Senkung der Lohnkosten:Krisenstaaten gehen den deutschen Weg

Die Krisenländer der Euro-Zone sollen wettbewerbsfähiger werden. Grob gesagt heißt das vor allem eines: Runter mit den Löhnen. Der Süden müsste billiger, der Norden teurer werden. Doch was ökonomisch sinnvoll erscheint, ist politisch schwer durchsetzbar. Die Fortschritte in manchen Ländern sind erstaunlich. Noch ist die Kluft zwischen Exportmeister Deutschland und den Krisenstaaten aber gewaltig.

Catherine Hoffmann

Die Regierungschefs hatten sich viel vorgenommen. In typischer Brüsseler Bescheidenheit hatten sie sich im März 2000 zum Ziel gesetzt, Europa binnen eines Jahrzehnts zum "wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt" zu machen. Das ehrgeizige Vorhaben darf heute als gescheitert gelten. Eine Vielzahl europäischer Staaten ächzt unter einer dreifachen Last: Überschuldung, Überkapazitäten und dem Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit.

Mit einem Mix aus Hilfe und Härte, mit Milliardenkrediten einerseits, Spar- und Reformanstrengungen andererseits sollen nun die Staatshaushalte wieder ins Lot geraten und die Konkurrenzfähigkeit zurückerobert werden. Eine erste Bilanz der Anstrengungen stimmt vorsichtig optimistisch, glaubt der Ökonom Norbert Berthold: "Die Länder der Peripherie scheinen einen Teil des steinigen Weges zu mehr Wettbewerbsfähigkeit zurückgelegt zu haben." Allerdings waren nicht alle Regierungen mit ihren Sanierungskonzepten erfolgreich. Doch der Druck voranzukommen ist groß.

Weiter Weg zur Wettbewerbsfähigkeit

Weiter Weg zur Wettbewerbsfähigkeit

Klicken Sie in die Grafik, um Lohnentwicklung, Leistungsbilanzen und Wirtschaftsleitsung der Länder im Vergleich zu sehen.

Die Piigs-Staaten Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien stecken in einer tiefen Rezession (Grafik), die Staatsbudgets sind vielfach überdehnt. Am schwersten wiegt: Die fünf Krisenstaaten tun sich schwer damit, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten - das aber ist eine wichtige Voraussetzung für Wachstum und höhere Steuereinnahmen, letztlich also für solidere Staatsfinanzen.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Alle fünf Piigs-Länder galten lange Zeit als Abwertungsländer: Bevor es die Währungsunion gab, lebten sie mit hohen Inflationsraten. Deshalb wurden ihre nationalen Währungen immer wieder abgewertet - um die verlorene Wettbewerbsfähigkeit aufzuholen. So kompensierten sie die Schwäche ihrer Wirtschaft. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen lagen oft im zweistelligen Bereich.

Ungezügelt verschuldet

Nach Eintritt in die Währungsunion erbten diese Länder das niedrige deutsche Zinsniveau - die erhoffte Euro-Dividende. Sie wurde nicht benutzt, um die Staatsbudgets zu sanieren. Vielmehr verschuldeten sich Privatleute und öffentliche Hand teils ungezügelt. So sind beispielsweise in Spanien Immobilienblasen entstanden und eine überdimensionierte Bauwirtschaft.

Zugleich büßten die Piigs-Staaten an Wettbewerbsfähigkeit ein, weil in der Boom-Phase die Lohnerhöhungen viel zu üppig ausfielen: Von 2000 bis 2008 legten die Gehälter zwischen 25 und mehr als 55 Prozent zu - während sich deutsche Arbeitnehmer in Bescheidenheit üben mussten. Die Folge waren hohe Leistungsbilanzdefizite, weil die Krisenstaaten von heute mehr Waren einführten als exportierten. Das aber ist auf Dauer nicht zu finanzieren. Also müssen die Handelsungleichgewichte verschwinden.

So geht es weiter in den Krisenländern

Wie das gelingen soll? Ökonomen haben darauf eine einfache Antwort: Wenn Länder wie Spanien Wachstum erzeugen wollen, dann müssen sie ihre Produktionskosten reduzieren. Um das zu erreichen, gibt es zwei Wege. Die eine Lösung wäre eine Abwertung der Währung, diesen Weg versperrt der Euro. Die andere Möglichkeit ist der deutsche Weg, die Lohnkosten zu drücken. Der ist ökonomisch betrachtet sinnvoll, politisch aber schwer durchzusetzen.

Grob gesagt müsste der Süden billiger und der Norden teurer werden. Die Piigs-Staaten sollten also Arbeitsmarktreformen vorantreiben, und ihre Preise und Löhne senken. Volkswirte sprechen von "interner Abwertung" - im Gegensatz zur externen am Devisenmarkt. Noch ist die Kluft zwischen Exportmeister Deutschland und den Krisenstaaten gewaltig. Griechenland etwa ist so teuer, dass es um 30 Prozent billiger werden müsste, selbst wenn Deutschlands Preisniveau im gleichen Zeitraum um 25 Prozent höher liegen würde.

Eine Studie der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zeigt: In den vergangenen drei Jahren wurden erste kleine Fortschritte gemacht (Grafik). In Italien, Portugal und Spanien legten die Löhne zwischen 2008 und 2001 zwar zu, aber nicht so schnell wie im Euro-Durchschnitt. In Griechenland und Irland sind sie sogar deutlich gefallen, während sie in Deutschland mit plus 5,7 Prozent leicht überdurchschnittlich wuchsen.

Weiter Weg zur Wettbewerbsfähigkeit

Weiter Weg zur Wettbewerbsfähigkeit

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Der Trend dürfte sich fortsetzen. Die Europäische Kommission schätzt, dass Griechenland die Arbeitnehmerentgelte in diesem Jahr um ganze acht Prozent drücken wird, Portugal um drei Prozent. Wenig tut sich 2012 dagegen in Irland, Spanien und Italien.

"Trotz der geringen Anpassung der Löhne ist es einigen Ländern gelungen, ein Stück ihrer verlorenen Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen", sagt Bruegel-Ökonom Guntram Wolff. Die Lohnstückkosten verbesserten sich, besonders deutlich in Irland, wo sie um beinahe 13 Prozent fielen. Aber auch in Spanien und Portugal sinken die Lohnstückkosten. Das stärkt ein Land im internationalen Wettbewerb, es wird günstiger.

Erstaunliche Fortschritte in den Leistungsbilanzen

Allerdings ist es noch ein sehr weiter Weg, bis die Konkurrenzfähigkeit wiederhergestellt ist. In Italien hat sich der Trend der steigenden Lohnstückkosten noch nicht einmal umgekehrt. Nun haben die Volkswirtschaften ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit nicht über Nacht verloren, es hat zehn Jahre gedauert. Also darf auch niemand erwarten, dass sie binnen kurzem wieder konkurrenzfähig werden.

Und doch zeigen sich in den Leistungsbilanzen schon erstaunliche Fortschritte. In den Jahren bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 sind die Leistungsbilanzdefizite der Piigs kräftig gestiegen, seither gehen sie kontinuierlich zurück (Grafik). In Irland ist der Saldo seit 2010 sogar positiv; anderswo sind die Bilanzen zwar noch defizitär, Portugal und Spanien sind aber auf gutem Weg.

Am schlechtesten sieht es noch immer in Griechenland aus, wo das Defizit bei rund sieben Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Die schwindenden Defizite sind allerdings nicht allein Ausdruck steigender Wettbewerbsfähigkeit. Sie sind zum Großteil Folge einer schwachen Inlandsnachfrage, die einen Einbruch der Importe nach sich zieht.

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