Schuldenkrise in Europa:Wie ein Sixpack ein zweites Griechenland verhindern soll

Maastricht war gestern: Das Parlament in Straßburg verschärft den Stabilitätspakt. Länder, die ihren Haushalt nicht mehr im Griff haben, müssen mit heftigen Sanktionen rechnen. Welche Schritte gegen die Schuldensünder konkret helfen sollen.

Cerstin Gammelin

Er war Theo Waigels ganzer Stolz: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Europäischen Union kam 1997 maßgeblich auf Initiative des damaligen Bundesfinanzministers zustande. Der CSU-Politiker wollte den Euro stabil machen und deshalb übermäßiges Schuldenmachen von Anfang an verhindern.

Im Zentrum des Paktes standen die sogenannten Maastricht-Kriterien, die es einzuhalten galt: eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und ein Gesamt-Schuldenstand von höchstens 60 Prozent.

Als härteste Sanktion gegen das Schuldenmachen wurden empfindliche Geldstrafen vereinbart. Doch politische Rücksichtnahmen und Interessen waren stets wichtiger als die auf dem Papier vereinbarte Haushaltsdisziplin - und führten mitten hinein in die heutige Schuldenmisere.

Um künftig derartige Krisen zu verhindern, unternimmt die EU nun einen neuen Anlauf, die selbst aufgestellten Regeln einzuhalten. Ein Jahr, nachdem die Europäische Kommission sechs Richtlinien und Verordnungen zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ("Sixpack") auf den Tisch legte, verabschiedete das Europäische Parlament am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit die bisher größte Reform im gemeinsamen Währungsgebiet. Damit wird die Kontrolle der nationalen Haushaltspolitiken drastisch verschärft. Die Reform ist Bestandteil eines Gesamtpakets, zu dem auch der bestehende Euro-Rettungsfonds EFSF und der geplante permanente Krisenmechanismus ESM gehören.

Die Reform lässt vor allem die Euro-Länder enger zusammenrücken. Zwar gilt der Stabilitätspakt prinzipiell für alle 27 EU-Länder, es sollen aber striktere Vorgaben für die 17 Länder gelten, die den Euro bereits eingeführt haben.

Zu den wichtigsten Änderungen im Vergleich zu den bestehenden Regeln gehören die verstärkte vorbeugende Beurteilung von Haushaltsplanungen, der Ausbau von korrigierenden Maßnahmen für solche Länder, gegen die ein Defizit-Verfahren eröffnet wird, sowie die Einführung eines Frühwarnsystems, mit dem die EU-Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der Länder beurteilen und, wenn nötig, korrigieren will. Konkret geht es um folgende sechs Maßnahmen:

Der Sixpack im Überblick

Verschärfung des Stabilitätspaktes: Künftig reicht der Verstoß gegen eines der Maastricht-Kriterien aus, um ein Defizitverfahren zu eröffnen. Bisher müssen nur solche Regierungen mit Verfahren rechnen, die jährlich mehr als drei Prozent neue Schulden machen. Künftig muss auch die Schulden-Obergrenze von 60 Prozent eingehalten werden.

Euro - Stabilitätspakt

Die EU verschärft den Stabilitätspakt.

(Foto: dpa)

Härteres Sanktionsverfahren: Neu ist auch, dass Sanktionen künftig überwiegend halbautomatisch ausgelöst werden können. Zwar benötigt die EU-Kommission auch weiterhin eine Zweidrittelmehrheit der EU-Finanzminister, um ein Verfahren zu eröffnen. Alle weiteren Schritte bis hin zu Sanktionen können aber nur noch über ein Veto des Ministerrates verhindert werden.

Rascherer Schuldenabbau: Betroffene Länder müssen ihre Schuldenberge "angemessen zügig" reduzieren, und zwar um mindestens ein Zwanzigstel des Betrages, der über der 60-Prozent-Marke liegt. Ein Land wie Deutschland, dessen Schulden ungefähr bei 80 Prozent des Bruttosozialproduktes liegen, müsste seine Schulden jährlich um einen Prozentpunkt desselben senken. Falls diese Vorgabe nicht erfüllt wird, soll ein Verfahren eingeleitet werden. Allerdings hat die Kommission einen gewissen Ermessensspielraum, "alle angemessenen Faktoren" zu berücksichtigen.

Konkretere Ausgabenkontrolle: Für Regierungen, die zu viele neue Schulden machen oder deren Schuldenberg höher ist als erlaubt, gilt: Öffentliche Ausgaben dürfen nicht stärker wachsen als die Volkswirtschaft insgesamt.

Neue Schuldenbremse: Die Staaten werden verpflichtet, im nationalen Recht eine Schuldenbremse einzuführen. Diese gibt es mit Verfassungsrang bisher in Deutschland und neuerdings auch im Krisenland Spanien.

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Anhand diverser Kriterien wie Lohnstückkosten oder öffentliche Löhne will die EU-Kommission künftig stärker die Wettbewerbsfähigkeit überwachen. Ländern, die kaum konkurrenzfähig sind, kann die Brüsseler Behörde künftig Maßnahmen vorschreiben, die Situation zu verbessern, und im Notfall auch Sanktionen verhängen. Auch Staaten wie Deutschland, die regelmäßig Überschüsse erwirtschaften, bekommen künftig Empfehlungen, diese abzubauen. Sanktionen sind dabei ausdrücklich nicht vorgesehen.

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