Schweizer Zentralbank:54 Milliarden Franken Gewinn - einfach so

Chairman of SNB Jordan addresses a news conference in Zurich

„Wir sind kein Hedgefonds“, sagt Nationalbank-Chef Thomas Jordan.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Die Schweizerische Nationalbank profitierte 2017 von ihrer sehr speziellen Geldpolitik. Vielen ist das unheimlich.

Von Charlotte Theile, Zürich

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an diesem Dienstag ihr provisorisches Ergebnis des vergangenen Jahres veröffentlicht. Auf den ersten Blick sieht es fantastisch aus: Die Zentralbank der kleinen Schweiz hat 2017 einen Gewinn von 54 Milliarden Franken, umgerechnet etwa 46 Milliarden Euro, erwirtschaftet - mehr als je zuvor. Die deutsche Bundesbank dagegen fuhr 2016 nur eine Milliarde Euro Gewinn ein. Bund und Kantone reagierten erfreut auf die Nachricht. Sie werden in den nächsten Wochen eine Überweisung erhalten, die mehr ist als nur ein netter Zuschuss zum Haushaltsbudget. Zwei Milliarden Franken wird die SNB ausschütten.

Trotzdem reagierten die Schweizer Medien nicht ohne Sorge auf die Berechnungen ihren obersten Notenbanker. Die Dimensionen, in denen das Institut seit einigen Jahren unterwegs ist, sind vielen Schweizern unheimlich. Mit mehr als 830 Milliarden Franken übersteigt die Bilanz der SNB das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz inzwischen deutlich. Und: Um der Aufwertung des Schweizer Frankens entgegenzuwirken, hat das Institut einen Großteil dieser enormen Summe in Fremdwährungen wie den Euro investiert. Dieser hat im vergangenen Jahr im Verhältnis zum Schweizer Franken um neun Prozent aufgewertet. 49 der 54 Milliarden Franken stammen aus Fremdwährungen. Im Jahr 2015, als die Bank die Koppelung von Euro und Franken auflöste und der Euro massiv an Wert verlor, machte die Nationalbank dagegen Verlust: 23 Milliarden Franken.

Schwankungen in dieser Größenordnung kennt man normalerweise eher von risikofreudigen Investoren. Nationalbankpräsident Thomas Jordan stellte im Interview mit der SZ Anfang 2017 klar: "Wir sind eine Zentralbank und kein Hedgefonds." Die Gewinne seien letztlich nicht mehr als Nebenprodukte einer an Preisstabilität orientierten Geldpolitik.

Auch sonst geht die Zentralbank ungewöhnliche Wege. Sie legt zum Beispiel viel Geld in Aktien an

Fest steht: Die SNB ist eine ungewöhnliche Zentralbank. Anders als etwa die Europäische Zentralbank investiert sie auch in Unternehmen. Auch wenn die Schweizer ihre Beteiligungen nicht genau offenlegen, ist klar: Die SNB besitzt Aktien börsennotierter Konzerne wie Apple, Microsoft oder VW. Für Nationalbank-Präsident Jordan geht es bei diesen Käufen allein darum, die wachsenden Währungsreserven des Landes, die großen Schwankungen unterworfen sind, abzusichern. Eine diversifizierte Strategie also - ganz so, wie sie ein Finanzberater seinem Kunden empfehlen würde.

Das Problem ist nur: Die Nationalbank ist kein privater Anleger. Sie ist untrennbar mit der Schweiz und deren wirtschaftlichen Interessen verbunden. Es braucht nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, welchen Einfluss ein milliardenschwerer Aktionär wie die SNB auf die Standortpolitik von Unternehmen ausüben könnte. Nationalbank-Präsident Thomas Jordan sieht diese Interessenskonflikte nicht. Man "picke keine Einzelaktien heraus", sondern investiere proportional zum Aktienindex eines Landes. Schwierig könnten Aktienkäufe höchstens "im eigenen Währungsgebiet", also in der Schweiz, werden.

In risikoreichen Zeiten ist der Franken als sicherer Hafen bei Anlegern gefragt. Die SNB ist damit in einer exponierten Situation. Sie muss diese Nachfrage befriedigen und gleichzeitig der Aufwertung der Währung entgegenwirken - schließlich ist die Schweiz schon jetzt so teuer, dass heimische Firmen nur mit großer Anstrengung konkurrenzfähig bleiben können. Je mehr Franken die Zentralbank druckt und gegen andere Währungen in den Markt gibt, desto länger wird ihre Bilanz. Viele Ökonomen macht dies nervös. Selbst der Doktorvater von Thomas Jordan riet der SNB kürzlich in der Handelszeitung, sie solle nach Gelegenheiten suchen "da und dort ein paar Euros loszuwerden".

Das Boulevardblatt Blick zitierte US-Ökonom Scott Summer: Die Bank habe "etwas sehr Dummes" getan und müsse mit immer mehr Geld gegen Spekulanten aus aller Welt antreten. Hätte man die Euro-Bindung nicht gelöst, wären die enormen Investitionen nicht nötig gewesen.

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