Schreibwaren:Buntstifte-Hersteller schieben Sonderschichten - wegen Erwachsenen

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Millionenfach gehen Malbücher für Erwachsene über die Ladentheken. Der Trend bringt auch Stifteherstellern unerwartete Umsatzsprünge.

(Foto: imago)
  • Dass Malbücher bei Kindern beliebt sind, ist nichts Ungewöhnliches. Seit einigen Monaten führen aber auch Malbücher für Erwachsene die Bestsellerlisten an.
  • Davon profitieren die Buntstifthersteller: Sie schieben Sonderschichten und wollen ihre Produktion ausbauen.

Von Matthias Huber und Jakob Schulz

Eigentlich ist es ganz schön unfair: Erst mopst Mama dem Söhnchen das Malbuch, um damit einen gemütlichen Feierabend zu verbringen. Und dann kauft sie im Schreibwarengeschäft auch noch das Regal mit den Buntstiften leer.

Ganz so schlimm dürfte es in der Realität nicht sein. Tatsache aber ist, dass zuletzt Millionen Erwachsene eine ungeahnte Leidenschaft für das Ausmalen gedruckter Bildchen entdeckt haben. Die britische Illustratorin Johanna Basford verkaufte weltweit bereits mehr als 16 Millionen Exemplare ihrer ersten drei Malbücher für Erwachsene, Titel wie "Mein phantastischer Ozean" oder "Mein verzauberter Garten" führen bei Amazon die Bestsellerlisten an.

Ein weltweiter Trend

Von diesem Trend zum Ausmalen profitieren auch die Schreibwarenhersteller. "Seit über einem Jahr erleben wir einen erstaunlichen Boom", heißt es etwa bei Faber-Castell. "Bei den Künstler-Buntstiften haben sich die Umsätze signifikant gesteigert. Das spüren wir sehr deutlich", sagt eine Sprecherin. Nicht nur in Deutschland malen demnach immer mehr Menschen Bücher aus, der Trend zeige sich weltweit. "Im Buchhandel gibt es heute ganze Wände voller Ausmalbücher. Das ist für uns natürlich eine sehr schöne Entwicklung", heißt es bei Faber-Castell. In Zahlen ausgedrückt: Das Unternehmen konnte im Segment der Künstler-Buntstifte zuletzt zweistellige Wachstumsraten verbuchen.

Für die Mitarbeiter des Unternehmens hat der Trend Folgen: Bei Faber-Castell arbeiten seit mehr als einem Jahr viele der etwa 750 Mitarbeiter am Standort Stein bei Nürnberg in Sonderschichten. Wird der Trend zur Entspannung durch Ausmalen also zum Stressbringer für die Schreibwarenhersteller? "Wir produzieren in drei Schichten rund um die Uhr, an sechs Tagen pro Woche", heißt es auch beim Nürnberger Unternehmen Staedtler. "Normalerweise kennen wir das aus der Hochsaison, aber nicht kontinuierlich über das ganze Jahr hinweg." Deshalb habe man neue Mitarbeiter eingestellt und denke im Moment darüber nach, wie man die Produktion gegebenenfalls noch weiter steigern könne.

Das Verlangen der Kundschaft nach immer mehr Buntstiften liegt aber offenbar nicht nur am Trend zur gemütlichen Feierabend-Kritzelei. Beim Hersteller Stabilo berichtet man jedenfalls von deutlichen Umsatzzuwächsen, die weiter zurückreichen als der Erfolg der Malbücher. Auch beim Rivalen Staedtler heißt es, dass die Umsatzsteigerungen nicht nur von diesem Trend stammen können, Menschen würden generell mehr Malzubehör kaufen als vor einigen Jahren. Hinzu komme, dass die Unternehmen derzeit auch Millionen neue Buntstifte für das im Spätsommer beginnende neue Schuljahr herstellen.

Eine Art "Anti-Stress-Therapie"

Die Hersteller haben auf die Nachfrage nach den Stiften reagiert: Stabilo verkauft unter dem Namen "Kreative Auszeit" Stifte und Erwachsenen-Malbuch im Paket. Auch Staedtler bietet seit kurzem spezielle Stifte-Sets für die Malbücher der erfolgreichen Illustratorin an, die "Johanna Basford Edition". An bunten Ideen mangelt es den Herstellern also nicht.

Auch der Schreibwarenhändler Kaut-Bullinger in der Münchner Innenstadt spürt das Interesse an den Büchern zum Ausmalen - und damit verbunden die Nachfrage nach Stiften. Schon vor Weihnachten bewarb das Unternehmen Malbücher und passende Stifte. "Ein Riesentrend, die Kunden haben den Verkäufern Bücher und Stifte aus den Händen gerissen", berichtet eine Mitarbeiterin.

Den einen Kundentyp, der Buntstifte und Malbücher kaufe, gebe es nicht, heißt es bei Kaut-Bullinger. "Das ist querbeet, vom Manager bis hin zur Mutter." Womöglich wollen sich viele Menschen ihren Stress vom Gemüt malen, mit spitzem Buntstift dem Alltag entkommen, vermuten manche in der Branche. Vielleicht sei der Trend eine Reaktion auf die Arbeit am Computer im Büro, eine Art "Anti-Stress-Therapie" also. Obwohl das Sprichwort doch eigentlich besagt, dass man nach getaner Arbeit den Stift fallen lassen solle.

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