Schuldenkrise in Griechenland:Im weltbesten Anleihefonds liegt griechischer Ramsch

Die erfolgreichsten Fondsmanager der Welt sitzen nicht in London, New York oder Frankfurt. Sie sitzen in Athen. Drei Männer trauten sich, ihr gesamtes Geld in griechische Staatsanleihen zu stecken - Papiere, vor denen jeder andere Anleger Reißaus nahm. Ihre waghalsige Wette ging auf.

Von Neelabh Chaturvedi, Wall Street Journal Deutschland

Die erfolgreichsten Fondsmanager der Welt sitzen in diesem Jahr nicht in London, New York oder Frankfurt. Sie sitzen in Athen.

Panos Simos von der Vermögensverwaltung NBG Asset Management sowie Aris Papageorgakopoulos und John Gikas von Eurobank Asset Management legten drei Staatsanleihefonds auf, die im vergangenen Jahr mehr als 100 Prozent Rendite abgeworfen haben. Kein anderer Anleihefonds weltweit hat nach Angaben der Investmentfirma Morningstar derart stark abgeschnitten.

Alle drei Fondsmanager erzielten mit derselben Wette ein Top-Ergebnis: Sie kauften auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise griechische Staatsschulden und hielten selbst dann an den Papieren fest, als andere Anleger längst das Weite gesucht hatten.

Zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen

Aus Anlegersicht hat sich Griechenland in den vergangenen Monaten stark gewandelt. Die Kurse einiger griechischer Staatsanleihen haben sich seit ihrem Tiefpunkt im Juni 2012 mehr als vervierfacht, weil die Angst vor dem Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone nachgelassen hat. Einige große griechische Unternehmen haben inzwischen erfolgreich eigene Anleihen am Markt platzieren können, und bekannte Investoren kaufen wieder griechische Aktien.

So sagte etwa Mark Mobius, der beim Investmentkonzern Franklin Templeton Schwellenmarkt-Wertpapiere im Volumen von mehr als 40 Milliarden US-Dollar verwaltet, dem Wall Street Journal im September, dass er jetzt erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt wieder griechische Unternehmensaktien kaufen wolle.

Das Anlegerklima ist günstig, und für die Fondsmanager Simos, Papageorgakopoulos und Gikas bedeutet das: Sie waren zur rechten Zeit am rechten Ort.

"Es gab eine Zeit, da waren griechische Staatsanleihen die meistverhasste einzelne Vermögensanlage der Welt", sagt Papageorgakopoulos. "Und wir dachten, am Bodensatz des Marktes gibt es nicht viel zu verlieren."

Der "Delos Domestic Bond Fund" mit seinem Anlagevermögen von 83 Millionen Euro, den Fondsmanager Simos leitet, hat in den vergangenen zwölf Monaten eine Gesamtrendite von 108 Prozent erwirtschaftet. Damit ist er der erfolgreichste Anleihefonds der Welt.

Kaum weniger erfolgreich sind der "Eurobank LF Government Bond Fund" mit einem Anlagevermögen von 30 Millionen Euro und der 137 Millionen Euro schwere "Interamerican Fixed Income Domestic Bond Fund", die gemeinsam von den Anlageexperten Papageorgakopoulos und Gikas geleitet werden. Sie erwirtschafteten in den vergangenen zwölf Monaten Renditen von 107 Prozent beziehungsweise 105 Prozent, belegen Daten von Morningstar.

Keine Frage: All diese Fonds sind klein und investieren gezielt in griechische Staatsschulden. Trotzdem schneiden sie erheblich besser ab, als selbst der erfolgreichste Dollar-Anleihefonds, der laut Morningstar mit forderungsbesicherten Wertpapieren Renditen in Höhe von 34 Prozent eingespielt hat. Auch der erfolgreichste Schwellenmarktfonds brachte demnach lediglich Erträge von 31 Prozent ein.

Die griechischen Spitzenfonds verwenden keine komplexen mathematischen Anlagestrategien und richten sich auch nicht speziell an schwerreiche Investoren. Vielmehr zählt ein Großteil ihrer Anleger zu den ganz normalen Privatkunden, oder es sind Rentenfonds griechischer Unternehmen.

Obwohl die Fonds so stark abgeschnitten haben, lässt sich ihren Managern nur schwer der Stempel eines "Superstar-Investors" aufdrücken. Papageorgakopoulos und Gikas arbeiten in der Regel von morgens um 9 Uhr bis abends um 18 Uhr. Wenn sie beruflich unterwegs sind, fliegen sie in der Economy Class, erzählen sie. Der 44-jährige Papageorgakopoulos, der sein Diplom an der britischen University of Reading gemacht hat und einen MBA-Titel der Cass Business School in London trägt, fährt einen gebrauchten Audi aus dem Jahr 2003 und lebt noch immer in jenem Haus im Athener Vorort Filothei, in dem er aufgewachsen ist.

Von den Folgen der harschen staatlichen Sparmaßnahmen in Griechenland wurden auch die drei Fondsmanager nicht verschont. Gikas, ebenfalls 44 Jahre alt, musste nach eigenen Angaben seine Ausgaben einschränken, weil er mehr Steuern zahlen musste. Simos, 36 Jahre alt, sagt, er habe den Kauf eines Eigenheims verschoben, weil die Banken ihre Kreditvergabe eingeschränkt hätten. Er lebt nun vorerst weiter zur Miete.

Ausländer konnten der griechischen Rally nur zusehen

"Die Investmentfonds-Branche war noch nie der bestbezahlte Bereich in der griechischen Finanzbranche", sagt Papageorgakopoulos. "Wir haben keine Hedgefonds- oder Investmentbanken-Mentalität, insofern haben wir nie die Bodenhaftung verloren."

Papageorgakopoulos sagt, sein Fonds sei vor allem so erfolgreich, weil er viel Glück gehabt habe. Gemäß den eigenen Anlageregeln mussten die Fonds mindestens 50 Prozent des Anlagevermögens oder mehr in griechische Staatsanleihen investiert haben. Die drei Fondsmanager reizten das aus: Sie investierten jeweils 100 Prozent ihres Portfolios in diese einzige Vermögensklasse.

Im Gegensatz dazu konnten viele Vermögensverwalter im Ausland der Marktrally in Griechenland nur zusehen. Weil griechische Staatsschulden von den führenden Ratingagenturen zu "Ramsch" deklariert wurden, dürfen viele ausländische Investoren gar kein Geld in diese Anleihen investieren. In den großen Anleihe-Indizes sind griechische Staatsschulden deshalb auch nicht mehr enthalten. Dazu kommt, dass der Markt für griechische Staatsanleihen wegen seiner geringen Größe für viele Großinvestoren gar nicht in Frage kommt. Das Volumen der verfügbaren handelbaren Anleihen liegt bei nur 25 Millionen Euro.

Der Erfolg der drei griechischen Fonds ist allerdings nicht allein nur dem Glück geschuldet. Er hängt auch mit der Geduld und den geschickten Wetten ihrer Manager zusammen. Papageorgakopoulos und Gikas kürzten ihren Bestand an griechischen Staatsanleihen erstmals im April 2012 zusammen - einen Monat vor den Parlamentswahlen, die damals kein eindeutiges Ergebnis hervorbrachten. Die Fondsmanager kauften stattdessen Anleihen griechischer Banken, weil diese damals unterhalb ihres Ausgabekurses handelten. Sie lagen mit ihrer Annahme richtig, dass Anleger zum Fälligkeitstermin wohl den vollen Wert ausgezahlt bekommen würden.

Nach der zweiten Wahlrunde im Juni 2012 gingen die Fondsmanager wieder bei den Staatsanleihen aufs Ganze und schichteten ihr gesamtes Fondsvermögen in griechische Staatsschulden um. "Nach der zweiten Wahlrunde haben wir eine Regierung zusammenbekommen, die bereit war, mit den internationalen Gläubigern zusammenzuarbeiten und Reformen umzusetzen", sagt Papageorgakopoulos.

Griechisches Chaos geriet für Anleger zur Zitterpartie

Die drei Fondsmanager kauften damals Staatsanleihen ihres Landes zu durchschnittlichen Preisen, die teils bei nur 12 Cent des Nennwerts von einem Euro lagen. Momentan liegt der durchschnittliche Preis griechischer Staatsanleihen bei rund 53 Cent je Euro. Das ist immer noch ein Kurs im unteren Bereich und zeigt, dass einige Investoren immer noch nicht damit rechnen, den vollen Nennwert zurückzubekommen.

Die Jahre, in denen sich die Kurse griechischer Staatsanleihen im freien Fall befanden, gerieten auch für die drei Fondsmanager zu einer Zitterpartie. Als der Eurobank LF Government Bond Fund im März 2009 mit einem Volumen von rund 13 Millionen Euro aufgelegt wurde, rentierten zehnjährige griechische Staatsanleihen lumpige 1,2 Prozentpunkte über deutschen Bundesanleihen, die in Europa der Maßstab für Staatsschulden sind. Der geringe Renditeabstand zeigte, dass Anleger griechische Staatsanleihen noch für ziemlich sichere Investments hielten.

Ein Jahr später aber war die Angst vor dem maroden griechischen Staatshaushalt allgegenwärtig, und die Finanzmärkte stürzten ins Chaos. Als erstes Land der Eurozone musste Griechenland seine europäischen Nachbarstaaten um Finanzhilfen anbetteln.

Als die griechische Wirtschaft weiter schrumpfte, wurden Privatanleger im März 2012 aufgefordert, bei der Schuldenbewältigung mitzuhelfen. Sie sollten ihre griechischen Staatsanleihen gegen neue griechische Schuldenpapiere mit niedrigeren Zinsen umtauschen. Anleger zogen ihr Geld aus Griechenland ab. Gleichzeitig weitete sich der Abstand zur Rendite deutscher Bundesanleihen auf 11 Prozentpunkte aus.

Die Anleihefonds der drei Vermögensmanager schrumpften rapide. "Es gab Zeiten, da fragten wir uns, ob überhaupt noch etwas übrig bleiben würde", sagt Papageorgakopoulos und fügt hinzu: "Es war eine schwierige Phase."

Gikas bestätigt das: "Die letzten paar Jahre waren die herausforderndsten in meinem Berufsleben, noch mehr als jene Phase in den 1990ern, als die Währung noch Drachme hieß und die Renditen der Staatsanleihen bei bis zu 30 Prozent lagen."

Manchmal rufen jetzt Fans aus dem Ausland an

Inzwischen sind die Nachrichten aus Griechenland wieder aufmunternder. Mit der neuen Regierung habe sich ein Gefühl der Stabilität eingestellt, sagt Simos. Zudem habe das Versprechen der Europäischen Zentralbank, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Euro zu retten, Ängste vor einem Auseinanderbrechen der Währungsunion beschwichtigt.

Trotzdem ist Griechenland noch nicht über den Berg. Die Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um 4 Prozent schrumpfen und die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Aber wegen staatlicher Ausgabenkürzungen dürfte die Regierung jetzt einen kleinen Haushaltsüberschuss von 340 Millionen Euro erwirtschaften - ohne Berücksichtigung fälliger Schuldenrückzahlungen. Dieser Überschuss soll im nächsten Jahr auf 2,8 Milliarden Euro steigen. Im Jahr 2014 soll die griechische Wirtschaft laut Prognosen um 0,6 Prozent wachsen. Und das Gerede über einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ist inzwischen verflogen.

Mit dem Ende der Kursschwankungen der griechischen Staatsanleihen ist in den vergangenen zwei Monaten deutlich mehr Geld in die Fonds von Vermögensverwalter Papageorgakopoulos geflossen. Zwischen Januar und August habe der tägliche Mittelzufluss durchschnittlich rund 92.000 Euro betragen, sagt er; im September und Oktober seien es rund 140.000 Euro gewesen.

Fondsmanager Simos sagt, er diskutiere nun mit potenziellen Anlegern und Leuten im Ausland, die seine Ansichten zum Finanzmarkt hören wollten.

"Es braucht Zeit, um Vertrauen zu entwickeln, aber langsam verbessern sich die Dinge. Wir sind der Ansicht, dass sich am Ende alles als nützlich erweisen wird, solange Griechenland in der Eurozone bleibt und die Regierung die Wirtschaft weiter reformiert", sagt Simon.

Wall Street Journal Deutschland

mehr bei WSJ.de ...

  • Wallstreet Journal Logo WSJ.de

    Dieser Artikel ist im Wall Street Journal Deutschland erschienen. Die besten Wirtschaftsnachrichten der Welt. Auf WSJ.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: