Schwankende Börsen:Bloß keine Panik

Die Finanzmärkte sind in Aufruhr. Ob Aktien, Euro oder Öl - überall fallen die Preise. Anleger sind verunsichert. Doch in den Schwankungen liegt auch eine Chance. Wie sie sich auf vier Investorentypen auswirken.

Von Markus Zydra

Es gibt wenige Orte, an denen man derartige viele, derartig platte Weisheiten hört wie an der Börse. Manchmal aber treffen die Bonmots den Sachverhalt aber doch ganz gut: die Aussage etwa, seine Gewinne mache man im Wertpapierhandel vornehmlich "mit dem Hintern". Dahinter steckt die einfache Botschaft, dass am Finanzmarkt Geduld und Gelassenheit gewinnen, dass es sich lohnt, Aktien einfach zu behalten, egal wie stark die Preise auch schwanken. Langfristig zahle sich die Investition schon aus.

Mit dieser Methode verdiente bereits der legendäre Börsen-Investor André Kostolany sein Geld - nur formulierte er etwas feiner: "Aktien kaufen und Baldrian trinken, wenn Sie wieder aufwachen, haben Sie Geld verdient", riet er Anlegern. Dieser simplen Weisheit zu folgen, wenn es darauf ankommt, ist allerdings gar nicht so leicht. Ein Blick auf die jüngsten Ereignisse genügt: Der deutsche Aktienindex (Dax) ist seit Jahresbeginn um zehn Prozent gefallen. Schon seit Monaten schwankt er stark zwischen 9000 und 11 000 Punkten. Unruhe auch an den Devisenmärkten: Der Euro hat seit August rund zehn Prozent gegen den US-Dollar an Wert verloren. Und der Ölpreis? Fiel rasant von über 50 auf 30 Dollar je Barrel.

Stock Exchange Crash

Unsicherheit, Verlustängste und Panik gehören fest zur Geschichte der Börsen. Auch am 16. September 1873 gab es in New York einen Crash, wie die Darstellung zeigt.

(Foto: Three Lions/Getty Images)

Wer kann da noch ruhig auf dem Allerwertesten sitzenbleiben? Oder schlafen?

Die Entwicklung an den Börsen gilt seit jeher als Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Einerseits. Andererseits pflegen die Börsen stets auch ein Eigenleben und neigen zur Übertreibung - in die eine wie in die andere Richtung. Manchmal sind die Preisentwicklungen bar jeder wirtschaftlicher Vernunft, manchmal verstärken Börsenunruhen eine Rezession, und in einigen Fällen verursachen Spekulanten solche wirtschaftliche Krisen überhaupt erst. "Die Finanzmärkte sind schon lange zu Treibern geworden. Sie haben die Realwirtschaft in den USA in die Subprime-Krise getrieben und in Europa die Euro-Krise wesentlich verursacht ", sagt Helge Peukert, Finanzwissenschaftler an der Universität Erfurt.

Die Finanzmärkte sind eben häufig nicht effizient und senden die falschen Signale. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson brachte es so auf den Punkt: "Die Börse hat neun der letzten fünf Rezessionen vorhergesagt."

Wie geht man mit diesen Unwägbarkeiten um? Ist es das Risiko wert, dort sein Geld anzulegen, in der Hoffnung 30 Jahre später davon leben zu können?

Der Soziologe Niklas Luhmann sagte, dass jede Entscheidung eines Menschen Risiken mit sich bringe. Sein Beispiel vom Regenschirm-Risiko ist legendär: Um das Risiko auszuschließen, durch einen unvorhergesehenen Schauer nass zu werden, kann man einen Regenschirm mitnehmen. Doch packt man ihn tatsächlich ein, lauert schon das nächste Risiko: nämlich den Schirm irgendwo liegen zu lassen. Auf die Börse gemünzt heißt das: Anleger können die Aktienmärkte natürlich meiden, weil sie das Risiko scheuen. Doch damit geraten sie sofort in Gefahr, zu wenig Ertrag für das Alter zu erwirtschaften. Risiken sind also allgegenwärtig.

Das Unbehagen vieler Menschen ist verständlich: Der Dax lag in den Jahren 2000, 2007 und 2013 jeweils schon bei 8000 Punkten. In den Perioden dazwischen ging es aber abwärts, teils bis auf 2200 Punkte. Der Euro kostete 2001 noch 87 US-Cent, 2008 waren es 1,60 Dollar - jetzt liegt der Preis bei 1,09 Dollar. Und das Barrel Brent-Öl notierte 2009 bei 70 US-Dollar, 2012 bei 127 Dollar und aktuell bei 30 Dollar. Wer den falschen Zeitpunkt zum Kaufen wählte, machte also hohe Verluste.

Weniger Schwankungen bedeuten nicht automatisch Sicherheit

Um die Risiken besser fassen zu können, gibt es für die Börsen "Angst-Barometer": Sie messen die täglichen Preisausschläge und machen so die Unruhe und das Risiko messbar. Je höher die Schwankung, desto höher das Risiko. Man spricht von Volatilität. Das zugehörige Barometer für den deutschen Aktienmarkt heißt VDax. Dessen Wert ist seit Jahresanfang um 50 Prozent gestiegen, was die aktuelle Unruhe an den Märkten belegt.

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Das heißt aber nicht, dass geringe Ausschläge automatisch Sicherheit bedeuten. Die Preise sicherer Staatsanleihen gelten gemeinhin als relativ schwankungsarm. Doch der Schein trügt, denn viele staatliche Schuldscheine wie Bundesanleihen bieten praktisch keine Zinsen mehr. Die Aussicht auf weitere Kursgewinne fehlt, gleichzeitig ist die Gefahr, dass die Kurse der Papiere fallen, sehr real.

Gefühlt müsste die Verunsicherung in den vergangenen Jahrzehnten dauernd und deutlich zugenommen haben. Doch eine Analyse der Preisausschläge im Dax seit 1995 kommt zu einem anderen Ergebnis: "Die Volatilitäten schwanken sehr stark mit der Kapitalmarktentwicklung, aber ich erkenne keinen Trend", sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim. "In Krisenjahren geht es hoch, dazwischen runter, und das auf sehr unterschiedlichem, aber für Krisenjahre und ruhigere Jahre vergleichbarem Niveau."

Burghof sieht dagegen ein ganz anderes Problem: Durch die Globalisierung liefen die verschiedenen Wirtschaftsräume zunehmend gleich, das System werden immer homogener. "Das hat nicht nur Vorteile, denn wenn ein Land ein Problem hat, dann haben auch alle anderen Länder dieses Problem", sagt der Finanzwissenschaftler. Zugleich hätten die Unternehmen höhere Schulden als früher. Damit stünden sie unter höherem Erfolgsdruck. Auch das könne zu stärkeren Preisausschlägen ihrer Aktien führen. "Andererseits gibt es heute Derivate, mit denen man sich gegen Verluste absichern kann, das ist ein stabilisierendes Element", erklärt Burghof. "Man kann also nicht pauschal sagen, dass die Welt heute riskanter ist als vor 20 Jahren."

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