Selbstvermessung:Immer auf Trab

Bei vielen Managern hat sich zur Luxusuhr längst schon ein kleines Bändchen gesellt. Der Job der kleinen Armreife ist es, die Vermessung der Welt von Unternehmenskennzahlen auf den Manager selbst zu erweitern.

Von Helmut Martin-Jung

Noch ist die teure Uhr nicht out. Vielleicht ändert sich das schon bald, wenn die Apple Watch auf den Markt kommt. Denn die ist nicht bloß teuer - man kann dafür so viel Geld ausgeben wie für einen handgefertigten Schweizer Zeitmesser -, sie erfüllt auch noch eine andere Aufgabe, und die wird manchen Menschen immer wichtiger. Sie erfasst in Zahlen und Daten, in hübsch aufgemachten Grafiken in der dazugehörigen Handy-App, wie es um den Körper steht. Hast du dich heute genug bewegt, hast du ausreichend lange geschlafen und eher unruhig oder tief und fest?

Neu ist das nicht, bei vielen Managern hat sich zur Luxusuhr längst schon ein eher unauffälliges kleines Bändchen gesellt. Es ist, man könnte es fast so sagen, das Erkennungskennzeichen der Selbstoptimierer. Manche davon zeigen nicht einmal die Uhrzeit an. Müssen sie auch nicht, dafür gibt es ja die RolexGlashüttePatekPhilippe.

Der Job der kleinen Armreife ist es, die Vermessung der Welt von Unternehmenskennzahlen auf den Manager selbst zu erweitern. Ist der eigentlich fit genug für seinen Job oder tut ihm der Dienstwagen nicht gut? Wacht er jeden Morgen schon um fünf auf, weil er der Belastung im Job nicht gewachsen ist?

Noch ist es höchstens in Ausnahmefällen soweit, dass die Firma solche persönlichen Daten erfasst. Doch weil ja unbestritten ist, dass körperliche Fitness der Mitarbeiter für das Unternehmen von Vorteil ist, werden die neuen technischen Möglichkeiten auch mehr und mehr genutzt werden.

Das Beispiel, das man dazu bei der Firma Jawbone aus San Francisco erzählt, ist einerseits einleuchtend, andererseits aber auch ein bisschen creepy, wie man dort sagen würde - unheimlich also. Als in der Gegend einen schwereres Erdbeben herrschte, wertete Jawbone die Daten der registrierten Nutzer anonymisiert aus. Und fand - nicht sonderlich überraschend - heraus, dass die Träger von Jawbone-Bändern umso schlechter geschlafen hatten, je näher sie sich dem Zentrum des Bebens befanden. Wo es richtig gekracht hatte, gingen die Menschen überhaupt nicht mehr ins Bett und fuhren dann zur Arbeit. "Völlig übermüdet", wie man bei Jawbone findet. In Zukunft, so phantasiert man dort nun, könnte der Arbeitgeber Betroffenen vielleicht gleich einen Tag freigeben.

Beim Internetkonzern Yahoo wäre so etwas quasi sofort möglich, denn Firmenchefin Marissa Mayer, die einstige Suchmaschinen-Päpstin von Google, hat bereits 2013 allen mehr als 11 000 Mitarbeitern ein Fitness-Armband geschenkt. Wie man bei Jawbone erzählt, veranstalten Abteilungen seither Wettbewerbe, wer die meisten Bewegungspunkte sammelt.

Der eine oder andere wird das Band aber vielleicht auch schon in die Ecke geworfen haben. Weshalb der Hersteller auch sagt, dass die Hardware - also das Band selber - nur einen Teil der Geschichte ausmacht. Der andere ist die Software, die einerseits nicht mit ständigen Meldungen nerven darf, es aber andererseits verstehen muss, die Nutzer dazu zu bringen, das mit viel Enthusiasmus gekaufte Gerät über einen längeren Zeitraum zu nutzen.

Ein Manager braucht das natürlich nicht. Selbstdisziplin, Härte gegenüber sich selbst und dazu die Technik, die die facts and figures liefert - da kann doch eigentlich fast nichts mehr schiefgehen.

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