Schlechte Aussichten:Vier gewinnt nicht mehr

Die Perspektiven der Bric-Staaten unterscheiden sich inzwischen sehr: Gute Aussichten in Asien, Absturz bei den Rivalen.

Von Alexander Hagelüken

Es begann als Marketing-Label, um Geldanlegern den Boom in den Schwellenländern schmackhaft zu machen. Der Sammelbegriff Bric für die vier Staaten Brasilien, Russland, Indien und China machte international Karriere. Doch heute geht die Entwicklung im einstigen Wachstums-Club ziemlich auseinander.

China

Die Wirtschaft im Reich der Mitte wächst heuer nur um gut sechs Prozent? Das klingt wie eine Bedrohung, doch der wichtigste Grund dafür ist das Wort "nur". Im Vergleich mit dem Rest der Welt sind sechs Prozent ein toller Wert. China, politisch eine unterdrückerische Diktatur, hat ökonomisch vieles richtig gemacht. Es entsteht eine breite Mittelklasse, der Staat hat in die Infrastruktur investiert. Die Finanzkrise meisterte die Regierung, indem sie staatlich kontrollierte Banken einfach anwies, mehr Kredite zu geben. Doch dieses Modell hat die Schulden gefährlich erhöht und eine Immobilienblase erzeugt. Jetzt steuert die Regierung gegen und versucht, den Konsum anzukurbeln, um die Abhängigkeit ihres Wirtschaftsmodells von Investitionen zu reduzieren. Das dämpft das Wachstum genau wie die fallenden Immobilienpreise, aber es ist den Versuch wert.

Indien

hat eine jüngere Bevölkerung als China, halb so viele Schulden - und könnte dieses Jahr erstmals seit Ausbruch des Booms stärker wachsen als der asiatische Konkurrent. Analysten rufen es schon zum neuen Liebling der Investoren aus. "Das Land ist auf einer Entwicklungsstufe, bei der viel passieren muss, damit der Aufschwung nachhaltig wird", schränkt Oliver Holtemöller vom Forschungsinstitut IWH aber ein. Entscheidend dürfte sein, wie weit die wirtschaftsfreundliche Regierung Modi wirklich geht. Selbst die Wirtschaftsministerin räumte gerade ein, dass das Land voller veralteter Gesetze und überholter Regulierung steckt. Indien braucht Investitionen in Bildung und Infrastruktur, weniger Bürokratie und Korruption und ein einheitliches Steuersystem. Modi wurde schon als Indiens Margaret Thatcher apostrophiert, was wohl falsch ist, weil er kein Marktliberaler ist - aber schon von den aufgezählten Reformen würde Indien stark profitieren.

Brasilien

ist ein gutes Beispiel für eine Volkswirtschaft, die zu boomen schien", sagt Phil Poole. In dem Satz klingt schon die Skepsis durch. Noch mitten im Boom 2007 sei der damalige Präsident Lula auf die falsche Politik eingeschwenkt, findet Poole, Leiter Research beim Vermögensverwalter der Deutschen Bank. Und zählt auf, was er für Schwächen des Landes hält: Subventionen an die Industrie, zu wenig Wettbewerb, überregulierter Arbeitsmarkt und staatliche Investitionen in Fußballstadien und Olympiaanlagen statt in Straßen und Schulen, die Brasilien nötiger bräuchte. "Im Grunde erlebte das Land nur einen Rohstoff- und Geldboom, sonst ist wenig entstanden", glaubt Jörg Kramer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Nach einem Einbruch 2015 könnte es wieder etwas aufwärts gehen. Aber die gerade bestätigte Regierung von Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff hat bisher wenig Reformen angekündigt - und noch weniger realisiert.

Russland

passte als osteuropäisches Land aus der früher so genannten Zweiten Welt schon immer am wenigsten zum Bric-Club. Heute passt es noch weniger. Seit die Preise für Öl, Gas und Metalle einbrachen, erweist sich, wie rohstoffabhängig der Boom war - und wie wenig sich die Wirtschaft sonst entwickelt hat. "Ein guter Unternehmer ist einer mit guten Produkten und nicht einer, der gut mit dem Präsidenten kann", befindet Volkswirt Krämer. Ausländische Investoren werden durch Repressionen und Enteignungen verunsichert. "Russland leidet seit langem unter schlechter Politik - noch länger als Brasilien", resümiert Analyst Poole. Durch die Annexion der Krim und den versteckten Krieg in der Ukraine hat sich Putin vom Westen isoliert. Die verhängten Sanktionen treffen die Wirtschaft schwer. "Russlands Entwicklung hängt davon ab, dass es mit dem Westen kooperiert", denkt IWH-Forscher Holtemöller. Das wüssten auch beide Seiten. Bisher ist aber keine Entspannung sichtbar. Die russische Wirtschaft wird sich nach vielen Prognosen nur langsam von der schweren Rezession in diesem Jahr erholen.

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