Schweiz:Wettbewerb im Steuerparadies

Der Schweizer Kanton Zug ist besonders erfolgreich bei dem Versuch, Reiche und ihr Geld ins Land zu locken.

Von Thomas Kirchner

(SZ vom 26.09.2003) - Viele Schweizer bezweifeln, dass ihr Land jemals der EU beitreten wird. Ein Grund dafür ist die unterschiedliche Steuerphilosophie: In Bern hält man den Brüsseler Versuch, die Steuersätze in der Union anzugleichen, für völlig falsch. Steuer-Nivellierung lade zum Geldausgeben ein, meint Finanzminister Kaspar Villiger.

Im Gegenteil: Gerade ein Wettbewerb in der Besteuerung sorge dafür, dass Leistungen günstig erbracht würden. Dieser Glaubenssatz gilt auch innerhalb der Schweizer Landesgrenzen, wo sich die Kantone die Steuerzahler mit niedrigen Tarifen gegenseitig abjagen.

Jährlich ziehen 800 Firmen in den Kanton Zug

Am erfolgreichsten ist dabei der Kanton Zug, zu dessen 100.000 Einwohnern sich nun auch Boris Becker gesellt hat. Das milde Steuerklima - die Abgaben sind nur halb so hoch wie im schweizerischen Durchschnitt - zieht Unternehmen und reiche Privatpersonen magisch an.

Mehr als 23 000 Firmen sind in der Steueroase inzwischen registriert, und jedes Jahr kommen 800 hinzu. Jede vierte ist vermutlich eine Briefkastenfirma. Diese "Verwaltungsgesellschaften", wie sie offiziell heißen, verfügen höchstens über ein Türschild an einem Zuger Bürogebäude und profitieren davon, dass der Kanton keine Gewinnsteuer von ihnen verlangt.

Extrem günstig kommen auch Holdings davon, ebenso "gemischte Gesellschaften", die ihre Geschäfte nur zu einem kleinen Teil in der Schweiz ausüben. Besonders stark vertreten ist der Rohstoff-Handel: Zug ist der viertgrößte Erdöl-Handelsplatz der Welt.

Günstige fiskalische Arrangements bieten auch andere Kantone. Zug aber war der erste, der 1930 ein "Spezialgesetz betr. die Sonderbesteuerung juristischer Personen" erließ, das aus einem reinen Agrargebiet den wohlhabendsten Schweizer Gliedstaat werden ließ. Rund 2000 Millionäre sollen hier wohnen, unter ihnen der Autor Johannes Mario Simmel und Metro-Gründer Otto Beisheim. Günter Netzers Sportrechte-Firma Infront ist in Zug gemeldet, vielleicht auch bald der Energie-Konzern Eon.

Umzug lohnt erst ab 200.000 Euro

Weil immer mehr Reiche dazukommen, sinken auch andere Steuersätze, etwa für Privatpersonen. Davon profitiert Boris Becker. Seiner Firma "Boris Becker & Co" will das Zuger Finanzamt zwar keine Steuererleichterungen gewähren. Mit Blick auf die deutsche Körperschaftsteuer von 39 Prozent lohnt sich der Umzug trotzdem: "Wenn er 500.000 Franken im Jahr verdient, zahlt er elf Prozent Einkommen- und neun Prozent Bundessteuer", rechnet Thomas Gehrig von der Firma Globogate vor, die bei Umsiedlungen in die Schweiz hilft.

Laut Gehrig kommen immer noch sehr viele reiche Deutsche in die Schweiz. Ein Wechsel in die Zuger Steueroase lohne sich wegen der hohen Schweizer Lebenshaltungskosten aber erst ab einem jährlichen Einkommen von 200.000 Euro.

Unklar ist, ob der Tennisstar als Privatperson eine "individuelle Pauschalbesteuerung", eine Art Spezialabkommen mit der Steuerbehörde verabredet hat. Als Richtgröße gilt "mindestens das Fünffache der jährlichen Mietkosten" - allerdings nur, wenn man in der Schweiz keinem Erwerb nachgeht.

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