Schuldenkrise in Griechenland:Europa wartet auf die Kanone

Toll, dass die Staaten gerade alle dem neuen Rettungsschirm, nein: dem neuen Rettungsschirmchen für den Euro zustimmen. Doch jeder weiß: Das Geld reicht ohnehin nicht. Deswegen sinnieren jetzt alle über die nächsten Schritte - und denken fatalerweise auch an jene Teufelspapiere, die vor einigen Jahren das Desaster verstärkten. Warum die Politik die Wahrheit einfach ignoriert und irgendwie Zeit schinden will.

Hans-Jürgen Jakobs

Nach der Rettung ist vor der Rettung, nach dieser Devise läuft die Griechenland-Hilfe. Gerade erst haben etliche Staaten der Ausdehnung des Euro-Rettungsschirms zugestimmt, da setzt schon mit Vehemenz die Debatte ein, wie man mit dem Konstrukt noch mehr Milliarden Euro "hebeln" könne.

Euro-Schuldenkrise

Nach der Rettung ist vor der Rettung, nach dieser Devise läuft die Griechenland-Hilfe. Die Lösung des Problems wird schlichtweg vertagt. Gezahlt wird eben später.

(Foto: dpa)

Anfang nächster Woche werden die Finanzminister der EU-Zone an den Konzepten zu jener Geldschöpfung arbeiten, die bedeutet, dass man mit Schulden noch mehr Schulden finanziert, um endgültig genug Zeit zu gewinnen für die Notverarztung all jener Euro-Länder, die sich vollends übernommen haben, also so richtig über ihre Verhältnisse gelebt haben.

In einem ersten Schritt geht es um die European Financial Stability Facility (EFSF), wie der Rettungsschirm in der Sprache technokratischer Finanz-Eggheads heißt. Wobei, gemessen an den pekuniären Problemen Griechenlands, ja wohl eher von einem "Schirmchen" zu sprechen ist.

Jedenfalls hat der Bundestag am Donnerstag, weil 250 Milliarden Euro an effektiver Finanzhilfe nicht ausreichen, den Sprung auf 440 Milliarden Euro beschlossen. Und weil die meisten der mit dem hellenischen Schlamassel betrauten Experten wissen, dass auch das nicht ausreicht, sollen mit diesem Geld weitere Hilfen organisiert werden - und zwar, wie könnte es anders sein, über neue Verbindlichkeiten.

Es handelt sich um neue Varianten jenes Pump-Kapitalismus, der führende marktwirtschaftliche Staaten im Zuge der Finanzkrise 2008 an den Abgrund geführt hat. Das zeigt sich schon daran, dass in einem aktuellen Modell Collateralized Debt Obligations (CDO) zum Einsatz kommen sollen - jene Teufelspapiere, mit denen vor einigen Jahren die Schieflage auf dem US-Immobilienmarkt, wo sich die Besitzer ihre Häuser gar nicht leisten konnten, in viele Länder exportiert wurde.

Sollen nun wirklich solche Finanzprodukte die Lösung sein? Der EFSF-Fonds würde, so erträumen sich das Apologeten der gefährlichen Geldvermehrung, für einige neu zu schaffende Zweckgesellschaften garantieren, die wiederum Anleihen schwächelnder Staaten wie Griechenland kaufen und verkaufen, mit unterschiedlichen Risiken und Zinsen.

Das Problem wird schlichtweg vertagt

In einem anderen Entwurf wurde zuletzt auch diskutiert, die EFSF mit einer Banklizenz auszustatten. Dann würde sie beispielsweise Griechen-Anleihen kaufen, bei der Europäischen Zentralbank (EZB) deponieren, um dafür Geld zu bekommen, das wiederum zum Kauf anderer Krisenpapiere aufgewendet werden könnte.

Das ist jener gefährliche "Hebel", der aus 440 Milliarden rund 3,5 Billionen Euro-Hilfsmittel machen könnte - und vor dem beispielsweise der Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zu Recht warnt wie der Priester vor der Völlerei. Die Notenbank würde wie in den USA zur Gelddruckmaschine, das Gesetz des Handelns wäre auf ökonomische Hütchen-Spieler übergegangen.

Es ist zu befürchten, dass mit irgendwelchen EFSF-Kreationen die Risiken für Stabilität im Euro-Raum steigen. Europas obersten Schuldenbekämpfern geht es erkennbar darum, den Rest dieses Jahres und dann 2012 zu überstehen, um schließlich 2013 die wahre Großkanone ins Gefecht zu rollen, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Erst damit glauben die Regierungen, mit dem umgehen zu können, was schon heute Thema ist: mit der Pleite Griechenlands. Private Gläubiger wie Banken und Versicherungen würden dann von vorneherein ins Obligo genommen werden.

Die fünf Wirtschaftsweisen gehen schon seit längerem von einem nötigen Schuldenschnitt über 50 Prozent aus, eine Erkenntnis, die der ökonomisch geschulte SPD-Reservekanzlerkandidat Peer Steinbrück derzeit glaubhaft von allen Kathedern der Republik ausbreitet. Griechische Gläubiger müssten also auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten.

Aber da nun einmal nicht sein darf, was nicht sein kann, wird die Welt erst einmal weiter im Abstand einiger Wochen darauf schauen, was die Vertreter von EZB, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds - als "Troika" bekannt geworden - bei ihren jeweiligen Inspektionen in Athen so herausfinden. Das Drama nährt das Drama.

Die Lösung des Problems wird schlichtweg vertagt. Gezahlt wird eben später. In der Welt der Unternehmen geht man in solchen Fällen schon mal von Konkursverschleppung aus.

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