Selbstbedienungskassen im Supermarkt:Mensch vs. Maschine - 1:0

Verbraucherpreise

An der Kasse ist der Mensch dem Computer überlegen - in den Regalen sucht er sich seine Ware schließlich auch selbst aus.

(Foto: Gero Breloer/dpa)

Geldautomaten, Check-In-Computer am Flughafen, Kinokarten aus dem Drucker: Bereitwillig übertragen wir Aufgaben an Maschinen, die früher Menschen geleistet haben. Doch die schöne, effiziente Automatenwelt hat Grenzen, etwa im Supermarkt. Wer mal wieder die Überlegenheit des Menschen gegenüber der Maschine spüren will, sollte die Selbstbedienungskasse im Discounter nutzen.

Von Farhad Manjoo, Wall Street Journal Deutschland

In allen Branchen scheinen Computer Menschen zu ersetzen. Das macht viele nervös. Doch wer sich gerne mal wieder überlegen fühlen will, sollte einen Supermarkt mit Selbstzahlerkassen besuchen. Die Defizite dieser Computerkassierer zeigen, dass Maschinen Menschen noch nicht das Wasser reichen und viele ihrer Fähigkeiten nicht nachahmen können.

Ein menschlicher Kassierer ist schneller, der Umgang mit ihm ist weniger problembehaftet, er erwartet vom Käufer nicht, sich Produktcodes zu merken - und er wartet nicht wie die Maschine geradezu darauf, dass der Käufer versucht, Klopapier zu klauen. Und während der menschliche Kassierer alle Arbeit erledigt, kann der Kunde entspannt zusehen.

Es gibt nur ein Problem mit den menschlichen Kassierern: Es gibt nur wenige von ihnen. In meinem nächstgelegenen Einkaufszentrum stehen drei bis vier Kunden Schlange vor einer traditionellen Kasse, während die Selbstzahlerkassen oft leer sind. Kunden, die diese noch nicht kennen, interpretieren die kurzen Schlangen womöglich als Zeichen der Effizienz von Computern. Doch das wäre eine grobe Fehlinterpretation.

Nachteile der SB-Kassen sind gleichzeitig ihr größter Vorteil

Soweit ich weiß sind die Schlangen vor den Selbstzahlerkassen nur deshalb kurz, weil sie nicht besonders gut sind. Ab und zu können sie nützlich sein - vor allem, wenn man nur wenige Artikel bezahlen will. Doch im Normalfall sind sie ein großes Ärgernis. Ironischerweise sind die Defizite dieser Kassen ihr größter Vorteil: Da sie oft nerven, sind die Schlangen kürzer, wodurch sie schneller erscheinen als menschliche Kassierer.

In den meisten Fällen bin ich froh, wenn ich mit einer Maschine anstatt mit einem Menschen interagieren kann. Geldautomaten sind mir lieber als ein Bankangestellter, und Check-In-Automaten am Flughafen sind effizienter als die ernsten Mitarbeiter der Fluggesellschaft. Doch diese beiden Aufgaben, ähnlich wie Arbeit von Robotern in der Fabrikfertigung, haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind spezifisch, sie wiederholen sich, und sie erfordern weder körperliche noch geistige Flexibilität.

Das Kassieren im Supermarkt - ein schlecht bezahlter Job, für den keine komplizierte Ausbildung möglich ist - klingt wie eine Aufgabe, die Roboter ebenfalls leicht übernehmen können sollten. Doch tatsächlich ist es ein bisschen zu schwer für Computer, denn bisher können sie einfach noch nicht die nötigen menschlichen Fähigkeiten imitieren.

Lebensmittel zu scannen sollte doch nicht schwer sein, oder?

Ich habe mit mehreren ehemaligen Kassierern gesprochen, und alle erwähnen sie eine bestimmte Fähigkeit: Das Identifizieren von Obst und Gemüse. Manche dieser Artikel haben kleine Sticker mit dem Produktcode, andere jedoch nicht. Es ist der menschliche Kassierer, der den Unterschied zwischen Kopfsalat und grünen Paprika erkennt und der das richtig in die Kasse eingeben kann.

"Es dauerte drei oder vier Wochen, bis ich nicht mehr jeden Artikel nachschauen musste, der übers Band lief", sagt Sam Orme, ein 30-jähriger Student, der als Teenager im Supermarkt gearbeitet hat.

Ein weiterer ehemaliger Kassierer, Ken Haskell, sagt, dass er selbst nach Monaten noch gelegentlich nicht mehr weiter wusste. "Ab und zu rollte eine Papaya oder eine Mango übers Band, dann musste ich noch nach dem Buch greifen", sagt er.

In einer neuen Studie namens "Dancing with Robots" weisen die Ökonomen Frank Levy und Richard Murnane darauf hin, dass Computer nur dann Menschen ersetzen können, wenn sie zwei Schlüsselkriterien aufweisen. Erstens, die Informationen, die zur Ausführung der Aufgabe nötig sind, müssen für Computer verständlich sein, und zweitens, die Aufgabe muss so routinemäßig sein, dass sie sich als Serie von Regeln definieren lässt.

Computer kennen nicht den Unterschied zwischen Shiitakepilzen und Schuhpolitur

Selbstbezahlerkassen entsprechen der zweiten Bedingung, doch bei der ersten müssen sie kapitulieren. Ihnen fehlen die nötigen Informationen, um die gleiche Arbeit wie ein Mensch zu machen. Oder anders gesagt: Sie kennen den Unterschied zwischen Shiitakepilzen und Schuhpolitur nicht. Anstatt Obst und Gemüse selbst zu identifizieren, muss die Kasse den Kunden nach dem Code fragen. Würde ein menschlicher Kassierer den Kunden fragen, was die länglichen gelben Dinger im Wagen seien, würde man wahrscheinlich nach seinem Vorgesetzten verlangen.

Diese Defizite sind auch in anderen Bereichen zu erkennen. "In den Sechzigern dachte man noch, dass man in wenigen Jahren Röntgenbilder und CT-Bilder per Computer lesen würde", sagt Levy. "Aber so weit sind wir noch annähernd nicht. Das gleiche gilt für den Fall, dass ein Computer Rucola von einem anderen Gemüse unterscheiden soll."

Warum gibt es keinen Rabatt für die Selbstbedienungskassen?

Man kann sich Wege vorstellen, wie die Identifikation für einen Supermarktcomputer einfacher werden könnte. Zum Beispiel könnte jeder Obst- und Gemüseartikel ein Schild bekommen. Doch das wäre ein riesiger Aufwand mit geringem Nutzen.

Ein Vertreter von NCR, dem weltweit größten Anbieter von Selbstzahlerkassen, verweist auf eine Studie des Unternehmens, laut der Kunden diese Computer für schneller halten als reguläre Kassierer. Doch ich zweifele an dieser Wahrnehmung. Vergleicht man tatsächlich die beiden Bezahlmethoden, sind menschliche Kassierer deutlich schneller.

Können Computer den Menschen schlagen? Vielleicht eines Tages. Doch ich bezweifele, dass das bald passieren wird. Und außerdem: Wenn ein Laden mir keinen Rabatt dafür gibt, dass ich meine Einkäufe selbst scanne, warum sollte ich mir dann die Arbeit machen?

Wall Street Journal Deutschland

mehr auf WSJ.de ...

  • Wallstreet Journal Logo WSJ.de

    Dieser Artikel ist im Wall Street Journal Deutschland erschienen. Die besten Wirtschaftsnachrichten der Welt. Auf WSJ.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: