Schmiergeldaffäre:MAN räumt im Vorstand auf

Dubiose Zahlungen in Millionenhöhe bringen MAN in Bedrängnis. Wegen des Schmiergeldskandals baut der Nutzfahrzeug-Konzern den Vorstand um. Zudem droht ein hohes Bußgeld.

Klaus Ott

Hakan Samuelsson räumt auf. Etliche Führungskräfte, vom Vertriebschef bis zum Vorstand, hat der Chef des Fahrzeugkonzerns MAN bereits ausgewechselt. Wer in die seit einem halben Jahr währende Schmiergeldaffäre verstrickt ist oder dubiose Zahlungen übersehen hat, für den ist kein Platz mehr im Unternehmen, das Lastwagen und Busse in die ganze Welt verkauft. Und das dabei früher in vielen Fällen mit Mitteln nachgeholfen hat, die heute immer mehr Managern ihren Job kosten.

Am Montag hat es schließlich Sabine Drzisga erwischt, das einzige weibliche Vorstandsmitglied in der MAN-Gruppe. Sie ist bereits seit 1991 im Konzern und hat im Bereich Controlling Karriere gemacht. 2007 stieg sie dann zur Chef-Kontrolleurin bei der MAN Nutzfahrzeuge AG auf, der größten Sparte im Unternehmen.

Zahlungen von bis zu 100 Millionen Euro

Zu ihren Aufgaben gehörte es, für einen korrekten Umgang mit dem Geld zu sorgen. Und da sei ihr, so lauten die internen Vorwürfe, das eine oder andere entgangen, was ihr hätte auffallen können. Oder gar müssen. Nun muss Drzisga gehen. MAN gab am Montag ihre Beurlaubung bekannt. Die Diplom-Kauffrau ist bereits das dritte Vorstandsmitglied, das in dieser Causa den Job verliert.

Die Ermittler, die den Münchner Konzern seit Monaten durchleuchten, sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf verdächtige Zahlungen in einer Größenordnung von 50 bis 100 Millionen Euro in diesem Jahrzehnt gestoßen. Am Ende werde man wohl eher bei 100 als bei 50 Millionen Euro landen, sagen Insider.

Für MAN hat das neben den personellen auch finanzielle Konsequenzen. Der Konzern muss mit mehreren zehn Millionen Euro Bußgeld rechnen, bis zu 50 Millionen Euro könnten es sein. Die Staatsanwaltschaft München hat MAN aufgefordert, die Gewinne zu berechnen, die bei den betreffenden Geschäften erzielt wurden. Auf Basis dieser Zahlen soll dann das Bußgeld festgelegt werden.

Behörden loben Zusammenarbeit

MAN äußert sich nicht dazu. Auch die Staatsanwaltschaft schweigt, mit einer Ausnahme. Die Strafverfolger loben die interne Aufklärung im Unternehmen und die Zusammenarbeit mit den Behörden. MAN verhalte sich "absolut kooperativ", sagt Oberstaatsanwalt Hajo Tacke.

Die Münchner Fahnder sind durch den Fall Siemens inzwischen ja erfahren im Umgang mit Konzernen, die weltweit geschmiert haben. Bei Siemens sind 1,4 Milliarden Euro in dunklen Kanälen versickert. Knapp die Hälfte dessen musste der ebenfalls in München ansässige Industriekonzern, dessen Zentrale nur ein paar U-Bahn-Stationen vom MAN-Hauptquartier entfernt ist, als Bußgeld zahlen. Vieles bei MAN erinnert an Siemens: merkwürdige Beraterverträge, Scheinrechnungen und Scheinfirmen vor allem in Steuerparadiesen, mit denen offenbar Schmiergeldzahlungen getarnt werden sollten.

MAN Turbo zahlte Millionen nach Kasachstan

Verschlungene Wege

Nur alles eine Nummer kleiner, keine Milliarde, sondern Millionen. Manchmal bestach Siemens auch im Nachhinein, bei schon erledigten Aufträgen, um das Geld dafür schneller zu bekommen. So lief das in einem größeren Fall auch bei MAN. Die Tochterfirma MAN Turbo hatte für die kasachische Ölgesellschaft Anlagen im Wert von etlichen zehn Millionen Euro hergestellt, als das Land in Zentralasien plötzlich eine Art Bakschisch forderte, weil man sonst die Maschinen nicht mehr nehmen werde.

MAN Turbo brachte auf verschlungenen Wegen einen Millionenbetrag nach Kasachstan, der dort in Regierungskreisen versickert sein soll. Das war intern bei MAN schon 2007 aufgefallen, die Prüfer aus der eigenen Revision gingen der Sache nach. Der damalige Turbo-Vorstandschef, der auch dem MAN-Konzernvorstand angehörte, wurde vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Als die Münchner Staatsanwaltschaft im Mai 2009 zur Razzia bei MAN anrückte, fand sie auch die Revisionsakte MAN Turbo.

Gegen den damaligen Turbo-Chef wird ebenso ermittelt wie gegen einen ehemaligen Vorstand der MAN Nutzfahrzeuge AG, von dem sich der Konzern vor wenigen Monaten ebenfalls wegen der Schmiergeldaffäre getrennt hat. Im Unterschied zu diesen beiden Managern hat Sabine Drzisga keinen Ärger mit der Staatsanwaltschaft, sie ist keiner kriminellen Delikte verdächtig.

Dass man sich von der Chef-Kontrolleurin trennen solle, hatten die Anwaltskanzleien empfohlen, die bei MAN im Auftrag des Konzerns intern ermitteln. Weitere Rauswürfe auf Vorstandsebene, heißt es intern, seien nicht mehr vorgesehen. Zumindest sofern es bei den bisherigen Erkenntnissen bleibe.

Die sind schlimm genug: Die mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen vor allem für Großaufträge bei Bussen flossen an Staatsbetriebe und Privatunternehmen aus Italien, Griechenland, Portugal und anderen europäischen Ländern sowie aus Algerien, Libyen, Israel und anderen Staaten in Afrika und Asien.

MAN hatte Anfang des Jahrzehnts die Busgesellschaft Neoplan übernommen. Bei Neoplan wurden offenbar oft auf diese Weise Geschäfte gemacht, auch später noch, als man längst zu MAN gehörte. Jetzt, Ende des Jahrzehnts, will Konzernchef Samuelsson die Altlasten so schnell wie möglich vom Tisch haben.

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