Schlecker-Pleite:Kampf ums Überleben

Das Drogerieimperium von Anton Schlecker ist nun einer der spektakulärsten Sanierungsfälle Deutschlands. Doch unter Insolvenzexperten gibt es Zweifel, ob der Konzern überhaupt sanierungsfähig ist. Ein Ulmer Jurist soll es jetzt richten.

Elisabeth Dostert, Max Hägler und Stefan Weber

Am Montagmorgen von zehn Uhr an saßen sie zusammen, im zweiten Stock des Ulmer Amtsgerichts, und beugten sich über den spektakulären Sanierungsfall. Über das, was die zahlungsunfähige Drogeriekette des Anton Schlecker mal war, und über das, was sie mal sein könnte. Seine Hauptmanager, die Tochter Meike Schlecker, Anwälte und Richter Benjamin Webel beredeten den am selben Tag gestellten Antrag auf "Planinsolvenz" - ein spezielles Verfahren für Pleitiers, bei der sie in Eigenverwaltung weiter über ihr geschundenes Reich bestimmen dürfen, nach dem Okay der Gläubiger und in enger Abstimmung mit dem Gericht.

Schlecker stellt Insolvenzantrag

Die Suche von Schlecker nach Geldgebern dürfte schwierig werden. Die Kontakte zu Banken waren wohl eher spärlich und "nicht erfolgreich", heißt es im Umfeld der Firma.

(Foto: dapd)

Im Laufe des Tages wurde klar, dass ein gestandener Sanierungsexperte sich als Insolvenzverwalter um das malade Handelsunternehmen kümmern soll: Der 42-jährige Jurist Arndt Geiwitz aus Ulm. Sein Sozius Werner Schneider kümmert sich um den fallierten Augsburger Druckmaschinenbauer Manroland. In Handelskreisen und unter Insolvenzexperten gibt es jedoch Zweifel, ob Schlecker sanierungsfähig ist. Ein Anwalt sagt: "Ich möchte das Verfahren nicht haben."

Abschreibungen von 350 Millionen Euro

Bislang hat Schecker für drei Firmen Insolvenzantrag gestellt: für die Anton Schlecker e.K. und deren Töchter Schlecker Homeshopping GmbH und Schlecker XL GmbH. Die beiden Buchstaben "e.K." stehen für "eingetragener Kaufmann". Zumindest für diese Firma haftet Schlecker auch mit seinem gesamten Vermögen, das bei rund zwei Milliarden Euro liegen soll. Anton Schlecker wird auf der Reichen-Liste 2011 von Forbes auf Rang 362 in der Welt geführt, in Deutschland liegt er auf Platz 26. Das Manager Magazin hat aber ausgerechnet, dass Familie Schlecker zuletzt 350 Millionen Euro abschreiben musste.

Die Suche nach Geldgebern dürfte schwierig werden. Die Kontakte zu Banken waren wohl eher spärlich und "nicht erfolgreich", heißt es im Umfeld der Firma. Wie andere Familienunternehmer kokettierte Schlecker gerne mit der Unabhängigkeit von Kreditinstituten. Im Lagebericht des von der Prüfungsfirma Ernst & Young testierten Jahresabschlusses 2009 (ein jüngerer liegt nicht vor) heißt es, "die Geschäftstätigkeit konnte ohne mittel- und langfristige Bankkredite ausgeübt werden". Die Eigenkapitalquote lag da bei "rund 28 Prozent". Die guten Verbindungen aus besseren Zeiten zu Banken fehlen nun. "Dass Schlecker ausgerechnet in der Krise unter den Banken Geldgeber findet, ist eher unwahrscheinlich", sagt ein früherer Schlecker-Manager. In Ermangelung eigener Kontakte engagierte er Mitte Januar den ehemaligen Edeka-Chef Alfons Frenk.

Flüssiges braucht der Discounter sofort; ein Großteil des Eigenkapitals ist im weitläufigen Filialnetz gebunden. Geld, um die Rechnungen der Lieferanten zu bezahlen, war zuletzt immer weniger vorhanden. Es gab massive Probleme mit der Schweizer Markant-Gruppe, einer wichtigen Größe im Handel mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln. Der gigantische Einkaufsverbund bündelt Aufträge verschiedener Handelsunternehmen, darunter Schlecker und anderer Drogerieketten an die Industrie. Nach Informationen aus der Branche hatte Markant die Schlecker-Gruppe zuletzt enorm unter Druck gesetzt und für einen länger fälligen Rechnungsbetrag keinen Zahlungsaufschub mehr geduldet. Dabei soll es sich um einen Betrag zwischen 20 und 30 Millionen Euro gehandelt haben; insgesamt soll Schlecker bei Markant mit einem größeren dreistelligen Millionenbetrag in der Kreide stehen. Markant will dazu keine Auskunft geben.

"Sich selbst überschätzt"

Geld für die Restrukturierung und den Ausgleich von Verlusten fehlt", sagt einer, der Schlecker gut kennt: "Anton hat sich selbst überschätzt." Die Transparenz, die externe Geldgeber fordern, lehnte Schlecker ab. "Er hatte klare Feindbilder. Dazu zählten Banken und Gewerkschaften", sagt der einstige Mitarbeiter. Investitionen, etwa in die Modernisierung der Filialen, hielt der Schwabe für Geldverschwendung: "Er hat sich zu Tode gespart." Schlecker hatte nur eine Strategie: "Billig, billig, billig". Aber der Billigste war er auch nicht mehr. Der "Bon-Umsatz", also die Erlöse pro Einkauf, war zu gering. "Bei Schlecker wurde der Grundbedarf gedeckt, mal eine Tube Zahnpasta, mal eine Packung Waschmittel", so der Ex-Manager: "Für den schönen Einkauf, bei dem am Ende mehr als geplant im Einkaufswagen landet, ging man lieber zu Rossmann oder dm."

Das besiegelte den Abstieg des Krämers. Mit seiner Frau pflegte er inkognito durchs Land zu reisen, um Filialen zu inspizieren. Umsatz hat für den gelernten Metzger stets mehr als Ertrag gezählt. Deshalb tat er sich schwer, unrentable Läden zu schließen; die Beratungsfirma Wieselhuber & Partner hatte bereits vor eineinhalb Jahren ein Sanierungskonzept entworfen - es könnte zur Basis für die Sanierung werden.

Doch die Rettung ist auch nach dem Gang zum Amtsrichter ungewiss. "Ein Insolvenzplanverfahren setzt voraus, dass die Gläubiger bei diesem Weg einen Vorteil für sich erkennen", sagt Harald Schwartz, Insolvenzanwalt aus Nürnberg. Der Gläubiger Markant soll kritisch eingestellt sein gegenüber der Rettungsaktion. Bei der Gewerkschaft Verdi wiederum kämpft man an zwei Fronten: Zum einen will man die Mitarbeiter beruhigen - im Fall der Insolvenz erhalten sie drei Monate lang Geld vom Staat, Obergrenze 5300 Euro brutto monatlich im Westen, 4500 Euro im Osten. "Die Mitarbeiter sollen ganz normal zur Arbeit gehen und die Menschen sollen bitte ganz normal weiter einkaufen", sagt Verdi-Frau Christiane Scheller. Doch die bizarre Konstellation - Einzelkaufmann und Planinsolvenz - ist sehr ungewöhnlich. "Wir haben", bekennt sie, "noch kein Meinungsbild zu dem Verfahren."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: