Schottland:Exit vom Brexit

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(Foto: AFP)

Im Auftrag der Regionalregierung hat eine Kommission die Folgen einer Abspaltung von Großbritannien untersucht. Nun liegt ihr Bericht vor.

Von Björn Finke, London

354 Seiten hat der Bericht, und er trägt den harmlosen Titel "Schottland: neue Gründe für Optimismus." Autor ist die Kommission für nachhaltiges Wachstum, was irgendwie abgedroschen und überhaupt nicht aufregend klingt. Doch dieser am Freitag veröffentlichte Report liefert Munition für einigen Streit. Denn die Kommission wurde 2016, nach dem EU-Referendum, von der schottischen Regionalregierung eingesetzt, um die wirtschaftlichen Perspektiven eines unabhängigen Schottland zu beleuchten. Der Bericht ist das Ergebnis dieser Anstrengungen. Nicola Sturgeon, die Chefin der Regionalregierung und der Separatistenpartei SNP, sagt, sie wolle damit eine Debatte über die Unabhängigkeit und ihre Vorteile anstoßen.

Mal wieder. Die Schotten stimmten 2014 in einem Referendum für den Verbleib im Königreich. Damals hieß es, die Frage sei für mindestens eine Generation vom Tisch. Dann kam zwei Jahre später das EU-Referendum. Die Mehrheit der Schotten wollte nicht raus aus der Union, die Mehrheit aller Briten entschied bekanntlich anders. Sturgeon erklärte prompt, jetzt müsse noch einmal über die Unabhängigkeit abgestimmt werden.

Ihr Argument: Die Schotten müssten die Wahl haben, ob sie mit den Briten aus der EU austreten oder lieber in einem unabhängigen Staat Brüssel die Treue halten. Das Referendum sollte bis März 2019 stattfinden. Premierministerin Theresa May lehnte dieses Ansinnen aber ab. Und die Begeisterung der Schotten für eine neue Volksabstimmung, für neuen Streit, war überschaubar. Bei den vorgezogenen Neuwahlen zum britischen Parlament 2017 erlitt Sturgeons Separatistenpartei SNP eine Schlappe. Daraufhin begrub die Politikerin ihre Pläne für ein rasches Referendum.

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die SNP will die Ergebnisse des Wirtschaftsreports nun mit ihren Mitgliedern, mit Bürgern, Gewerkschaften und Unternehmern diskutieren. Im Herbst möchte Sturgeon dann entscheiden, ob sie in den kommenden Jahren - die Rede ist vom Zeitraum bis 2021 - eine Volksabstimmung anstrebt. Bis Herbst sollte klar sein, in welche Richtung die Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel gehen.

In Umfragen haben die Gegner der Unabhängigkeit allerdings eine stabile Mehrheit, selbst wenn Separatisten beeindruckende Demonstrationen organisieren. Das Bild zeigt einen Umzug durch Glasgow Anfang Mai, mit 35 000 Teilnehmern.

Der Kommissionsbericht schlägt vor, dass Schottland nach der Unabhängigkeit für einige Jahre weiter das britische Pfund als Währung benutzen sollte - sogar dann, wenn London eine Währungsunion verweigert. Wichtig für Schottlands Zukunft sei, mehr qualifizierte Einwanderer anzulocken. Edinburgh solle Migranten Steuervorteile gewähren, heißt es. Genug Stoff also für lange Debatten.

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