Schmiergeldskandal bei Siemens:Ex-Vorstand muss nicht ins Gefängnis

Der frühere Top-Manager Thomas Ganswindt kommt im Siemens-Skandal um schwarze Kassen und Korruption wahrscheinlich nicht vor Gericht. Die Münchner Staatsanwaltschaft erwägt, die Ermittlungen gegen ihn einzustellen.

Klaus Ott

Der frühere Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt dürfte den Schreck seines Lebens bekommen haben, als er im Dezember 2006, zwei Wochen vor Weihnachten, ins Gefängnis musste.

Der Top-Manager war erst kurz zuvor Konzernchef der Elster Group in Luxemburg geworden, eines Anlagenbauers aus der Gas- und Stromindustrie. Nun holte ihn die Vergangenheit ein, er sollte für den Korruptionsskandal bei Siemens büßen.

Im Haftbefehl stand, Ganswindt habe als Vorstand seine "schützende Hand" über die kriminellen Machenschaften gehalten und so deren Gelingen quasi zur Chefsache gemacht. Er müsse mit einer sehr langen Freiheitsstrafe rechnen.

Von Gefängnis keine Rede mehr

Doch bereits zehn Tage später kam der studierte Maschinenbauer wieder frei, und inzwischen ist von Gefängnis keine Rede mehr.

Nach Angaben aus Justizkreisen erwägt die Münchner Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen gegen den Ex-Vorstand einzustellen, verbunden mit der Auflage, bestimmte Beträge an gemeinnützige Organisationen zu zahlen.

Das lässt Paragraf 153a der Strafprozessordnung zu, falls die "Schwere der Schuld" dem nicht entgegensteht. Dieser Lösung müsste das Landgericht München noch zustimmen. Ganswindts Anwalt und die Staatsanwaltschaft äußern sich nicht dazu. Dass die Ermittler überlegen, den Paragraf 153a anzuwenden, hat sich indes herumgesprochen.

"Nicht flott genug durchgegriffen"

In der Justiz wird das mit dem Hinweis begründet, der für die Sparte Telekommunikation (Com) zuständige Vorstand habe dort zwar von Schmiergeldzahlungen erfahren. Er habe aber nicht mitgemacht, sondern lediglich "nicht flott genug durchgegriffen".

Den Haftbefehl gegen Ganswindt hat das Amtsgericht München bereits am 10. Mai 2007 aufgehoben. Zwei Tage zuvor war der Ex-Vorstand ein letztes Mal vernommen worden. Bei dieser Gelegenheit hatte der langjährige Siemens-Manager den Ermittlern erzählt, wie in der Konzernspitze Hinweise auf Korruptionsdelikte "im kleinen Kreis" besprochen und dort auch Details erwähnt worden seien. Ganswindt schilderte merkwürdige Begebenheiten, die noch aufzuklären sind.

Der gebürtige Rheinländer hatte seit 1989 bei Siemens Karriere gemacht und kam 2002 in den Vorstand. Dort stand Ganswindt wegen horrender Verluste in der Sparte Com sogleich unter Druck.

Regelrechte Wutausbrüche

Ganswindt habe regelrechte Wutausbrüche über sich ergehen lassen müssen, berichtete ein anderer Manager der Staatsanwaltschaft. Ganswindt sagte bei seinen Vernehmungen aus, die Diskussionen über Com seien durchweg unerfreulich gewesen. Häufig sei es zu abfälligen Bemerkungen gekommen, auch über die Mitarbeiter von Com. Das sei ihm persönlich sehr nahe gegangen.

In den Jahren 2002 uns 2003 habe Com insgesamt weit über eine Milliarde Euro Verlust gemacht, notierten die Ermittler. Um diese Zeit erhielt Ganswindt laut seinen Aussagen bei der Staatsanwaltschaft auch die ersten Hinweise auf Schmiergeldzahlungen, nach und nach sei daraus Gewissheit geworden.

Er habe die Wahl zwischen Pest und Cholera gehabt: Draufhauen, die illegalen Praktiken abstellen, Aufträge verlieren, die ganze Sparte Com gefährden, in der er ohnehin schon 20000 Stellen habe streichen müssen. Oder wegschauen.

Der Ex-Vorstand räumte ein, er habe aufgrund von Hinweisen eines für Nigeria zuständigen Regionalmanagers angenommen, dass Siemens dort Schmiergeld zahle, um Aufträge für Telefonnetze und Telekommunikationsanlagen zu erhalten.

Verpennt

Er hätte das überprüfen müssen, das habe er aber nicht getan, sondern verpennt. Wenn es um Geschäfte in den USA gegangen wäre, hätte er sicher anders reagiert.

Den Strafverfolgern sagte Ganswindt auch, er habe sich "ziemlich beschissen" gefühlt. Als ihm klar geworden sei, dass es ein Schmiergeldsystem gebe, habe er dieses abstellen wollen. Das gelang nicht, er ging nach Luxemburg, doch der neue Job war wegen des Ermittlungsverfahrens schnell wieder weg.

Nun muss Ganswindt hoffen, eine andere Stelle zu finden. Er ist erst 47 Jahre alt. Die Schmiergeldzahlungen bei Com haben sich übrigens nicht gelohnt. Siemens löst die defizitäre Sparte zunehmend auf.

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