Schmiergeldprozess gegen Ecclestone:Bernie, der Dauergast

Formula One chief executive Ecclestone waits for another day of his trial at the courthouse in Munich

Ecclestone im Gerichtssaal

(Foto: REUTERS)

Plaudern? Klar. Geständnis? Nein, danke. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone steht seit drei Monaten vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, einen deutschen Landesbanker bestochen zu haben, um sein Imperium zu retten. Eine Zwischenbilanz.

Von Christoph Giesen und Klaus Ott

Da sitzt er also, einer der mächtigsten Männer des Sports, der Sepp Blatter der Formel 1: Bernie Ecclestone; und vor sich ein Notizbuch in knalligem Pink, eine Mädchenkladde. Während seine Dolmetscherin übersetzt, macht er sich still Notizen. So wie eigentlich jeden Dienstag und Mittwoch. Das sind die beiden München-Tage in Ecclestones Terminkalender. Inzwischen scheint sich der Formel-1-Boss damit abgefunden zu haben, dass er vor Gericht steht. Saß er in den ersten Prozesswochen noch regungslos neben seinen Verteidigern, kommt er nun in den Pausen zur Zuschauerbank herüber; während der Weltmeisterschaft lobte er oft die deutsche Mannschaft. Am Mittwoch dann entschuldigt er sich für die grelle Farbe seines Notizbuchs. "Das gehört meiner Frau, ich habe mein eigenes vergessen", sagte er grinsend.

Knapp drei Monate läuft der Schmiergeldprozess nun schon, viele wichtige Zeugen sind vernommen worden, und diese Woche hat Ecclestone erstmals selbst geredet. Sonst hatte der Alte nur seine Anwälte vortragen lassen oder eben ein wenig Smalltalk in den Verhandlungspausen gemacht. Es ist Zeit für eine Zwischenbilanz.

Gleich am Anfang des Prozesses ist Ecclestone von seinem früheren Geschäftspartner Gerhard Gribkowsky schwer belastet worden - es sei von Ecclestone bestochen worden, sagte der Ex-Landesbanker. Seitdem haben die beiden Verteidiger, Sven Thomas und Norbert Scharf, einiges für ihren Mandanten herausgeholt mit ihrer zweigliedrigen Verteidigungsstrategie.

War das, was geschah, Korruption oder Erpressung? Er sei von Gribkowsky subtil unter Druck gesetzt worden, erzählte Ecclestone dem Gericht, er habe keinen anderen Ausweg gesehen und dem Banker deshalb diskret 44 Millionen Dollar zukommen lassen - via Briefkastenfirmen und Scheinrechnungen. Dass er genötigt worden sei, hat Ecclestone schon häufiger behauptet, aber er hat es nun mit neuen Details ausgeschmückt, die seine Version glaubwürdiger erscheinen lassen sollen. Gribkowsky war, als das alles geschah, Vorstand der BayernLB. Die Staatsbank war Hauptaktionär der Formel 1 und machte Ecclestone das Leben schwer. So lange, bis dieser dem Banker eines Tages im Frühjahr 2005 gesagt haben soll, er werde für ihn sorgen. Das sei, behauptet die Staatsanwaltschaft, Bestechung gewesen.

Vielleicht war es ja auch Korruption UND Erpressung?

Alles falsch, erwiderte Ecclestone jetzt vor Gericht. Gribkowsky habe bereits seit 2004 Druck ausgeübt, mit Andeutungen über Verbindungen zwischen ihm, Ecclestone, und der Bambino-Holding, der Stiftung seiner damaligen Ehefrau, in dieses Konstrukt hatte Ecclestone in den Neunzigerjahren sein Vermögen eingebracht. Die Voraussetzung für Steuerfreiheit: Ecclestone darf keinen Einfluss auf Bambino haben. Hätte man ihm diesen nachweisen können, wären Zahlungen in Milliardenhöhe die Folge gewesen. Nicht einmal seine Armbanduhr wäre ihm geblieben, sagte Ecclestone vor Gericht. Der deutsche Banker habe sich von ihm Geld für Immobiliengeschäfte leihen wollen, er habe gemeinsame Investitionen vorgeschlagen und immer wieder nachgehakt. Der Brite will damals einen Vertrauten gefragt haben, ob Bambino steuerlich sicher sei. Ja, habe der Vertraute gesagt und dennoch vorgeschlagen, Gribkowsky Geld zu geben. "Zahl ihm was." Ecclestone müsse den Kerl loswerden.

Korruption oder Erpressung? Oder könnte es am Ende auch beides gewesen sein? Viele Schmiergeldfälle beginnen mit vagen Versprechungen und enden damit, dass diejenigen, die sich das große Geld erhoffen, anschließend vertröstet werden und dann beginnen, Druck zu machen. Gribkowsky war jahrelang eine große Nummer in der Formel 1 und wollte das auch bleiben. Ein Zeuge berichtete, Gribkowsky habe nach ein, zwei Bieren erzählt, Ecclestone betrachte ihn als den Sohn, den er nie gehabt habe. Hat sich Gribkowsky da etwas zusammengereimt? In seinem eigenen Prozess vor zwei Jahren hatte Gribkowsky gestanden, von Ecclestone geschmiert worden zu sein, und ist mit Gefängnis bestraft worden. Das bedeutet aber nicht, dass das, was er als Bestechung verstanden hat, von Ecclestone auch so gemeint gewesen wäre.

Selbst der Vorsitzende Richter Peter Noll ist ein wenig desillusioniert

Und selbst wenn: Dann gäbe es noch eine zweite Hürde für ein Schmiergeldurteil gegen Ecclestone, die zweite Verteidigungslinie der Anwälte. Ecclestone müsste gewusst haben, dass die BayernLB ein staatliches Institut ist und dass Gribkowsky als Vorstand dort ein Amtsträger war, also eine Art Beamter. Gribkowsky muss der besondere Status der BayernLB natürlich klar gewesen sein; allein schon deshalb, weil ihn der damalige bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu angeheuert hatte. Gribkowsky wurde folgerichtig wegen Bestechlichkeit als Amtsträger bestraft. Doch wie traten die BayernLB-Vorstände nach außen auf, wie wurde die Bank in den Finanzzentren der Welt, in New York und London wahrgenommen? Bayerns früherer Finanzminister Kurt Faltlhauser und drei ehemalige Bankvorstände sagten vor Gericht aus, das staatliche Institut habe wie eine Geschäftsbank agiert, genauso wie jede andere Bank.

Die Staatsanwaltschaft bekräftigte dennoch in einer Erklärung ihre Auffassung. Es gebe gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass Ecclestone bei seiner Millionenzahlung an den Banker Gribkowsky gewusst habe, dass es sich bei der BayernLB um eine Staatsbank handelte. Die Staatsanwaltschaft stützt sich in ihrer Argumentation auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus den frühen Achtzigerjahren zur WestLB. Die Richter hatten damals festgestellt, dass ein Vorstand der WestLB als Beamter beziehungsweise als Amtsträger einzuordnen sei. Doch lässt sich ein über 30 Jahre altes Urteil heute noch anwenden? Und vor allem: Konnte Ecclestone diese juristischen Feinheiten kennen und Gribkowsky als Amtsträger erkennen?

Man habe Ecclestone klargemacht, wer die Eigentümer der BayernLB sind, erinnerte sich eine ehemalige Bank-Mitarbeiterin bei Gericht. Das habe man ihm mit Sicherheit mehr als ein Mal gesagt, so die Zeugin, die sich bei der BayernLB seinerzeit um die Formel-1-Beteiligung gekümmert hatte. Laut Anklageschrift soll Ecclestone die Banker aus München auch aufgezogen und sie als "Staatsdiener" verspottet haben. Er habe "uns alles Mögliche geheißen", sagte sie. Ob er das Wort "Staatsdiener" benutzt habe, wie von Gribkowsky behauptet, das wisse sie nicht mehr, antwortete die Zeugin. Die Verteidigung bezweifelt, dass die Beteiligung der BayernLB an der Formel 1 eine öffentliche Aufgabe gewesen sei. Insofern könne von einer Amtsträger-Bestechung keine Rede sein.

Der Vorsitzende Richter Peter Noll hat in den vergangenen Wochen nach mehreren Zeugenaussagen bereits Zweifel geäußert, ob für Ecclestone ersichtlich gewesen sei, dass es sich bei der BayernLB um eine Staatsbank handelt. Noll hat sich jedenfalls längst von der Illusion verabschiedet, endgültige Fakten und Wahrheiten ermitteln zu können. Man werde in diesem Fall nie alles auf den Tisch bekommen, sagte er bereits im Prozess gegen Gribkowsky. Der hat am Ende eines langen Verfahrens alles zugeben: Bestechlichkeit, Veruntreuung von Bankvermögen, Steuerhinterziehung bei den Schmiergeldmillionen. Von Ecclestone ist kein Geständnis zu erwarten, der Brite kämpft für einen Freispruch. In zwei Monaten, wenn der Hauptbelastungszeuge Gribkowsky sich den Fragen der Verteidigung stellen muss, wird das Bild vielleicht klarer werden.

Am Ende wird wohl alles von der Einschätzung des Gerichts abhängen. Ein schnelles Urteil ist nicht zu erwarten. Ecclestone dürfte also noch so manchen Dienstag und Mittwoch in München im Gericht verbringen und sich dabei die ein oder andere Notiz machen. Immerhin die vierte Rennsaison, seitdem seine dubiosen Überweisungen aufgeflogen sind.

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