wirtschaftsförderung unterstützt wird. Im "Go! Start-up-Zentrum" durchläuft er nun mit vier weiteren Gründerteams ein viermonatiges Coaching-Programm. Individuell werden die Ideen besprochen, Strategien erarbeitet, Businesspläne erstellt. Das Programm entstand aus einer Initiative des Landes Niedersachsen, das im vergangenen Jahr den Aufbau von acht Zentren unterstützt hat, um die regionale Gründerszene zu fördern. Jedes Zentrum hat einen anderen Schwerpunkt, abhängig von den Branchen in der Region. In Oldenburg (168 000 Einwohner) liegt der Fokus auf Gesundheitswirtschaft, Energie- und Klimaschutz. Standort ist das Technologie- und Gründerzentrum Oldenburg, kurz TGO. Fünf Monate haben die geförderten Teams dort Zugang zu Arbeitsräumen mit Wlan, Topfpflanzen und Tischkicker. Zweimal pro Woche gibt es ganztägige Workshops, Vorträge oder individuelle Beratung durch die 30 Mentoren.

"Ich will meine Gedanken mit jemandem austauschen", sagt Hinrichs, der als einziger Teilnehmer nicht im Team auftritt, "und mir ist es wichtig, dass alle Strukturen meines Unternehmens richtig sind." Heute steht Teambuilding auf dem Programm. "Go!"-Projektleiterin Alexandra Wurm hat dafür den Coach Jan Heinecke eingeladen, der den Start-ups bei der internen Strukturierung hilft und das teamübergreifende Netzwerk fördert. Am Morgen haben sie grüppchenweise ein Modellflugzeug gebaut, als Nächstes steht die Teamstruktur auf dem Programm. Hinrichs hat sich entschuldigen lassen, er trifft sich mit potenziellen Lieferanten und Kunden, der Termin stand schon länger fest. Auch die anderen Teams sind nicht vollzählig. Viele befinden sich in der Vorgründungsphase oder haben erst kürzlich gegründet, und das Start-up läuft noch neben dem Vollzeitjob oder der Dissertation. Es ist schwierig für sie, das umfangreiche Programm in den Alltag einzubinden.

Gipfelstürmer

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Für die Projektleiter von "Go!" hingegen sei es schwierig gewesen, das Programm überhaupt so schnell auf die Beine zu stellen, sagt Alexandra Wurm. Das Team gibt es erst seit März, im Juni begann schon die erste von vier Förderrunden, die sich insgesamt über einen Zeitraum von zwei Jahren erstrecken. Das TGO habe sich gemeinsam mit der Universität, der Wirtschaftsförderung der Stadt Oldenburg und der IHK dafür starkgemacht, das Programm nach Oldenburg zu holen, erzählt TGO-Geschäftsführer Jürgen Bath: "Die Zusammenarbeit in der Region ist sehr stark. Wir haben alle das Ziel, die Gründer voranzubringen, und da spielt man sich die Bälle zu."

Das im Norden Niedersachsen liegende Oldenburg gehört - im Verbund mit dem fast 170 Kilometer entfernten Hannover - zu den sechs stärksten Gründerregionen Deutschlands, so das Ergebnis des jährlich durch den Bundesverband Deutsche Startups erhobenen Start-up Monitors. Eine der Stärken ist wohl, dass sich die verschiedenen Anlaufstellen für Gründer gut voneinander abgrenzen, gleichzeitig aber auch kooperieren.

2012 wurde an der Universität Oldenburg das universitäre Gründungs- und Innovationszentrum GIZ eröffnet. Für Studenten gibt es dort Beratung und Workshops, außerdem bekommen sie Unterstützung, um sich für ein Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu bewerben. "Wir führen jährlich etwa 150 Beratungsgespräche", sagt Cindy Stern, die stellvertretende Leiterin. Circa 40 Projektteams werden begleitet, mit Workshops unterstützt und in das Gründernetzwerk eingebunden. Manchen empfiehlt Stern aber auch die anderen Angebote in der Stadt, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben - die IHK etwa auf Industrie und Handel, die Handwerkskammer auf Existenzgründung im Handwerk. Knapp die Hälfte der am GIZ beratenen Teams macht sich tatsächlich selbständig. Die Alumni bleiben im Netzwerk, holen sich die weitere Unterstützung aber woanders, weil sie dem Angebot des GIZ "entwachsen", sagt Stern. Einige der Start-ups kommen dann im TGO unter.

70 Quadratmeter Büro für 110 Euro - das hilft für den Anfang

"Das TGO wurde 2003 gegründet", sagt Jürgen Bath, "es war eine Initiative der Stadt und der Universität, um universitären Ausgründungen einen Raum zu geben." Inzwischen ist es auch Anlaufstelle für Start-ups ohne universitären Hintergrund. Nach einer Erweiterung ist es das größte vergleichbare Zentrum Niedersachsens. Mehr als 200 Firmen waren hier über die Jahre ansässig, 70 Firmen sind es aktuell, ein Büro mit 17 Quadratmetern kostet etwa 110 Euro. Leere Büros sind selten. "Die Mieter bekommen ein Rundum-sorglos-Paket", sagt Bath, "es gibt einen Empfang, Konferenzräume, ein Mietauto, Netzwerk-Veranstaltungen, auch Workshops und Feedback-Gespräche. So wollen wir erreichen, dass die Firmen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können." Vom vierten Jahr an steigt die Miete, nach spätestens acht Jahren müssen die Firmen ausziehen, damit es Platz für neue Gründer gibt.

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(Foto: SZ)

Ebenso müssen Garvin Hinrichs und die anderen Jungunternehmer, die im Rahmen des "Go! Start-up-Centers" gefördert werden, Ende Oktober ihre Arbeitsplätze räumen, weil dann die nächste Förderrunde beginnt. "Unsere Teams gehen dann in die weite Welt", sagt Alexandra Wurm. Oder ins TGO. Dort werden Ende des Jahres wieder Büros frei, Netzwerk inklusive. Wer will da schon in die Ferne schweifen.

Zum dritten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb "Gipfelstürmer" die besten Gründer aus Deutschland aus. Die Ausschreibung läuft bis zum 31. August. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt aus allen Bewerbern die sechs Finalisten aus. Diese dürfen im November am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen und dort ihre Firma vorstellen. Die Teilnehmer des Gipfels küren den Sieger. Einzelheiten und Bewerbungen: www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer

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