Schuldenkrise in Europa:Schwellenländer fürchten Sog der Finanzkrise

Sie sind die Zukunft: China, Brasilien, Russland, Indien und auch Südafrika. Und sie fürchten, in den Strudel der von Europa ausgehenden Finanzkrise zu geraten. In einem dramatischen Appell richten sich die Schwellenländer jetzt an ihre einstigen Vorbilder und werfen ihnen die Gefährdung der weltwirtschaftlichen Stabilität vor.

Die großen Schwellenländer haben den Europäern wegen ihrer Schuldenkrise eine Gefährdung der weltwirtschaftlichen Stabilität vorgeworfen. "Das Epizentrum der Krise ist dieses Mal die Europäische Union", klagte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega am Donnerstag in Washington auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Vor drei Jahren seien es noch die USA gewesen, die die Welt in eine tiefe Finanzkrise gestürzt hätten.

Guido Mantega

"Das Epizentrum der Krise ist dieses Mal die Europäische Union", klagte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega in Washington auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

(Foto: AP)

Die fünf BRICS-Länder forderten laut Reuters die Europäer gemeinsam zu schnellem und entschiedenem Handeln auf und sagten ihre Unterstützung dafür zu. Von direkten finanziellen Hilfen für europäische Krisenländer, etwa durch den gezielten Ankauf von Anleihen solcher Länder, war allerdings nicht die Rede.

"Die aktuelle Situation erfordert entschiedenes Handeln", heißt es in einem Kommunique der BRICS-Staaten nach Gesprächen am Rande der Jahreskonferenz von IWF und Weltbank. "Schnelles Handeln ist wichtig", unterstrich auch Mantega. Ähnlich wie bei der letzten Finanzkrise sei erneut Entschlossenheit und Kooperation der Länder gefragt. Die BRICS-Länder seien bereit, gegebenenfalls über den Internationalen Währungsfonds und andere internationale Finanzinstitutionen einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten, hieß es im BRICS-Kommunique.

Grundsätzlich gelte aber, die aktuelle Lage und die Herausforderungen, denen sich die Schwellenländer gegenübersehen, seien andere als die der Industrieländer, erklärten Vertreter der Schwellenländer. Sie seien es auch gewesen, die zuletzt das Wachstum in der Welt vorangetrieben hätten. Zudem müsse gesehen werden, dass die aufstrebenden Länder intern auch hohem Finanzbedarf bei der Bekämpfung der Armut begegnen müssten, erklärten Vertreter Indiens.

"Industrieländer schaden mittlerweile der Entwicklung"

Die BRICS warfen den Industrieländern vor, mit ihren Defiziten die aufstrebenden Entwicklungsländer herabzudrücken. Die von Europa ausgehende Krise ziehe auch sie in den Strudel, und zwar über eine Wachstumsverlangsamung in der Welt, sinkende Rohstoffpreise, Spannungen an den Finanzmärkten und exzessive Liquidität an den Märkten, die manchen Ländern massive Kapitalzuflüsse bescherten. Dem müsse begegnet werden.

Die Industrieländer seien gefragt, eine verantwortungsvolle Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben, fordern die Schwellenländer in dem Kommunique. Die BRICS-Länder vereinbarten, künftig die Zusammenarbeit und den Handel untereinander zu intensivieren und damit noch enger zusammenzurücken. Damit einhergehend werde auch das Gewicht ihrer Währungen in der Welt zunehmen.

Die europäische Schuldenkrise und ihre Auswirkungen auf die Bankenwelt und die Weltwirtschaft sind die Themen, die alle Teilnehmer der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank interessiert. Über dieses Thema werden die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 größten Industrienationen beraten, auch wenn die Agenda zunächst etwas anderes vorsieht.

Wie zuvor bereits der IWF bewertete das US-Finanzministerium die europäische Schuldenkrise als größte Bedrohung der Weltwirtschaft. Die Amerikaner riefen die europäischen Nationen deshalb auf, bedrohten Banken und Ländern ihre unmissverständliche Unterstützung zuzusagen.

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