Schwaben-Mythos:Alles, auch Hochdeutsch

Sind die Schwaben wirklich so fleißig, sparsam und bescheiden? Eine Ausstellung entlarvt nun manchen Mythos als Legende. Sprachprobleme haben die fleißigen Unternehmer aus dem Ländle immer noch, allerdings ganz anderer Natur.

Von Stefan Mayr

So sieht es also aus, das Musterländle. Oben an der Decke glitzert ein Dutzend Logos von Firmen, die man auch außerhalb von Schwaben kennt. Mercedes, Porsche, Bosch und wie sie alle heißen. Unter den Ikonen der deutschen Wirtschaft fuchtelt ein Mann mit seinem erhobenen Zeigefinger herum. Im breitesten Schwäbisch ermahnt er auf einer Kino-Leinwand seinen Mieter, er möge im Treppenhaus doch bitte immer ganz außen gehen. Damit die Stufen nicht so schnell durchgetreten werden. Aber ist er so wirklich, der Schwabe? Fleißig und bescheiden, sparsam bis geizig, konservativ bis spießig?

Das Landesmuseum Baden-Württemberg geht dieser Frage in einer Sonderausstellung nach. Die Antwort ist nach einem Rundgang durch das Alte Stuttgarter Schloss klar: Viele Schwaben sind noch viel, viel schlimmer. Und mindestens genauso viele sind ganz, ganz anders.

Zum Beispiel das mit der Sparsamkeit. Sie wurde zwar schon in der Finanzkrise von der Kanzlerin besungen ("Man hätte einfach nur die schwäbische Hausfrau fragen sollen"). Aber wie passt die vermeintliche Bodenständigkeit zu dem größenwahnsinnigen Projekt der Ulmer Bürger, in ihrem Städtchen den höchsten Kirchturm der Welt hochzuziehen? Nach fünf Jahrhunderten Bauzeit hörten sie in 161,53 Metern Höhe auf. Als Symbol für Bescheidenheit taugt die prächtigst ausgestattete Immobilie eher nicht.

"Schaffe, schaffe, Häuslebaue", das stammt von einem Dortmunder Schlagersänger

Als 1890 der letzte Stein gesetzt wurde, war Schwaben alles andere als ein Musterländle. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war Württemberg bei den Patentanmeldungen weit weg vom Spitzenplatz. Und das Pro-Kopf-Einkommen lag tief unterm Reichsdurchschnitt. Hinter Baden, Preußen und Sachsen. Nur zwei Landstriche waren noch ärmer: Hessen und Bayern.

Dann kam das deutsche Wirtschaftswunder. Und der kollektive Imperativ "Schaffe, schaffe, Häusle baue". Das Zitat wurde dem schwäbisch-stämmigen Bundespräsidenten Theodor Heuss in den Mund gelegt. Aber alles Legende, in Wahrheit kam der Spruch aus dem Mund des Dortmunder (!) Schlagersängers Ralf Bendix. Anno 1964 trieb er mit seinem gleichnamigen Song die Bundesbürger zu Höchstleistungen an. In die Top Ten schaffte er es zwar nicht, bei Platz 11 war Feierabend. Aber immerhin hielt sich der Kleinbürger-Traum von den eigenen vier Wänden 20 Wochen in der Hitparade. Bundesweit, nicht nur in Schwaben.

Tatsächlich aus dem Ländle stammt der Slogan "Wir können alles. Außer Hochdeutsch." Eine Behauptung, die inzwischen überholt ist. Schließlich haben schwäbische Tüftler beträchtlichen Einfluss auf die Hochsprache genommen; Die Verben "flexen" und "kärchern" kamen einst aus württembergischen Werkstätten und gehören heute zum deutschen Kernwortschatz. Der Trennschleifer "Flex" hat seit 2006 einen Stammplatz im Duden, und der Hochdruckreiniger Kärcher ist sogar in Frankreich in aller Munde. Dort bedeutet die Redewendung "mit dem Kärcher reinigen" so viel wie "Kriminelle von den Straßen vertreiben". Immer wieder wird sie im Wahlkampf aus der Kiste geholt als Synonym für gnadenlose Sauberkeit. Das Unternehmen Kärcher ist dennoch nicht begeistert. Im Oktober forderte es die Politiker in Paris öffentlich auf, den Markennamen nicht weiter zu missbrauchen. Das sind die Sprachprobleme, die Schwabens Firmen derzeit plagen.

Auch das Klischee vom Spießertum passt schon lange nicht mehr. Beteuert zumindest Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). "Kaum jemand ist so weltoffen und gespannt auf neue Entwicklungen wie wir", sagt die Unternehmerin und Schwäbin aus Balingen. "Auch wenn uns die Berliner manchmal das Gegenteil einreden wollen. "

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