Griechenland:Das Referendum hat schon begonnen

Griechenland: Ein deutsches "Nein" an einer Wand in Athen.

Ein deutsches "Nein" an einer Wand in Athen.

(Foto: AP)
  • Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras hat für den 5. Juli ein Referendum zu den Forderungen der Gläubiger angekündigt. Er werde jede Entscheidung akzeptieren.
  • Die Opposition kritisierte Tsipras heftig und forderte Neuwahlen.
  • Merkel, Hollande und EZB-Chef Draghi hatte Tsipras zuvor über den Plan informiert. Tsipras' Stellvertreter soll am Samstag mit Draghi zusammenkommen.
  • Trotz der überraschenden Wende in Athen treffen sich am Samstagnachmittag in Brüssel die Finanzminister der Eurogruppe, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Schlangen vor den Bankautomaten

Nach der überraschenden Ankündigung von Premier Alexis Tsipras, die Griechen in einem Referendum über die Vorschläge der Kreditgeber zur Rettung des Landes vor der Staatspleite entscheiden zu lassen, hat ein Teil des Volkes in der Nacht schon mit den Füßen abgestimmt. Vor vielen Bankautomaten bildeten sich bis zum frühen Morgen lange Schlangen.

Nach einer fast fünfstündigen Dringlichkeitssitzung des griechischen Kabinetts am Freitagabend hatte Tsipras nach Mitternacht in einer Fernsehansprache das für 5. Juli anberaumte Referendum verkündet. Tsipras versprach, das Ergebnis der Entscheidung zu akzeptieren, "wie immer es auch ausfällt".

Die Wahlempfehlung der regierenden Linkspartei Syriza aber ist schon klar: Tsipras warf einem Teil der Geldgeber vor, sie wollten Griechenland "demütigen" und kritisierte besonders den Internationalen Währungsfonds (IWF) und dessen Beharren auf "harten und bestrafenden Sparmaßnahmen". Staatsminister Nikos Pappas, einer der engsten Vertrauten von Tsipras, sagte nach der Kabinettssitzung: "Unser Volk wird mit Nein stimmen."

Mehrheit für Verbleib in der Euro-Zone

Eine große Mehrheit der Griechen hatte sich zuletzt allerdings für den Verbleib ihres Landes in der Euro-Zone ausgesprochen. Die griechische Opposition reagierte heftig. Kyriakos Mitsotakis, Chef der konservativen Nea Dimokratia, der größten Oppositionspartei, sagte: "Die Maske ist gefallen." Er verlangte sofortige Neuwahlen und nannte das Vorgehen von Syriza einen "Putsch im Parlament". Das Referendum bezeichnete Mitsotakis als "verfassungswidrig", da über Finanzfragen gar nicht vom Volk direkt abgestimmt werden könne. Stavros Theodorakis, Chef der liberalen Partei Potami, meinte, Tsipras werde das Referendum verlieren. Dessen eigentliche Frage sei, ob Griechenland "Teil Europas bleibt oder nicht".

In der Sondersitzung des Parlaments am Nachmittag müssen die Abgeordneten die Abhaltung des Referendums erst noch billigen. Die Regierung hat dafür eine klare Mehrheit, dennoch wird ein heftiger Schlagabtausch erwartet.

Der griechische Innenminister Nikos Voutsis appellierte im Parlament an alle Fraktionen, dem geplanten Referendum zuzustimmen. Ein einstimmiges Votum der Abgeordneten würde die Verhandlungsposition des Landes stärken, sagte Voutsis.

Fast zeitgleich zum Treffen des Parlaments wollen sich die Euro-Finanzminister erneut mit Reform- und Sparpaketen für Griechenland beschäftigen. Sie dürften allerdings auch über einen "Plan B" sprechen: Über die Frage, wie die anderen Euro-Länder von den Auswirkungen einer Staatspleite Griechenlands geschützt werden können.

Auf dem Verhandlungstisch lag zuletzt ein gemeinsames Angebot der Institutionen. Es sah eine Verlängerung und Aufstockung des derzeitigen Kreditprogramms bis November vor - vorausgesetzt Athen verpflichtet sich zu mehr Privatisierungen, Kürzungen bei den Renten sowie einer Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag von einem "außergewöhnlich großzügigen Angebot" sprach, wies die griechische Regierung es als "unakzeptabel" zurück. Sie machte auch deutlich, dass die angebotenen 15,5 Milliarden Euro nicht reichen würden, um sowohl die fälligen Raten an IWF und EZB in den nächsten Monaten zu zahlen wie die leeren Kassen in Athen wieder so aufzufüllen, dass der Staat handlungsfähig bleibe.

Am Samstag beantragte die griechische Regierung daher nur eine "kleine Verlängerung" des Programms, das am Dienstag enden sollte, um das Referendum abhalten zu können. Kanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande und den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hatte Tsipras noch aus der nächtlichen Kabinettssitzung heraus von dem Referendumsplan telefonisch informiert. Das Überleben der vier größten griechischen Banken hängt schon seit Monaten von den Notfallkrediten der EZB ab. Vizeregierungschef Giannis Dragasakis will deshalb noch am Samstag Draghi treffen.

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