Immobilien:Hauskauf in Schweden - schnell, schnell!

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Roter Klotz im Grünen: Das Hemnet-Haus ist angeblich das Traumhaus der Schweden - zumindest laut einer statistischen Auswertung des größten Immobilienportals des Landes. (Foto: Tham & Videgård)
  • Die Immobilienpreise in Schweden steigen rasant, vor allem in der Hauptstadt Stockholm.
  • Einerseits fehlen Wohnungen, andererseits sind die Zinsen niedrig - und die Menschen kaufen weiterhin. Das ist oft auch einfacher als mieten.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Das meistgesuchte Haus Schwedens ist rot, was sonst. Es hat diese typische falunrote Holzfassade. Innen sind die Wände weiß gestrichen, nur die nötigsten Möbel stehen herum. Das Haus hat einen Balkon, eine offene Küche, Bad mit Tageslicht, vier Zimmer, 120 Quadratmeter. Mit dem flachen Dach erinnert es ein wenig an einen großen roten Baucontainer, der auf einer grünen Wiese steht.

Das Haus ist nicht echt. Zwei schwedische Architekten haben es für die Internetseite Hemnet.se entworfen, einem Portal für schwedische Immobilien. Das fiktive Haus basiert auf Daten, die das Portal aus 200 Millionen Klicks von zwei Millionen Besuchern gezogen hat. Zwei Millionen Besucher sind viel für ein Land mit knapp zehn Millionen Einwohnern. "Hemnetberoende", die Sucht nach Hemnet.se, kursiert in Schweden seit Jahren. Viele checken die Seite auch dann regelmäßig, wenn sie gar kein neues Heim suchen. Die schwedische Immobilienversessenheit rührt wohl von der jahrelangen Knappheit und daher, dass Schweden eher kaufen als mieten.

"Manchmal inserieren wir eine Wohnung freitags, und montags ist sie vom Markt"

Derzeit ist das besonders nervenaufreibend, Häuser und Wohnungen sind knapper denn je. Allein in Stockholm fehlen laut schwedischer Handelskammer etwa 110 000 Wohnungen. Dabei wächst Stockholms Bevölkerung schneller als die jeder anderen Stadt Europas. Entsprechend sind die Preise innerhalb eines Jahres um 17 Prozent gestiegen. Ein Quadratmeter kostet in Stockholm heute 7500 Euro im Schnitt, so die Zahlen des Infoservice Svensk Mäklarstatistik. In den beliebtesten Vierteln liegt der Quadratmeterpreis bereits bei 10 000 Euro. Dafür erhält man meist nicht einmal die Wohnung selbst, sondern das Bostadsrätt, ein Dauerwohnrecht beziehungsweise die Mitgliedschaft in einer Eigentümervereinigung. Wer seine Wohnung, also sein Bostadsrätt, vermieten möchte, muss dort vorher um Erlaubnis fragen. Auch deswegen ist Mieten in Schweden oft komplizierter als Kaufen.

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Kaufen läuft so ab: Der Wohnungssuchende geht zu seiner Bank, bekommt einen Kredit und bietet dann per SMS für die Wunschwohnung, simpler als bei Ebay. Wenn es lang dauert, ist eine Wohnung 13 Tage nach dem Inserat vergeben. Immer mehr Suchende sind allerdings so unter Druck, dass sie den Makler um eine private Führung schon vor der offiziellen Wohnungsbesichtigung bitten. "Manchmal inserieren wir eine Wohnung freitags, und montags ist sie vom Markt", sagt Nermin Kuljanin vom Maklerunternehmen Fantastic Frank. Paradiesische Zustände für seine Zunft? "Wenn die Käufer so gestresst sind, stresst uns das auch", sagt er.

Immobilienpreise übersteigen oft den wirklichen Wert

Eine von vier Wohnungen wechselt in Stockholm ohne öffentliche Besichtigung den Besitzer, hat die staatliche Hypothekenbank SBAB festgestellt. SBAB-Ökonomin Claudia Wörmann hält das für eine traurige Entwicklung. "Aber es ist auch verständlich. Jeder ist in Eile." Der Besitzer müsse oft verkaufen, bevor er für eine neue Wohnung für sich bieten könne. Und der Käufer brauche schnell ein Dach über dem Kopf, weil er seines bereits verkauft oder vermietet habe.

Dazu kommt, dass kein Gebot verbindlich ist. Der Käufer kann es jederzeit zurückziehen, der Verkäufer jederzeit an jemand anderen als den Höchstbietenden verkaufen. Nicht selten taucht nachträglich noch ein Interessent auf, der den Preis weiter nach oben treibt. Daher sind meist beide Seiten daran interessiert, das Vertragliche schnell hinter sich zu bringen. "Es kommt vor, dass der Käufer gedrängt wird, noch am selben Tag oder in derselben Stunde zu unterschreiben", sagt Joséphine Slotte, Immobilien-Expertin bei der schwedischen Verbraucherschutzagentur.

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Die Summe, auf die sich beide Seiten am Ende einigen, liege oft 60 bis 70 Prozent über dem Ausgangspreis. Slotte mahnt den Käufer, sich die Wohnung trotz Zeitdrucks vor dem Kauf gründlich anzusehen. "Meistens wohnen während der Besichtigung noch Leute im Apartment, und dann möchte man nicht unhöflich sein und unter den Teppich schauen oder die Toilettenspülung testen", sagt sie. Ist der Vertrag einmal unterschrieben, können Mängel, die man so hätte finden können, jedoch nicht mehr beanstanden werden. "Ich wohne selbst zur Miete, auch weil ich sehe, dass die Preise derzeit oft viel höher sind als der tatsächliche Wert des Apartments", erklärt die Verbraucherschützerin.

Niedrige Zinsen, keine Tilgung

Immer mehr Experten sprechen von einer Immobilien-Blase in Stockholm, nicht nur wegen der unverhältnismäßig hohen Preise. Viele Schweden haben sich durch ihr Wohneigentum hoch verschuldet, und viele zahlen ihre Kredite gar nicht ab, sondern lediglich die Zinsen. Die sind derzeit sehr niedrig, für die meisten Schuldner allerdings nicht fix. "Wir kalkulieren, dass die Käufer in der Lage sein sollten, mit einem Zins bis sieben Prozent zurechtzukommen", sagt Claudia Wörmann von SBAB. Im Moment liege der jedoch eher bei 1,6 Prozent. Um eine Blase sorgt sie sich nicht. Wenn die Preise fallen, könnten diejenigen, die gerade für viel Geld gekauft haben, eben erst mal nicht verkaufen.

Das meist geklickte, real existierende Haus bei Hemnet.se war im vergangenen Jahr das "Paprika-Haus". Dessen kreativer Makler hatte für die Anzeige überall im Haus grüne Paprika fotografiert, Bett, Badewanne und Waschmaschine mit diesem Gemüse gefüllt. Um die 452 000 Klicks bekam das Haus, und verwies damit ein nicht minder berühmtes Gebäude, das "Alien-Haus" mit seinen überlebensgroßen Weltraummonstern als Innendekoration, auf Platz zwei. Das falunrote Hemnet-Haus wirkt blass dagegen.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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