Schaeffler: Schwierige Fusion mit Conti:Wenn Erfolg gefährlich wird

Die Schaeffler-Gruppe steckt in einem Dilemma: Je erfolgreicher sie ist, desto mehr schnüren ihr die Gläubiger-Banken die Luft ab. Doch die Entschuldung erodiert den Mehrheitsanteil am Conti-Konzern.

M. Hesse, K. Läsker und U. Ritzer

Rekorde sind angekündigt, eindrucksvolle Rekorde. Wenn Jürgen Geißinger und Klaus Rosenfeld, Geschäftsführer und Finanzchef der Schaeffler-Gruppe, an diesem Dienstag in Frankfurt vor die Presse treten, wollen sie über Erfolge reden. Über einen Umsatz nahe der Zehn-Milliarden-Euro-Grenze, über eine Umsatzrendite von vermutlich mehr als 15 Prozent, über eine Nachfrage, die so groß ist, dass es schon erste Engpässe gibt. "Unsere Geschäfte laufen bombastisch", sagt ein Manager aus dem Unternehmen.

Schaeffler: Schwierige Fusion mit Conti: Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg entschulden ihren Konzern - verlieren aber auch an Einfluss bei Continental.

Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg entschulden ihren Konzern - verlieren aber auch an Einfluss bei Continental.

Genau das ist das Problem. Denn je besser es dem Kugellager-Spezialisten geht, und je mehr er dadurch an Wert gewinnt, desto mehr muss die Eigentümerfamilie Schaeffler an jene Banken zahlen, die ihr die Übernahme der dreimal größeren Continental AG 2008 finanzierten.

Der Clou: Die Banken kassieren einen erklecklichen Anteil am Wertzuwachs - die Rede ist von einem zweistelligen Prozentsatz. Und zwar zusätzlich zu den ohnehin horrenden Darlehenszinsen von bis zu 17 Prozent. "Der Boom unserer Geschäfte würde dauerhaft gegen uns schlagen", heißt es in dem Konzern.

Das ist der Grund, warum Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg sich entschlossen haben, ihre Firma in einer groß angelegten Aktion zu entschulden. Insgesamt reduzieren sie die Verbindlichkeiten um 2,8 Milliarden Euro - die Finanzlast ihrer Holding sinkt von 7,4 Milliarden auf nur noch 4,6 Milliarden Euro. Einen Teil zur Entlastung steuert das gut laufende operative Geschäft bei. 1,8 Milliarden Euro aber kommen aus dem Verkauf von Conti-Aktien, die Schaeffler bei zwei Banken geparkt hatte. M. M. Warburg und Metzler platzierten am Montag davon 29,7 Millionen Aktien zu je 60 Euro - durch den Verkauf sind nun 39,7 Prozent (vorher 24,9 Prozent) Continental-Aktien im Streubesitz.

Aus der Sicht der Franken überwiegen die Vorteile. Ihre Schuldenlast sinkt, der Druck der Ratingagenturen wird erträglicher, der Zinssatz für die Bankdarlehen reduziert sich von bis zu 17 auf unter zehn Prozent, die Restlaufzeit der Kredite wurde verlängert. Dies alles sei "ein dringend notwendiger und überfälliger Schritt zur Stabilisierung der Schaeffler-Gruppe", sagt Jürgen Wechsler, Aufsichtsrats-Vizechef bei Schaeffler und bayerischer IG-Metall-Chef.

Freude bei Continental

Gleichzeitig stocken die Schaefflers ihren direkt gehaltenen Anteil an Conti auf 49,9 Prozent auf; unterm Strich aber halten sie nur noch 60 Prozent des Autozulieferers. Vorher waren es 75,1 Prozent. Fazit des komplizierten Konstrukts: weniger Schulden und weniger Belastung, aber auch weniger Einfluss in Hannover.

Dort war Schaefflers Schritt herbeigesehnt worden. "Das war längst überfällig", verlautet aus dem Unternehmen. "Wir begrüßen es, dass Schaeffler mit dieser getroffenen Entscheidung eine verlässliche Ausgangsposition für die künftige Entwicklung geschaffen hat", sagt ein Sprecher. Nur: Wo soll die Reise hingehen?

Schon lange wünschen sich die Conti-Manager Klarheit über den künftigen Kurs des Mehrheitsaktionärs. Kommt noch eine Fusion? Verschmelzen einzelne Geschäfte? Oder gibt es weiter nur lose Kooperationen, etwa beim Einkauf?

Keine Gewissheit über die Fusion

Bislang existieren weder ein Zeitplan, noch ein inhaltliches Konzept oder irgendein Arbeitskreis, um eine Fusion vorzubereiten. Die Meinungen, was die Refinanzierung für einen Zusammenschluss bedeuten, gehen auseinander. "Der Weg ist nicht verbaut", heißt es in Schaeffler-Kreisen. Andere rechnen vor, dass der sinkende Anteil auch sinkenden Einfluss der Schaefflers bedeutet und dass man ja jene Aktien teuer wieder zukaufen müsste, die jetzt abgestoßen wurden.

In Finanzkreisen heißt es, man sehe in Herzogenaurach eine Fusion mit Conti nicht mehr als zwingend an. Zwar halte man sich nach wie vor die Option offen, doch glaube man, die Synergien auch ohne Fusion heben zu können. Viel zu bergen gebe es da ohnehin nicht.

Goldman Sachs ist der lachende Dritte

Die Anleger reagierten erst einmal erleichtert. Der Kurs der Conti-Aktie kletterte am Montag um mehr als drei Prozent. Was für Conti wichtig ist: Mit dem Anwachsen des Streubesitzes steigt die Chance, dass der Autozulieferer schon in diesem Jahr zurück in den Dax kommt. Denn ob eine Firma zu den 30 größten börsennotierten Konzernen gehört, bemisst die Deutsche Börse unter anderem am Wert der im Streubesitz befindlichen Aktien. Ein Grund, warum Conti nach der Übernahme durch Schaeffler in den MDax abgestiegen war.

Ein Gewinner der Transaktion ist in jedem Fall Goldman Sachs. Die Investmentbank hat Schaeffler zum zweiten Mal binnen 15 Monaten aus der Bedrängnis geholfen und ist drauf und dran, sich als neue Hausbank der Familie zu etablieren. Praktisch über Nacht brachten die Banker um Deutschland-Chef Alexander Dibelius die Aktien im Wert von 1,8 Milliarden Euro bei Anlegern unter; noch ehe am Montag die Börsen eröffneten, war der Deal über die Bühne.

Aktienplatzierungen dieser Größenordnung werden meist von mehreren Banken organisiert. Käufer der Conti-Anteile seien vor allem ausländische Adressen gewesen, etwa Aktienfonds aus den USA und Großbritannien, aber auch große deutsche Fonds. Keiner der neuen Aktionäre komme auf einen Anteil von drei Prozent oder mehr, heißt es. Der Abschlag auf den Börsenkurs soll nur bei etwa 1,6 Prozent gelegen haben, das Angebot war mehrfach überzeichnet.

Dibelius, der in der Übernahmeschlacht zunächst noch auf der Seite von Conti gegen Schaeffler gekämpft hatte, war vor gut einem Jahr mit Maria-Elisabeth Schaeffler ins Geschäft gekommen. Damals organisierte er eine Kapitalerhöhung bei Conti über eine Privatplatzierung so, dass die Schaefflers ihren Anteil an Conti nicht unter 75 Prozent reduzieren mussten. Goldman Sachs bremste mit dem Coup andere Banken wie J.P. Morgan und die Deutsche Bank aus.

Auch Conti kämft mit Schulden

Dass die Schaefflers jetzt ihren Anteil freiwillig doch unter 75 Prozent rutschen lassen, hat mit einem Umdenken in dem Familienkonzern zu tun. Dort hübscht man sich weiter für den Kapitalmarkt auf. Bis 30. September soll aus der Schaeffler GmbH eine Schaeffler AG werden.

Auch Conti trifft Vorkehrungen, um besser mit den hohen Schulden umzugehen. Der Autozulieferer stehe kurz vor dem Abschluss neuer Kreditlinien im Umfang von sechs Milliarden Euro, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Die bei der Übernahme der Siemens-Tochter VDO 2007 von Banken erhaltenen Kreditzusagen über 13,5 Milliarden Euro hatte Conti zuletzt auf 6,5 Milliarden verringert.

Dazu sammelte der Konzern bei zwei Kapitalerhöhungen 2007 und 2010 insgesamt 2,5 Milliarden Euro bei den Anteilseignern ein. Weitere drei Milliarden stammen aus mehreren Hochzinsanleihen, die Conti auflegte. So sollen beide sattelfest werden: die niedersächsische Tochter und die Mutter in Franken.

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