Serie: Der Brexit-Streit:BBMW - die Bayerisch-Britischen Motorenwerke

Rolls-Royce Motor Cars Ltd. Dawn Automobile Launch At Delaire Graff Wine Estate

Neues Rolls Royce Modell "Dawn" mit offenem Verdeck. Der BMW-Konzern hat nach der Übernahme die traditionsreiche britische Luxusmarke wieder erfolgreich gemacht.

(Foto: Halden Krog/Bloomberg)

Mini, Rolls-Royce und die Insel: Der Münchner Autobauer BMW fürchtet den Brexit mehr als die Konkurrenz. An den Ausstieg der Briten aus der EU wollen sie gar nicht denken.

Von Thomas Fromm

BMW und seine Briten-Töchter Mini und Rolls-Royce, das ist seit Jahren eigentlich ein ganz einfaches Prinzip: In München ist die Konzernzentrale, hier werden die großen Linien der Konzernpolitik entschieden, ein großer Teil der technischen Entwicklung kommt aus Deutschland. In Großbritannien aber schlägt das Herz der urbritischen Marken. Hier werden die Autos gebaut, hier sind diese Firmen mit insgesamt vier Werken große Arbeitgeber.

Die britischen Töchter waren von Anfang an Teil eines ausgeklügelten Geschäftsmodells, und ausgerechnet die Brexit-Gefahr könnte nun dieses Geschäftsmodell der Münchner, das man seit Jahren ausbaut, kräftig durcheinanderbringen. Was wird aus diesem Auto-Verbund, sollte Großbritannien Europa verlassen? Funktioniert dann alles noch? Längst haben die BMW-Manager die Sache durchgerechnet. Fazit: Besser gar nicht erst über einen Austritt Großbritanniens nachdenken.

Am Anfang der bayerisch-britischen Beziehung ging es noch um seltsame Fragen, zum Beispiel die, wie bayerisch das Vereinigte Königreich nun werden würde. Denn möglich wäre ja vieles gewesen, und als BMW die Markennutzungsrechte an Rolls-Royce übernommen hatte, spekulierten sie in der britischen Presse. Ob diese urbritische Luxusmarke demnächst weiß-blaue Sitzbezüge aus München bekäme? Weißblaue Ästhetik in den Edel-Karossen, das wäre es wahrscheinlich gewesen, aber natürlich ging die Geschichte anders. Sogar die Statue "Spirit of Ecstasy", auch "Emily" genannt, die Silberlady auf dem Kühlergrill, hatten die Bayern den Limousinen gelassen. Auch wurde der Rolls-Royce jetzt weder am Münchner Olympiapark noch in Dingolfing gebaut: BMW kaufte ein Grundstück in West Sussex; Im Jahr 2003 startete die Produktion im neuen Werk Goodwood.

Eine Art Neustart, aber eben nicht so ganz.

Was sollte man sich in Großbritannien auch groß beschweren, wenn selbst Prinz Charles einen Audi in der Garage hatte und die Queen einen Bentley aus dem Hause Volkswagen? Heute bauen 1500 Mitarbeiter, darunter Spezialisten wie Leder-Sattler und Luxus-Tischler, an die 18 Rolls-Royce-Limousinen am Tag. Handarbeit für die Fuhrparks der Millionäre und Milliardäre dieser Welt. Und dann ist da noch der Mini. Als der englische Kleinwagen um die Jahrtausendwende unter BMW-Führung wieder neu aufgelegt wurde, war noch längst nicht klar, ob das Experiment gelingen würde. Aber was sollte man machen: Das große Abenteuer der Übernahme des britischen Autoherstellers MG Rover war schief gelaufen, und was vom großen Kuchen übrig blieb, war: Mini. Und ein Werk, das man "BMW Works Oxford" nannte.

Im vergangenen Jahr baute BMW an die 338 500 Minis und 3785 Rolls-Royce. Die britischen Töchter sind also kein kleiner Teil von BMW. Der Konzern setzte im vergangenen Jahr insgesamt immerhin 2,2 Millionen Autos ab.

Deshalb kam es vor ein paar Wochen zu einer außergewöhnlichen Einmischung, als der deutsche Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös seinen Mitarbeitern schrieb: "Die BMW Group ist der Ansicht, dass es für Großbritannien besser ist, Mitglied der EU zu sein als draußen." Ein BMW-Statthalter in Britannien mischt sich in die große Politik ein. Auch das hatte es so noch nicht gegeben. Die Warnung des Managers, unmissverständlich: Die Belegschaft könnte unter einem Austritt leiden. Und auch BMW-Vertriebs- und Marketingvorstand Ian Robertson, der selbst ein Brite ist, treibt der drohende Brexit um. Es werde schon alles nicht so schlimm werden, da man ja noch mit einem Freihandelsabkommen innerhalb der EU rechnen dürfe? Von wegen! Die Folgen des Ganzen seien absolut unkalkulierbar.

Müller-Ötvös, Robertson - Manager eines ausländischen Konzerns - machen britische Innenpolitik. Das ist brisant, aber zumindest konnten sich die Herren einer Sache sicher sein: Ihre Botschaft war unmissverständlich, und sie wurde gehört.

BMW und Großbritannien, das ist eine enge und tiefe Beziehung, die ohne den freien Handel so nicht funktionieren würde. Autokonzerne haben eng getaktete Lieferketten für ihre Just-in-time-Produktion und viele Komponenten werden erst im letzten Moment ans Band geliefert, um große und teure Lagerbestände zu vermeiden. Lieferketten, die zerreißen könnten, wenn der Handel nicht mehr frei fließen kann. Dazu kommt: Ein großer Teil der Autos und sämtliche Motoren, die BMW in Großbritannien vom Band holt, werden nicht für Großbritannien produziert, sondern in andere Länder der EU exportiert. Und natürlich funktioniert die Sache auch umgekehrt: Zehntausende neuer Autos und noch mehr Komponenten werden von Fabriken auf dem Kontinent auf die Insel gebracht.

Brexit, das heißt höhere Zölle, heißt weniger Freizügigkeit, heißt höhere Kosten und höhere Preise. So etwas wirkt als Drohszenario immer: automatischer Kostendruck. Wenn ihr nicht wollt, dass sich die Dinge zum Schlechteren entwickeln, wenn ihr eure Jobs halten wollt, vergesst euren Brexit schleunigst.

So etwas verfehlt seine Wirkung nicht: Nick Herbert, Mitglied der pro-europäischen "Conservative In Group", sagte: "Die nüchterne Wiedergabe der Fakten von Unternehmen wie Rolls-Royce erinnern uns an die Vorteile, Teil eines europäischen Marktes zu sein." Brexit-Befürworter auf der Insel meinten dagegen, "persönliche Ansichten von Vorständen" würden nicht notwendigerweise von der Belegschaft geteilt.

Wie es weitergeht, wenn sich die Brexit-Befürworter durchsetzen? Man denke nicht "über einen Plan B" nach, sagte BMW-Vertriebschef Robertson dieser Tage. Das heißt dann wohl: Plan A muss auf jeden Fall klappen.

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