Schulden-Streit mit Hedgefonds:Argentinien weint nicht

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Die Entscheidung, gegenüber den ausländischen "Geier-Fonds" hart zu bleiben, wird Cristina Kirchner bei ihren Anhängern vorerst eher stärken (Archivbild) (Foto: AFP)

Jetzt lernen auch Hedgefonds und New Yorker Richter den berüchtigten "Kirchner-Stil" kennen: Dass die argentinische Präsidentin es derart frech auf die Staatspleite ankommen lässt, hat sie kalt erwischt. Die hausgemachten Probleme des Landes löst Kirchner so aber nicht.

Von Sebastian Schoepp

Argentiniens Wirtschaftsminister Axel Kicillof trat nach dem Scheitern der Gespräche in New York forsch vor die Presse, wie immer lässig ohne Krawatte, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Was er denn dazu sage, dass die wichtigste Ratingagentur Argentinien Zahlungsunfähigkeit bescheinige: "Ach, wer gibt schon etwas auf Ratingagenturen?", fragte Kiciloff zurück. Eigentlich sei es nämlich so: "Wir sind nicht zahlungsunfähig, man erlaubt uns nur nicht, zu zahlen."

Die Frist für eine Einigung mit Hedgefonds, die argentinische Schulden besitzen und Geld sehen wollen, war um Mitternacht in New York abgelaufen. Danach passierte, was passieren musste: Die Agentur Standard & Poor's stufte Argentinien als zahlungsunfähig ein.

Tatsächlich hat das Land aber eben erst Tranchen von Außenständen in Millionenhöhe an amerikanische Banken überwiesen. Nur dürfen sie von dort nicht an die Gläubiger weitergeleitet werden, solange die renitenten Hedgefonds nicht bedient sind. Diese Vorzugsbehandlung haben die Fonds dem Urteil eines amerikanischen Richters zu verdanken.

Argentinien stellt aber nicht die Zahlung ein, weil es kein Geld hätte. Sondern weil Überweisungen an US-Banken festsitzen. Das Land ist heute nicht mehr pleite als gestern. Die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit ist ein Automatismus, der mehr mit den Regeln des Kreditgeschäfts zu tun hat als mit der tatsächlichen Situation des Landes.

Die ist eine ganz andere als bei der letzten Staatspleite 2001/02. Damals stand Argentinien nach einer desaströsen Wirtschaftspolitik des neoliberalen Präsidenten Carlos Menem mit 200 Milliarden Dollar international in der Kreide. Der Zahlungsausfall hatte dramatische Folgen für die Bevölkerung. Bankkonten wurden gesperrt, die Wirtschaft brach zusammen. Es gab Streiks, durch Buenos Aires zogen die Massen und forderten: "¡Que se vayan todos!" - Sie sollen alle abhauen! Gerichtet war die Forderung an einheimische Politiker, der diese eilfertig nachkamen: Präsident Fernando de la Rúa türmte mit einem Helikopter, vier Interimspräsidenten wurden verschlissen. Das Chaos dauerte an, bis der bis dato unbekannte Provinzpolitiker Néstor Kirchner 2003 durch Wahlen ins höchste Staatsamt kam. Er versuchte es mit einer gänzlich neuen Methode.

Präsident Kirchner nahm das Land sozusagen freiwillig vom Finanzmarkt und schickte es auf einen umstrittenen Weg der Autarkie und Selbstbehauptung. Der stieß nicht nur in Argentinien, sondern in ganz Lateinamerika auf eine Menge Zustimmung. Den internationalen Finanzinstitutionen wies er die Tür, die meisten Anleger speiste er mit einem Bruchteil ihres Geldes ab - und das mit einer Arroganz, die sprichwörtlich geworden ist: der Kirchner-Stil, im Land "Estilo K" genannt.

Seine Witwe und Nachfolgerin Cristina Fernández de Kirchner und ihr Wirtschaftsminister Kicillof haben diesen Stil perfektioniert. Den Gläubigern und Hedgefonds, die das Land erneut an den Rand der Pleite bringen, tritt Argentinien mit derselben Arroganz gegenüber, wie es der Anleger und Staatenfledderer Paul Singer normalerweise mit seinen Schuldnern tut. Singer führt die Gruppe von Fonds an, die sich mit der Kirchner'schen Umschuldung nach der Pleite von 2002 nicht abfinden wollten. Sie kauften Argentinien-Papiere zum Spottpreis und fordern nun eine Rendite von bis zu 1800 Prozent ein. Mit seriöser Kreditfinanzierung habe das nichts zu tun, meint Präsidentin Fernández de Kirchner. Natürlich müssten Schulden bezahlt werden, doch sie lasse ihr Land nicht von Spekulanten in den Ruin treiben.

Rückkehr auf die Finanzmärkte vorerst unmöglich

Dazu kommt etwas anderes: Zahlt Argentinien Singer und Co. aus, könnte es sein, dass auch die große Mehrzahl der Gläubiger, die sich bislang mit einem Teil ihres Geldes begnügt hatten, auf volle Rückzahlung bestehen. Das könnte 120 Milliarden Dollar kosten - weit mehr als Argentinien in der Schatulle hat. Um es nicht zur großen Katastrophe kommen zu lassen, nahm Fernández de Kirchner also die kleine in Kauf. Die schwerwiegendste Folge ist erst mal: Die Rückkehr Argentiniens an die Finanzmärkte, die die Präsidentin eigentlich anstrebte, wird auf mittlere Sicht unmöglich gemacht.

Das Brisante ist, dass Argentinien durch seine harte Haltung das gängige System der Staatenfinanzierung durch Spekulation infrage stellt. Der internationale Finanzkapitalismus muss sich womöglich fragen: Was passiert, wenn künftig mehr Länder so verfahren? Die Überrumpelungstaktik, es derart frech auf die Staatspleite ankommen zu lassen, hat Gläubiger und Gerichte kalt erwischt.

Argentinien glaubt, sich den forschen Auftritt leisten zu können. Seit 2002 hat das Land eine Erholung hingelegt, die es möglich gemacht hat, einen Teil der Außenstände zurückzuzahlen. Nur deswegen kamen einige Hedgefonds überhaupt auf die Idee, die volle Summe einzufordern. Verkompliziert wird die Situation durch die ausgabenfreudige Autarkie- und Sozialpolitik der Regierung Fernández de Kirchner. Sie treibt die Inflation in die Höhe - woran die meisten Argentinier im Alltag leiden. Kirchners Vision von einem eigenständigen Argentinien spaltet das Land in Befürworter und Gegner, die der Meinung sind, es seien der Opfer zu viel. Den hohen Ausgaben der Regierung stehe keine entsprechende Wirtschaftsleistung gegenüber - das alte, hausgemachte argentinische Problem.

Aber bislang kann die Präsidentin sich auf eine Mehrheit verlassen. Darauf setzt sie - sowie darauf, dass diese Mehrheit krisenerprobt ist. Argentinien weint nicht. Die Entscheidung, gegenüber den ausländischen "Geier-Fonds" hart zu bleiben, wird die Präsidentin bei ihren Anhängern vorerst sogar eher stärken. "Sie sollen alle abhauen", ruft in Argentiniens Straßen 2014 jedenfalls keiner mehr.

Linktipp: Sebastian Schoepp beschreibt die argentinische Innenperspektive. Finanzkorrespondent Markus Zydra beantwortet in diesem Artikel die wichtigsten Fragen zur Reaktion der internationalen Finanzmärkte auf die geplatzte Einigung Argentiniens mit den Hedgefonds.

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