Schmiergeldaffäre:MAN-Beschäftigte packen aus

Bei dem Amnestieprogramm zur Aufklärung der Schmiergeldaffäre haben sich in kurzer Zeit 200 bis 300 Mitarbeiter gemeldet.

Klaus Ott

Der Münchner Anwalt Jan Olaf Leisner ist in den vergangenen Wochen von Anfragen geradezu überrollt worden. 200 bis 300 Leute haben sich bei dem Spezialisten für Korruptionsdelikte gemeldet, allesamt Beschäftigte des Fahrzeugkonzerns MAN. Leisner ist Ombudsmann des Unternehmens, das derzeit eine Bestechungsaffäre zu bewältigen hat. MAN soll den Verkauf von Lastwagen und Bussen im In- und Ausland systematisch mit Schmiergeldzahlungen angekurbelt haben.

Schmiergeldaffäre: Zahlreiche MAN-Beschäftigte packen aus.

Zahlreiche MAN-Beschäftigte packen aus.

(Foto: Foto: AP)

Ombudsmann Leisner nimmt seit Jahren aus der Belegschaft Hinweise auf Unregelmäßigkeiten entgegen und betreut nun auch das von Vorstandschef Hakan Samuelsson nach einer deutschlandweiten Razzia der Münchner Staatsanwaltschaft initiierte Amnestieprogramm. MAN-Angestellte, die über Gesetzesverstöße auspacken, werden nicht gefeuert und auch nicht auf Schadenersatz verklagt, sofern sie nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Am Mittwoch war Meldeschluss für das im Mai gestartete Amnestieprogramm. Offiziell äußert sich das Unternehmen zum Stand der Ermittlungen nicht.

Ein voller Erfolg

Dass so viele Mitarbeiter am Amnestieprogramm teilnehmen, wird intern als Erfolg betrachtet. Zum Vergleich: Bei Siemens dauerte es Monate, ehe mehr als 100 Angestellte ihre Sünden beichteten. Dabei hatte Siemens einen größeren Schmiergeldskandal aufzuklären. Dort waren von 2000 bis 2006 weltweit 1,4 Milliarden Euro in dunkle Kanäle geflossen. Bei MAN ging es nach ersten Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft aus dem Mai um fragwürdige Zahlungen seit 2002 in Höhe von 16 Millionen Euro. Das könnte noch wesentlich mehr werden, aber verlässliche Prognosen sind derzeit nur schwer möglich.

Die Staatsanwaltschaft äußert sich nicht zum Stand ihrer Ermittlungen. Und MAN muss erst die vielen Beschäftigten vernehmen, die am Amnestieprogramm teilnehmen. Parallel dazu prüfen die internen Ermittler bei MAN viele Beraterverträge, die für Schmiergeldzahlungen genutzt worden sein könnten. Der von München aus weltweit operierende Fahrzeugkonzern will bei der nächsten Aufsichtsratssitzung am 8. Juli eine erste, interne Zwischenbilanz ziehen. Die vom Kontrollgremium beauftragte Anwaltskanzlei Wilmer Hale wird offenbar täglich über den Stand der unternehmensinternen Ermittlungen unterrichtet. Der Aufsichtsrat will die Aufklärung der Affäre nicht alleine dem Vorstand überlassen, schließlich könnten auch Spitzenmanager verwickelt sein.

Weitere Fälle

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen inzwischen beurlaubten Vorstand der Tochtergesellschaft MAN Nutzfahrzeuge AG und einen früheren Vorstand einer weiteren Tochterfirma, der MAN Turbo. Der ehemalige Turbo-Manager steht im Verdacht, in mutmaßliche Schmiergeldzahlungen in Kasachstan verwickelt zu sein. Dort sollen hohe Beträge in Regierungskreisen gelandet sein. Die Staatsanwaltschaft und MAN untersuchen Geldflüsse über Briefkastenfirmen und Steuerparadiese, mit denen in Europa, Asien und Afrika lukrative Großaufträge für Lastwagen und Busse besorgt worden sein sollen. In etlichen Fällen ist bislang nicht klar, bei wem hohe Beträge aus den MAN-Kassen am Ende angekommen sind.

Nicht alle Teilnehmer am Amnestieprogramm wissen etwas von solchen Geschäften. Viele Mitarbeiter haben sich auch gemeldet, weil sie verunsichert sind, ob sie ihre Kunden beispielsweise noch zu den Spielen des FC Bayern München in die MAN-Lounge in der Münchner Arena einladen dürfen oder nicht. Auch das soll nun geklärt werden. Gleichwohl ist die hohe Teilnehmerzahl beim Amnestieprogramm ein Indiz dafür, dass bei MAN womöglich nicht vereinzelt, sondern mit System geschmiert wurde, wie die Staatsanwaltschaft annimmt.

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