Wege aus der Euro-Krise:Was jetzt zu tun ist

Furcht vor der globalen Finanzschmelze: Die Europäische Währungsunion steht am Abgrund. Staaten kämpfen gegen die Schuldenlast, Banken stecken in Geldnot, Anleger flüchten aus dem Euro. Und jetzt? Ein Fünf-Punkte-Programm für den Weg aus der Krise.

Catherine Hoffmann

Griechenland muss pleitegehen

Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erkennen, dass das Krisenmanagement in der Euro-Zone gescheitert ist. In Griechenland regiert die Depression, Italien zahlt für neue Schulden Renditen in Rekordhöhe, die Kapitalnot der europäischen Banken wächst täglich in Milliarden-Euro-Schritten. An den Börsen ist die Nervosität größer noch als nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008. Anleger fliehen in Scharen aus europäischen Staatsanleihen, weil sie nicht mehr wissen, welche sicher sind - und welche nicht. Da hilft es nicht, immer neue Milliarden in Krisenländer zu pumpen.

Es wäre besser, der Realität ins Auge zu sehen und zu sagen, welche Staaten zahlungsunfähig sind - Griechenland zum Beispiel - und welche lediglich mit Liquiditätsschwierigkeiten kämpfen: Italien oder Spanien. Staaten wie Griechenland müssen pleitegehen, die Illiquiden dagegen werden mit Hilfspaketen unterstützt. "Griechenland braucht einen Schuldenschnitt von 75 Prozent, der 50-Prozent-Schnitt der privaten Gläubiger reicht hinten und vorn nicht", glaubt etwa Philipp Vorndran, Kapitalmarktexperte des Kölner Vermögensverwalters Flossbach & von Storch. Nur so hat das Land Chancen, wieder auf die Beine zu kommen, nur so haben die Griechen einen Anreiz, die harten Einschnitte durchzustehen, die nötig sind.

Damit ihre Insolvenz keine globale Finanzschmelze auslöst, müssen allerdings die möglichen Opfer der Bankrotteure geschützt werden, allen voran europäische Banken und schlingernde Staaten wie Italien und Spanien. Nur so lässt sich der Teufelskreis durchbrechen, der derzeit alle Defizitländer der Währungsunion bedroht, auch die solventen.

Alle Länder sollen sparen und wachsen

Im Kern ist die Euro-Krise eine Staatsschuldenkrise. Damit die Finanzmärkte wieder Vertrauen fassen in angeschlagene Staaten, ist es unerlässlich, dass ihre Regierungen die öffentlichen Haushalte in Ordnung bringen und die Wachstumskräfte im Land stärken. Während die einen hoffen, dass sich dieses Vertrauen durch eine unabhängige europäische Haushaltsaufsicht und automatische Sanktionen für Schuldensünder herstellen lässt, setzen andere lieber auf die Kontrolle der Märkte.

"Der Markt kann Staaten, die über ihre Verhältnisse leben, viel effektiver sanktionieren, als alle Verträge", sagt Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, mit Blick auf die leidvollen Erfahrungen mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, der zwar theoretisch harte Sanktionen vorsah, praktisch aber zahnlos blieb. Der Markt funktioniert aber nur, wenn die Regierungen für ihre fiskalpolitischen Entscheidungen haften, indem sie mit höheren Zinsen und zur Not einem geordneten Insolvenzverfahren rechnen müssen.

Obwohl Athen, Dublin, Lissabon, Madrid und Rom im Eiltempo Sparhaushalte und Wirtschaftsreformen beschlossen haben, beruhigen sich die Märkte allerdings nicht. Sie wollen Erfolge sehen, doch die zeigen sich frühestens in einem Jahr. Diesen Ländern muss geholfen werden, sie brauchen eine Anschubfinanzierung.

Ohne große Hilfspakete geht es einfach nicht

Trotz aller Sparversprechen - die Unsicherheit an den Märkten hält an. Die angeschlagenen Staaten brauchen Zeit und Geld, bis ihre Reformen wirken. Vorschusslorbeeren gibt es an der Börse nicht und damit keinen Kredit. Vielmehr zieht das Misstrauen von den Rändern der Währungsunion immer weiter Richtung Kerneuropa, sogar Deutschland bleibt nicht verschont, wie jüngst eine missglückte Auktion von Bundesanleihen gezeigt hat.

Um den Teufelskreis zu durchbrechen, braucht es also nicht nur den guten Willen zu Reformen, sondern auch viel Geld - das der Euro-Rettungsfonds nicht hat. Dies befeuert den Ruf nach einer stärkeren Waffe, der sogenannten Bazooka. Entweder die Europäische Zentralbank (EZB) druckt also Geld, um Staaten zu finanzieren - was aber nicht ihre Aufgabe ist. Angela Merkel fürchtet zu Recht um die Unabhängigkeit der Notenbank und die Geldwertstabilität. Oder aber die Euro-Bonds kommen als das kleinere Übel. Die größten Chancen hat ein Modell mit begrenzter Haftung: Jedes Land darf sich nur bis zu 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung über Euro-Bonds finanzieren, für die alle Mitglieder der Währungsunion haften. Wer mehr Geld braucht, muss eigene Anleihen ausgeben; für diese nationalen Schuldpapiere zahlt jede Regierung individuelle Zinsen und sie ist allein für Zins und Tilgung verantwortlich.

Ohne Änderung der EU-Verträge führt allerdings kein Weg zu Euro-Bonds. Zudem müssten die Staaten einen Teil ihrer Souveränität in Finanzfragen abgeben - an einen neu zu schaffenden europäischen Währungsfonds etwa. Bis es so weit ist, müsste wohl, auch wenn es den Deutschen nicht behagt, die EZB mitspielen.

Ein starker Euro braucht starke Banken

Die großen europäischen Banken sind das schwächste Glied in der Schuldenkrise. Sie haben ihren nationalen Regierungen viel zu viel Geld geliehen - ihre Kapitaldecke ist oft zu dünn. Müssen sie nun noch mehr Staatsanleihen in ihren Büchern abschreiben, weil Europa Griechenland und womöglich anderen Staaten einen Schuldenerlass gewährt, brauchen diese Banken mehr Eigenkapital. Institute, denen es nicht gelingt, das nötige Geld aus eigener Kraft zu beschaffen, müssen den Staat als Finanzier und Aktionär dulden.

Bereits vor drei Jahren nach der Lehman-Pleite mussten sich etliche Banken von der Politik Vertrauen und Geld leihen. Wer abermals vor dem Absturz bewahrt werden will, sollte aber mit harten Auflagen rechnen: Für den Einsatz von öffentlichem Geld müssen die Staaten Aktienpakete oder Gesellschafteranteile erhalten, die sie eines Tages veräußern können. Dividenden- und Gehaltspolitik der betroffen Banken werden streng reglementiert.

Vor allem aber muss eine einheitliche europäische Bankenaufsicht geschaffen werden, die die Geldhäuser auch in normalen Zeiten grenzüberschreitend überwacht. Dazu gehört auch ein internationales Insolvenzverfahren, um im Notfall Banken geordnet abwickeln zu können. Schließlich sollten die Institute künftig deutlich höhere Puffer in Form von Eigenkapital und Liquidität vorhalten.

Politiker müssen Bürgern die Wahrheit sagen

Angela Merkel wird wohl als Krisenkanzlerin in die deutschen Gesichtsbücher eingehen - so wie Willy Brandt für die Entspannungspolitik oder Helmut Kohl für die Deutsche Einheit. Damit die Bewältigung des europäischen Schuldendebakels aber gelingen kann, braucht es die Zustimmung des Volkes. Denn wer Europa retten will, geht hohe finanzielle und politische Risiken ein, das gilt insbesondere für Deutschland.

Doch viele Bürger quittieren ein mögliches Auseinanderbrechen der Währungsunion nur mit Schulterzucken, ein Austritt Griechenlands wäre manchem sogar willkommen. Und die Rückkehr der D-Mark würden viele Menschen mit nostalgischer Verklärung begrüßen. Wenn Merkel den Euro retten will, muss sie den Wählern also erklären, warum gerade Deutschland mit seiner Exportwirtschaft von einer Währungsunion und einem stabilen Euro profitiert. Dieser Vorteil ist nicht kostenlos zu haben. Man wird den Bürgen reinen Wein einschenken müssen: Wer den Euro behalten will, muss dafür einen Preis bezahlen.

Dieser Preis ist entweder eine neue Rolle der Europäischen Zentralbank oder eine gemeinschaftliche Anleihe. Das eine oder das andere scheint unausweichlich zu sein, wenn die Märkte beschwichtigt werden sollen. Doch bislang drückt sich die Politik davor, Klartext zu sprechen. Die Lösung der Schuldenkrise ist auch eine Verteilungsfrage: Wer bezahlt die Kredite, die längst ausgegeben wurden? Ganz ohne Umverteilung von finanzstarken Staaten hin zu schwachen wird es nicht gehen. Die Alternative zum Retten - ein Zusammenbruch des Euro oder eine Kernwährungsunion - hätte aller Voraussicht nach viel unangenehmere Folgen.

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