Kubanische Blogger:Elektronisches Exil

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Die junge kubanische Bloggerszene kämpft mit schlechten und teuren Internetzugängen - und staatlicher Überwachung. Kritische Stimmen finden dennoch ihren Weg ins Web.

Julia Woehrle

Am vergangenen Wochenende wurde Miriam Celaya wieder einmal grundsätzlich. "Wir werden nicht schweigen", schrieb die kubanische Bloggerin auf ihrer Seite. "Für jede Tür, die sich schließt, tun sich neue Türen auf."

Der Grund für den Eintrag war, wie so oft, die Technik. Das Portal Voces Cubanas könne auf Kuba nicht mehr geöffnet werden, teilte Celaya mit. Offenbar sei ein Filter installiert worden, der den Aufbau der Site so sehr verlangsame, dass sie de facto gesperrt sei. Für die Bloggerin, die in Havanna lebt und schreibt, war gleich klar, was dahinter steckt: "so eine dämliche Aktion des kubanischen Regimes".

Gut vernetzt

Es gibt nicht viele Kubaner, die derart offen gegen die sozialistische Regierung protestieren wie Celaya. Wegen ihres Engagements hat sie von anderen Bloggern des Landes vergangene Woche für ihre Seite Sin Evasión einen Preis erhalten: für den "besten journalistischen Info-Blog des Landes".

Es ist ein Beispiel dafür, wie gut die Szene heute vernetzt ist. Der bisherige Höhepunkt dieser Entwicklung fand im August auf Palma de Mallorca statt. Dort gab es zum ersten Mal ein offizielles Treffen kubanischer Online-Autoren: "Bloggers por un sueño", Blogger für einen Traum, lautete das Motto der Veranstaltung, die ein Jahr zuvor mit der E-Mail einer Exilkubanerin namens "Aguaya" an ein paar befreundete Autoren startete. Die Empfänger waren begeistert, schon kurz darauf war das Skelett eines Blogs zum Ereignis online, an dem über 100 Leute mitbastelten.

Da Kubas Staatssicherheit ein Treffen in Havanna verhinderte, waren zunächst zwei parallele Konferenzen mit dem Titel "Die kubanische Blogosphäre: Ihr kultureller, sozialer, politischer und medialer Einfluss" in Palma und Miami, Florida, geplant. Das Argument für Miami liegt auf der Hand: Die meisten der mehr als zwei Millionen Exilkubaner leben in Florida, die einflussreiche Lobby der Kubano-Amerikaner hat hier ihre Basis. Die Kubaner in Europa entschieden sich aus vergleichsweise profanen Gründen für Palma: Die Insel ist leicht zu erreichen und außerdem ganz hübsch.

Immer mehr kritische Stimmen

Doch der Anfangsenthusiasmus kollidierte mit organisatorischen Problemen und der Wirtschaftskrise. Die Konferenz in Miami fand nie statt, und nur eine Handvoll Blogger schaffte es letztlich nach Palma. Viele konnten sich die Reise schlicht nicht leisten, was dazu führte, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer nicht-bloggende Exilkubaner und interessierte Europäer waren.

Kubas Bloggerszene ist vergleichsweise jung. Die Autoren kämpfen noch mit Restriktionen wie schlechten und teuren Internetzugängen und, natürlich, staatlicher Überwachung. Trotzdem gibt es immer mehr kritische Stimmen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie vielfältig die kubanische Blogosphäre ist.

Ricardo Margolles, 65 und auf Mallorca der älteste exilkubanische Blogger, sagt: "Die kubanische Regierung überwacht ihre Bürger, indem sie sich mit den Bewegungen verbündet, die sie nicht kontrollieren kann, aber bei den Blogs geht das nicht." Die Szene ist grob in drei Gruppen gespalten. Den kritischen "alternativos" stehen die regierungstreuen "oficialistas" gegenüber, und irgendwo dazwischen gibt es noch ein paar Unpolitische.

Subtiler Protest

"Alternativos" klingt nach Alternative; eine gemeinsame Linie verbindet sie aber nicht. Bekannteste Vertreterin der Gruppe ist Yoani Sánchez. Ihr Blog Generación Y erscheint in 17 Sprachen. In Kuba ist der Blog gesperrt, Sánchez selbst wird überwacht. Die Bloggerin betont dabei, keine Dissidentin zu sein. Ihr Protest ist eher subtil: Sie beschreibt einfach den skurrilen Alltag in ihrem Land. Andere, wie Celaya und ihr Blog Sin Evasión, bezeichnen sich offen als regimekritisch.

Die meisten exilkubanischen Blogs werden in den USA geschrieben, wo sich wiederum der Einfluss der konservativen Lobby bemerkbar macht. Als der kolumbianische Sänger Juanes kürzlich ein Konzert in Havanna ankündigte, ging ein Aufschrei durch die kubanische Gemeinde in den USA, die sich von Blogs auf andere Medien ausbreitete. Doch auch hier ist die Blogosphäre kein Einheitsblock mehr. Gerade die Jüngeren wenden sich zunehmend vom radikalen Anticastrismus ihrer Eltern ab und fordern ein besseres Verhältnis zur Heimat.

Leise Hoffnung

Der Blogger Jorge Ignacio Pérez, der in Kuba früher als Journalist beim Paradeblatt der Kommunistischen Partei Granma arbeitete, verkauft heute in Barcelona Elektrogeräte. Er und viele andere erzählen in Palma, dass ihre Veröffentlichungen im Internet auch eine schmerzhafte Selbsttherapie seien. Heimweh, zum Beispiel. "Ein Riesenthema", sagt Aguaya. Auch die Angst vor der Überwachung verfolgt die Blogger bis ins Exil. Jeder hat Angehörige zurückgelassen, die er nicht gefährden will.

Die Hoffnung auf Wandel ist klein, aber es gibt sie. Einige Blogger verweisen darauf, dass private Internetanschlüsse in Kuba nicht mehr illegal seien. Auch wenn die monatlichen Kosten von circa 45 Euro - bei einem Monatslohn von knapp 12 Euro - ohne Auslandshilfe unbezahlbar sind. Die Regierung macht den Bloggern das Leben zwar schwer, aber nicht unmöglich.

Warum? Die Frage kommentierten die Kubaner in Palma mit einem eher ratlosen Achselzucken - und der leisen Hoffnung, dass sich vielleicht doch etwas ändert. "Früher wäre das nicht so gewesen", sagt Pérez. Allerdings sind sich alle Teilnehmer der ersten kubanischen Bloggerkonferenz darin einig, dass ihre Heimat noch einen weiten Weg vor sich hat.

© SZ vom 15.09.2009/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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