Auslandsakqusitionen:Ende einer Shopping-Tour

Seitdem die chinesische Regierung Firmenübernahmen ihrer Konzerne im Ausland massiv einschränkt, wächst die Unsicherheit - auch in Deutschland

Von Christoph Giesen, Meike Schreiber und Markus Zydra, Peking/Frankfurt

470 Millionen Pfund soll das Grundstück am Londoner Nine Elms Square kosten. Bestens gelegen, direkt an der Themse. Luxus-Wohnungen sollten hier entstehen - was auch sonst. Im Juni hatten die Besitzer bekannt gegeben, wer das Rennen gemacht hat: Wanda Dalian, der Konzern von Wang Jianlin, dem derzeit reichsten Chinesen. Wangs Privatvermögen wird auf mehr als 30 Milliarden Dollar geschätzt. 470 Millionen Pfund dürften da keine allzu große Hürde für Wanda sein. Am Dienstag jedoch teilte der Konzern mit: der Deal ist abgeblasen. Wanda ist raus. Warum? Dazu kein Wort.

Die passende Antwort aber hatte die chinesische Regierung bereits am Freitag verkündet, in Form einer Direktive. Demnach ist es chinesischen Unternehmen nicht mehr gestattet, "irrationale" Auslandsakqusitionen zu tätigen. Wer sein Geld unbedingt außerhalb Chinas investieren möchte, solle doch bitte die von Staatschef Xi Jinping angestoßene Seidenstraßeninitiative unterstützen, hieß es in einer Erklärung des Staatsrates. Ist die Shopping-Tour chinesischer Unternehmen nun zu Ende?

Auslandsakqusitionen: China, ein Milliardenreich mit Milliardeninvestitionen. Über diese entscheidet allerdings die Politik. Im Bild: Sicherheitsdienst vor der Auftaktsitzung des Volkskongresses im November 2012.

China, ein Milliardenreich mit Milliardeninvestitionen. Über diese entscheidet allerdings die Politik. Im Bild: Sicherheitsdienst vor der Auftaktsitzung des Volkskongresses im November 2012.

(Foto: AFP)

Bereits im vergangenen Spätherbst hatte die Führung in Peking die Auslandsaktivitäten chinesischer Firmen massiv eingeschränkt. So dürften Deals seitdem nicht mehr als eine Milliarde Dollar kosten und nur in Ausnahmefällen mehr. Die absolute Obergrenze beträgt zehn Milliarden Dollar. Der Grund: Aufgrund von Kapitalflucht musste Peking seit Sommer 2014 beinahe eine Billion Dollar seiner Währungsreserven einsetzen, um den Yuan stabil zu halten. Mit jeder Transaktion, mit jedem Deal aber verlässt Geld die Volksrepublik. Das sollte zumindest bis zum 19. Parteitag im Herbst auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden. So weit der Plan.

Für eine Handvoll Unternehmen schienen diese Regeln aber nicht zu gelten. Die Mischkonzerne HNA, Fosun, Anbang und Wanda kauften ein wie eh und je. HNA beteiligte sich an der Deutschen Bank und erstand den Flughafen Hahn. Fosun investierte in Goldminen und Anbang stieg bei Versicherern ein. Wanda wiederum schloss Immobiliendeals ab und plante Übernahmen in Hollywood. Bis Mitte Juni ging das gut, dann verschwand plötzlich Wu Xiaohui, der Anbang-Gründer. Was genau man ihm vorwirft und wo er festgehalten wird, ist nicht bekannt. Kurz darauf machten Gerüchte die Runde, die Behörden hätten den Banken in China den Auftrag erteilt, alle Darlehen jener vier Konzerne zu überprüfen.

Kein Kontakt

Der chinesische Autobauer Great Wall Motors hat Fiat Chrysler (FCA) bisher nicht wegen eines möglichen Einstiegs kontaktiert. Es gebe auch keine Vereinbarung mit dem italienischen Konzern, teilte Great Wall mit. Ein Sprecher des chinesischen Unternehmens hatte am Montag ein Interesse an FCA bestätigt. Spekulationen über den Einstieg eines Herstellers aus China gibt es schon länger, sie hatten den Kurs der FCA-Aktien am Montag auf den höchsten Stand seit 19 Jahren getrieben. SZ

Seitdem ist die Unsicherheit groß.

Auch in Deutschland hat das Auswirkungen. So befand sich Anbang vor nicht allzu langer Zeit unter den Bietern für die HSH Nordbank - ein Umstand, den die Hamburger Finanzbehörde zwar nie offiziell bestätigte, aber auch nicht dementierte. Die Landesbank mit Sitz in Hamburg und Kiel muss bis Februar 2018 verkauft werden. Misslingt die Veräußerung, wird das Institut womöglich abgewickelt.

Dem Vernehmen nach ist Anbang inzwischen abgesprungen. Offiziell äußern will sich dazu keiner der Beteiligten, es steht viel auf dem Spiel: Nicht nur mehr als 2000 Arbeitsplätze sind in Gefahr, es drohen auch weitere Belastungen für Hamburg und Schleswig-Holstein, schließlich war die Bank der größte Schiffsfinanzierer. Neben Anbang hatten nur eine Reihe von Finanzinvestoren Interesse für die Bank angemeldet. Ihnen werden aber kaum Chancen eingeräumt. Auf den Chinesen ruhten daher die Hoffnungen in Hamburg und Kiel, auch wenn man bei der Finanzbehörde in Hamburg gerne den Eindruck erweckt, als sei Anbang überhaupt nicht "Teil des Verfahrens gewesen".

Nach dem Verschwinden von Anbang-Chefaufseher Wu hätte in der deutschen Finanzbranche zwar ohnehin kaum noch jemand darauf gewettet, dass die Chinesen tatsächlich ein Gebot abgeben. In Hamburg aber hatte man gehofft, dass Anbang nun erst recht mitbietet, um unter Beweis zu stellen, dass man ein verlässlicher Käufer ist. "Die Chinesen haben Jahre lang gebraucht, um den hiesigen Finanzaufsehern zu zeigen, dass sie vertrauenswürdig sind. Das werden sie nicht aufs Spiel setzen, indem sie sich nun zurückziehen", hatte ein Insider noch im Juli gemutmaßt. Danach sieht es nun nicht mehr aus. Die verbleibenden Bieter müssen bis Ende Oktober ihre verbindliche Gebote abgeben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: