Schockfotos auf Zigarettenschachteln:Tabakindustrie fürchtet das Gruselkabinett

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Zigarettenschachtel in Australien: Werden bald auch in Europa solche Bilder die Verpackungen zieren? (Foto: dpa)

Am Dienstag stimmt das EU-Parlament über Schockfotos auf Zigarettenverpackungen ab - sehr zum Ärger der Tabaklobby. Die warnt vor möglichen Folgen der neuen EU-Richtlinie: Stellenabbau, "Einheitszigarette" oder gar dem Untergang der Kioske.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wer in Australien Zigaretten kauft, erwirbt ein Gruselpäckchen. Darauf zu sehen ist zum Beispiel ein Neugeborenes an Schläuchen, zerfressene Zähne oder ein "Brian, 34", kahl und kurz vor dem Krebstod. Die Schockfotos bedecken dort seit Ende 2012 fast die gesamte Oberfläche von Zigarettenschachteln.

Wenn es nach der EU-Kommission geht, sollen künftig auch in Europa die Horrorbildchen bis zu 75 Prozent der Vorder- und Rückseite einer Kippenschachtel zieren und den Platz für Logos einschränken - aber nicht nur das. Wissenschaftler müssen dann feststellen, ob die Industrie den Zigaretten bestimmte Stoffe beimischen dürfen. Das würde die Hersteller erheblich einschränken, die bisher bis zu 700 Substanzen verwenden dürfen. Der Brüsseler Plan würde das Aus für die Kippe mit Menthol bedeuten. Auch die extra dünnen Slim-Glimmstängel soll es nach der neuen EU-Tabakrichtlinie, die frühestens 2015 in Kraft treten soll, nicht mehr geben.

Am kommenden Dienstag will das EU-Parlament über das Vorhaben abstimmen, zum Ärger der Tabaklobby. In Berlin luden deshalb erstmals überhaupt sieben Betriebsratsvorsitzende der deutschen Tabakbranche zu einer gemeinsamen Pressekonferenz. Sie sehen durch die neue EU-Direktive in ganz Deutschland bis zu 100.000 Arbeitsplätze bei Herstellern, Zulieferern, Pflanzern sowie Groß- und Einzelhändlern gefährdet.

Slim-Modelle verführen verstärkt 12- bis 17-jährige Mädchen zum Rauchen

"Wir machen uns große Sorgen um die Arbeitsplätze in unserer Branche", sagt Paul Walberer, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von British American Tobacco (Lucky Strike, Pall Mall). BAT hat im oberfränkischen Bayreuth ein Werk von 1400 Beschäftigten. Walberer warnt, dass dort künftig viel weniger Mitarbeiter nötig sind, wenn die Produkte und Schachteln einheitlicher werden. "Dann werden auch die Ausgaben für die Innovation heruntergefahren", sagt Walberer. Auch Andreas Clemens, Betriebsratschef bei der Heintz van Landewyck GmbH mit 300 Arbeitnehmern in Trier warnt vor der "Einheitszigarette". Mittelständische Betriebe hätten dann keine Chance mehr, mit Nischen-Produkten in kleineren Mengen zu überleben.

Joe Hendrich, Gesamtbetriebsratschef von Lekkerland Deutschland, das 60.000 Verkaufsstellen beliefert, fürchtet sogar ein "Gruselkabinett". Wer wolle schon Schokoriegel kaufen oder gemütlich Kaffee trinken, "wenn ihm von allen Seiten Schockbilder entgegenspringen? Das kann den Kiosken, Trinkhallen und Tabakwaren-Fachgeschäften im schlimmsten Fall das Genick brechen", sagt er.

Der Anteil der jugendlichen Raucher ist zuletzt deutlich zurückgegangen. Seit 2010 greifen aber verstärkt 12- bis 17-jährige Mädchen zur Zigarette, verführt vor allem durch die schmalen Slim-Modelle. Der Staat verdient am Laster seiner Bürger weiter prächtig: 2012 summierten sich allein in Deutschland die Einnahmen durch die Tabaksteuer auf 14,1 Milliarden Euro. Die könnten durch die neue EU-Richtlinie zurückgehen, glauben die Betriebsräte. Sie befürchten, dass der illegale Handel weiter zunimmt, weil das Fälschen von Zigaretten leichter wird. Auch Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt müsste sich seine Menthol-Zigaretten dann auf dem Schwarzmarkt besorgen.

© SZ vom 02.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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