Schweden:Volvo wird chinesisch

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Nach monatelangen Verhandlungen übernimmt der Geely-Konzern die schwedische Ford-Tochter und zahlt eine Milliarden-Summe. Doch noch immer gibt es Zweifel an dem Deal.

Gunnar Hermann

Chinas Vizepräsident Xi Jinping hätte seinen Staatsbesuch in Schweden kaum symbolträchtiger beginnen können. Am Sonntagmorgen besichtigte er am Göteborger Hafen noch den Nachbau eines alten Dreimasters, mit dem europäische Kaufleute einst im 18. Jahrhundert Seide und Porzellan aus China heranschafften.

Wenige Stunden nach diesem Ausflug in die Geschichte demonstrierten die Chinesen, wer heute in der Weltwirtschaft das Sagen hat: Im Göteborger Volvo-Werk unterzeichneten Li Shufu, Gründer und Haupteigentümer der Zhejiang Geely Holding Group, und Ford-Finanzvorstand Lewis Booth einen Kaufvertrag: Volvo geht in chinesischen Besitz über.

Wie Shufu am Sonntag bei einer Pressekonferenz erklärte, kauft Geely den traditionsreichen Autohersteller für umgerechnet etwa 1,3 Milliarden Euro. Das Geschäft war bis zum Schluss umstritten.

Schwedische Gewerkschaften hatten noch am Donnerstag protestiert. Sie fürchteten, dass die Chinesen nicht über genug Kapital verfügen, um Volvos Überleben langfristig zu sichern. Nach einem Gespräch mit Geely-Managern änderten sie jedoch am Samstag ihre Meinung.

Man habe Antworten auf alle Fragen bekommen, sagte ein Gewerkschaftssprecher, "wir sind zufrieden." Ford-Finanzchef Booth erklärte, Geely habe über die Kaufsumme hinaus genügend Geld, um den laufenden Betrieb zu garantieren.

Berichten zufolge finanziert Shufu die Übernahme überwiegend mit Geld aus China. Er rechnet aber wohl auch mit einem Kredit der Europäischen Investitionsbank über 400 Millionen Euro. Das Darlehen ist bisher für Volvo reserviert. Ob es auch einem chinesischen Eigner zur Verfügung steht, ist unklar.

Mit der Übernahme endet die Ära der Amerikaner in der schwedischen Automobilindustrie. Mehr als zehn Jahre hatte Volvo als Tochterfirma dem Ford-Konzern angehört. Der kleinere Konkurrent Saab war im Januar von seinem langjährigen amerikanischen Eigner General Motors an das holländische Unternehmen Spyker verkauft worden.

Die Schweden hatten in vielen Bereichen von den starken Partnern in Detroit profitiert, so wird etwa in Volvo-Autos zum Teil die gleiche Technik genutzt wie in Fords. Die Zusammenarbeit soll vorerst bestehen bleiben. Es wird aber erwartet, dass sich Geely neue Partner für seine schwedische Tochter suchen muss.

Teil einer Strategie

Der Verkauf von Volvo ist Teil von Fords Strategie, sich von seinen Premiummarken zu trennen. Der amerikanische Konzern hatte zuvor Jaguar und Land Rover an die indische Firma Tata Motors veräußert. Bei Volvo hofft man, durch die neuen Besitzer einen besseren Zugang zum chinesischen Markt zu erhalten, wo eine wachsende Mittelschicht sich zunehmend für Qualitätsautos aus Europa begeistert.

Derzeit verkaufen die Schweden pro Jahr knapp 40.000 Fahrzeuge in China, es gibt dort sogar schon einen Produktionsstandort. Forschung und Entwicklung sollen weiter in Schweden betrieben werden, die Volvo-Werke in Göteborg und im belgischen Gent will Shufu erhalten.

Trotz solcher Zusicherungen gibt es aber Zweifel an dem Deal. Eva Ossiansson, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Göteborg, hat im Auftrag einer Gewerkschaft eine kritische Studie über die neue schwedisch-chinesische Auto-Allianz erstellt. Sie fürchtet insbesondere um den Ruf der Marke Volvo.

Geely ist ein sehr junges Unternehmen, das in den 80er Jahren Kühlschränke und Motorräder herstellte. In der Autobranche fiel die Firma erst einmal unangenehm auf, weil sie ungeniert billige Plagiate ausländischer Marken-Wagen herstellte. Das Schmuddel-Image könne abfärben, meint Ossiansson. Die Vorteile, die Volvo durch Geely in China habe, bewertet sie als gering. "Geely verkauft dort vor allem billige Autos", sagt Ossiansson. "Es ist fraglich, ob dieses Unternehmen die Kompetenz hat, Volvo im Premiumbereich zu lancieren."

© SZ vom 29.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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