Schlecker und Verdi vor Einigung im Tarifstreit:Ein bisschen Frieden

Kontroll-Exzesse und Lohndumping, das waren die Vorwürfe: Schlecker und die Gewerkschaften, so schien es, werden niemals Freunde. Doch jetzt klingen die Töne plötzlich sanfter.

Detlef Esslinger

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer ist normalerweise niemand, der aus internen Gesprächen plaudert. Vor ein paar Wochen jedoch, bei einem Empfang der Stadt Oberhausen, erzählte er, wie neulich Guido Westerwelle zu Besuch gewesen sei und sie auf die Firma Schlecker zu sprechen kamen. Den DGB- und den FDP-Chef eint sonst wenig. Aber über die Drogeriekette sagte Westerwelle, laut Sommer: "Was da passiert, ist unanständig." Wenn der Eindruck nicht täuscht, legt Schlecker nun Wert darauf, als halbwegs anständig zu gelten. An diesem Donnerstag gehen die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi weiter. Das Überraschende: Verdi ist optimistisch - und auch das Unternehmen teilt auf Anfrage knapp mit: "Wir erwarten eine Einigung."

(FILE) Verdi Fears Closure Of 4000 Schlecker Subsidiaries

Was Arbeitnehmerrechte angeht, hat der Drogerie-Discounter Schlecker einen denkbar schlechten Ruf. Das Inhaber-Ehepaar Anton und Christa Schlecker wurde daher schon einmal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

(Foto: ag.getty)

Schlecker hat als Arbeitgeber seit Jahren einen überaus schlechten Ruf. Vor zwölf Jahren wurde das Inhaber-Ehepaar Anton und Christa Schlecker zu zehn Monaten auf Bewährung und einer Million Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie ihren Beschäftigten den Tariflohn vorenthalten hatten. Zahllos sind die Geschichten, wie die Firma versucht, Betriebsräte zu verhindern, und wenn man den Berichten vieler Verkäuferinnen glaubt, ist Einschüchterung die vorherrschende Management-Methode. Dass auch Verdi nun Anlass zum Optimismus sieht, liegt vielleicht daran, dass Schlecker es im vergangenen Jahr doch zu weit getrieben hat. Die stellvertretende Verdi-Chefin Margret Mönig-Raane vermutet: "Sie wollen jetzt Ruhe haben."

Im Winter war bekannt geworden, auf welche Weise der Unternehmer seine Firma umbaute: Er fing an, seine herkömmlichen "AS"-Läden zu schließen und durch wenige, aber größere "XL"-Läden zu ersetzen. Die Mitarbeiterinnen schickte er nicht einfach von einer Immobilie in die nächste. Er kündigte ihnen - um sie dann über eine eng mit ihm verbundene Zeitarbeitsfirma wieder einzustellen. Dort bekamen sie nach Gewerkschaftsangaben nur noch Zeitverträge sowie 1700 statt 2100 Euro; außerdem keine Zuschläge mehr für Spätdienste, kein Urlaubs- und kein Weihnachtsgeld und nur den Mindesturlaub von 24 Tagen.

Schlecker machte sich damit Möglichkeiten des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zunutze; wie übrigens andere Firmen auch. Aber nach diesem Fall sah die Politik nicht mehr über die Praxis hinweg. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht jetzt von "Auswüchsen in der Zeitarbeit" und kündigt an, das systematische Ersetzen von Stammarbeit durch Leiharbeit zu verbieten.

Eigentlich sind bei Schlecker die Bedingungen ideal, Beschäftigte zu kujonieren: In den Filialen arbeiten fast nur Frauen, mal alleine, mal zu zweit, allenfalls zu dritt, und meistens in Teilzeit - solche Beschäftigte wehren sich in der Regel nicht. Doch bei Schlecker hat Verdi-Vize Mönig-Raane Frauen erlebt, die ihr Los einfach "selbst in die Hand genommen haben". Inzwischen gibt es in 120 der 300 Verkaufsbezirke einen Betriebsrat. Verkäuferinnen haben sich in den vergangenen Monaten vor "XL"-Läden postiert und Passanten aufgefordert, nicht dort einzukaufen. Mönig-Raane sagt, dies alles habe beim Unternehmen "Spuren hinterlassen". Nun hofft die Gewerkschaft, dass Schlecker bereit ist, für die "XL"-Läden Tariflöhne sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu vereinbaren, und dass Jobs dort wieder unbefristet vergeben werden. Um wirklich voranzukommen, hat sie sich auf zwei Tage dauernde Verhandlungen mit Schleckers Emissären eingelassen.

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