Serie Finanzfrauen:"Mein Blut wird Indien stärken"

Indira Gandhi ist bis heute ein Idol für Frauen auf der ganzen Welt.

Von Angelika Slavik

Sie tut es schnell und ohne zu zögern. Eine Unterschrift, ein Lächeln, dann ist es soweit. Indira Gandhi ist jetzt offiziell die mächtigste Frau des Landes.

Indira Gandhi ist 48 Jahre alt, als sie zum ersten Mal Indiens Premierministerin wird. Das Amt mag ihr neu sein an diesem 18. Januar 1966, die Macht und der Einfluss sind es nicht. Ihr ganzes bisheriges Leben, so scheint es rückblickend, war eine Vorbereitung auf diesen Tag und alle, die darauf folgen sollten. Jetzt steht sie da. Gandhi. Allein der Name ist ein Versprechen. Natürlich weiß sie das.

Indira Nehru kommt im November 1917 in Allahabad im Norden Indiens zur Welt. Ihr Vater engagiert sich für die Unabhängigkeit seines Landes von Großbritannien, seit Kurzem ist er der Privatsekretär des Freiheitskämpfers Mahatma Gandhi. Der wird schon damals von vielen Landsleuten verehrt. Er predigt Gewaltlosigkeit und Askese, er engagiert sich für die Menschenrechte, für die Gleichberechtigung von Frauen und für jene, die damals die "Unberührbaren" genannt wurden, die diskriminierten Nachfahren der Ureinwohner. Mahatma Gandhi geht im Haus der Nehrus ein und aus, und Indira ist ganz nah dran: Sie sieht ihn im Hungerstreik, sie sieht, wie er die Massen fasziniert. Sie lernt. Aber sie bekommt auch die bittere Seite dieses Engagements zu spüren. Genau wie Gandhi landet ihr Vater mehrfach im Gefängnis, auch die Mutter wird einmal von der britischen Kolonialmacht inhaftiert. Die Stimmung in der Familie ist angespannt. Zudem ist Indiras Mutter schwer krank. Zu Beginn des Jahres 1936 stirbt sie an Tuberkulose. Ihre Tochter ist da gerade 18 Jahre alt.

Serie Finanzfrauen: Indira Gandhi regierte Indien von 1966 bis 1977. Sie hatte das Amt der Ministerpräsidentin von 1980 bis zu ihrer Ermordung 1984 erneut inne.

Indira Gandhi regierte Indien von 1966 bis 1977. Sie hatte das Amt der Ministerpräsidentin von 1980 bis zu ihrer Ermordung 1984 erneut inne.

(Foto: AFP)

Ein paar Jahre lang pendelt Indira zwischen Indien und Europa, irgendwann streikt ihr Körper. Sie hat Untergewicht, Depressionen, Schwierigkeiten beim Atmen. 1940 wird sie in ein Sanatorium eingeliefert und bleibt ein ganzes Jahr dort. Es wird der letzte Moment sein, in dem sich Indira Nehru öffentlich Schwäche leistet. Dann kehrt sie zurück.

In ihrer Heimat heiratet sie Feroze Gandhi, einen Freund der Familie. Ihr Ehemann ist nicht mit Mahatma Gandhi verwandt, es ist eine zufällige Namensgleichheit. Trotzdem ist sie jetzt: eine Gandhi. Sie bekommt zwei Söhne, aber die Ehe ist schon nach fünf Jahren am Ende. Indira verweigert die Scheidung, verbringt fortan aber viel Zeit in ihrem Elternhaus.

Als die Unabhängigkeitsbewegung Erfolg hat, wird Indiras Vater Pandit Nehru 1947 der erste Ministerpräsident Indiens. Spätestens da beginnt auch die politische Karriere seiner Tochter. Sie wird seine engste Beraterin, ihr Einfluss auf den Premier ist im ganzen Land bekannt. 1955 bekommt sie ein passendes Amt dazu: Sie wird Vorsitzende der Kongresspartei. 1960 stirbt ihr Mann an einem Herzinfarkt. Ihr Vater wird zweimal wiedergewählt, 1964 stirbt er als amtierender Regierungschef. Indira Gandhi wird Rundfunkministerin im Kabinett des neuen Premiers Shastri. Als Shastri nach anderthalb Jahren im Amt ebenfalls stirbt, steht sie bereit. Der Tag ist gekommen.

Serie Finanzfrauen: Diese Frauen haben die Finanzwelt bewegt. SZ-Serie, Teil 26.

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Allerdings verläuft der Start im Amt holprig. In Bundesstaat Punjab gibt es Unruhen zwischen den Bevölkerungsgruppen der Sikhs und der Hindus. Ihre Idee, den Staat zu teilen, verschärft die Lage noch. Zudem schwelt der Konflikt mit Pakistan. Vor allem aber missglücken ihre ersten öffentlichen Auftritte: Gandhi stottert bei ihren Reden vor den Abgeordneten, ihre Unsicherheit macht sie zum Ziel des Spotts zahlreicher männlicher Kollegen. Aufgeben ist keine Option. Aber es dauert, bis sie in ihre Rolle findet. Und die alten Herren ihrer Partei machen Druck: Auf ihren Wunsch hin lässt Gandhi 1969 insgesamt 14 Banken verstaatlichen. Die Geldinstitute würden nicht schnell genug Kapital bereitstellen, heißt es. Fortan fließt sehr viel Geld in die Landwirtschaft in Indien, die Zahl der Bankfilialen in ländlichen Gegenden wird sich in den nächsten Jahren vervielfachen. Die privaten Spareinlagen wachsen - die Zahl der Staatsbediensteten allerdings auch. Ein Erbe, mit dem sich Indien noch Jahrzehnte später mühen wird. Der Konflikt zwischen Gandhi und anderen Führungskräften eskaliert, sie wird aus der Partei geschmissen. Gandhi kämpft, versammelt ihre Getreuen, es kommt zur Parteispaltung. Beide Gruppen sagen, sie seien die "wahre" Kongresspartei.

Sie lässt die Banken verstaatlichen. Fortan fließt viel Geld in die Landwirtschaft

Ende 1971 greift Indien unter Gandhis Führung in den Konflikt zwischen Pakistan und Bangladesch ein. Pakistan kapituliert binnen zwei Wochen. Der Sieg gibt ihr Auftrieb. Bei den Wahlen im folgenden Jahr erobert ihre Kongresspartei 70 Prozent der Abgeordnetensitze. Der Kampf ist entschieden. Gandhi ist nun auf dem Höhepunkt ihrer Macht.

Im Juni 1975 allerdings wird Gandhi wegen des missbräuchlichen Einsatzes eines Beamten im Wahlkampf verurteilt. Ihre politischen Gegner versuchen, sie aus dem Amt zu drängen. Gandhi, deren Selbstverständnis mittlerweile mit dem absolutistischer Herrscher verglichen werden kann, reagiert und ruft einen nationalen Ausnahmezustand aus. Zwei Jahre lang regiert sie mit uneingeschränkter Macht. Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt, Bürgerrechte beschnitten. Im März 1977 lässt sie Wahlen abhalten - und verliert.

Es folgt ein Absturz in der öffentlichen Wertschätzung, Verfahren wegen des Ausnahmezustands werden eingeleitet. Aber Indira Gandhi hat ihre Lektion gelernt, sie gibt Fehler zu, kann die Stimmung noch einmal drehen. Sie gründet eine neue Partei. Bei den Wahlen im Jahr 1980 gewinnt sie die absolute Mehrheit. Indessen spitzt sich der Konflikt mit den Sikhs zu: Einige Sikhs verschanzen sich im Goldenen Tempel, nach mehreren fruchtlosen Gesprächsversuchen lässt sie den Tempel, das größte Heiligtum der Sikhs, stürmen. Es gibt Hunderte Tote. Vier Monate später wird Indira Gandhi von ihren eigenen Leibwächtern, ebenfalls Sikhs, erschossen. Einen Tag zuvor war sie gefragt worden, ob sie ein Attentat fürchte. "Mein Blut wird Indien stärken", war die Antwort.

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