Schadensersatz:Wen entschädigt BP für "Deepwater Horizon"?

Schadensersatz: Golf von Mexiko 2010: Über Wochen wurde Rohöl an Land gespült und vergiftete ganze Küstenstriche.

Golf von Mexiko 2010: Über Wochen wurde Rohöl an Land gespült und vergiftete ganze Küstenstriche.

(Foto: dpa)
  • Der Energiekonzern BP und die US-Regierung haben sich auf eine Entschädigung von 18,7 Milliarden Dollar geeinigt.
  • Von Gesetzes wegen hätte die Strafe viel höher sein können.
  • Das Küstengebiet hat Investitionen in den Umweltschutz dringend nötig.

Von Ruth Fulterer

Ist BP mit einem blauen Auge davongekommen?

Offenbar hatten Investoren Schlimmeres befürchtet: Als bekannt wurde, dass BP 18,7 Milliarden Dollar Entschädigung für die Folgen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zahlen muss, stieg der Kurs des Energiekonzerns. Dabei handelt es sich bei den mehr als 18 Milliarden Dollar um die höchste Schadensersatzsumme in der Geschichte der USA.

Vor drei Jahren hatte BP angekündigt, eine Pauschalsumme von 15 Milliarden Dollar für staatliche Forderungen zahlen zu wollen. Doch die Regierung verlangte mindestens 25 Milliarden. Nun spricht Justizministerin Loretta Lynch von einer "gerechten und umfassenden" Entschädigung, die dem Gebiet am Golf vom Mexiko über Generationen hinweg Nutzen bringen würde.

Kritik kommt von der Meeresschutzorganisation "Oceana" und dem lokalen Naturschutzverband "Healthy Gulf": Das Strafmaß für die angerichteten Schäden hätte weit höher ausfallen können. "BP ist billig davongekommen. Andererseits braucht die Golfküste das Geld jetzt, und zumindest verhindert die Einigung, dass es durch jahrelange Verhandlungen gebunden bleibt.", sagt Raleigh Hoke von "Healthy Gulf".

Wer bekommt das Geld?

4,9 Milliarden gehen direkt an die betroffenen Bundesstaaten am Golf von Mexiko, als Ausgleich für wirtschaftliche Schäden. Am meisten bekommt Louisiana, der Rest entfällt auf Florida, Alabama, Mississippi und Texas. Dieses Geld kann von den jeweiligen Regierungen frei verwendet werden.

Die übrige Summe von knapp 14 Milliarden ist größtenteils zweckgebunden und soll der Wiederherstellung der Golfküste zugutekommen. Ein Fonds verwaltet das Geld und koordiniert die Sanierung der Küste in einem bundesstaatsübergreifenden Plan. Dieser Fonds wurde bereits 2012 eingerichtet, als BP eine Milliarde für den Wiederaufbau vorab verfügbar gemacht hatte.

Die Golfküste heute - und was mit dem Geld gemacht wird

Wie sieht es an der Küste heute aus?

Vom Rohöl, das vor fünf Jahren über Wochen in rotbraunen Schlieren an den Strand gespült wurde, ist an den Sandstränden der Südstaaten heute nichts mehr zu sehen. Aber immer noch sollen die Wellen regelmäßig Teerklumpen an den Strand tragen.

Die Küstenlinie hat sich durch die Ölkatastrophe verändert: Von langen, flachen Inseln blieben nur noch Sandbänke übrig, als die absterbenden Pflanzen den Boden nicht mehr zusammenhalten konnten - manche verschwanden ganz im Meer. Dadurch sind Küsten- und Zugvögeln wichtige Nistplätze abhanden gekommen. Und wie neue Studien zeigen, haben sich auch die Fischbestände noch nicht erholt.

Die Verseuchung durch das Öl der "Deepwater Horizon" hat ein ohnehin schon bedrohtes Gebiet getroffen: Seit Jahrzehnten geht am Mississippi-Delta Land durch Erosion zu verloren, pro Stunde eine Fläche von ungefähr zwei Fußballfeldern. Vor der Regulierung des Mississippi wurde die Erosion auf natürliche Weise durch das Material ausgeglichen, welches der Fluss aus dem Landesinneren anschwemmte. Heute ist dieser Effekt verloren, weil der Flussverlauf immer stärker an die Anfordernisse des Schiffverkehrs angepasst wurde.

Unter dem Landverlust leiden nicht nur diejenigen, die von Fischerei und Landwirtschaft im Sumpfgebiet leben, sondern auch die Menschen im Landesinneren. Denn die Ebene aus Sumpfgras und Mangroven ist auch eine Pufferzone für Hurrikane, die an Kraft verlieren, wenn sie auf ihrem Weg vom Meer aufs Land über sie hinweg ziehen.

Was wird mit dem Geld gemacht?

Das Hauptziel der langfristigen Projekte ist, den Landschwund abzumildern. Für 180 Millionen Dollar wird beispielsweise ein Kanalsystem gebaut, um Süßwasser aus dem Mississippi in ein Sumpfgebiet so groß wie Stuttgart zu leiten. Ohne dieses Kanalsystem wird das Gebiet innerhalb von 50 Jahren verschwinden. Die Befestigung bestehender Inseln, das Aufschütten von Sandbänken und der Bau künstlicher Austernbänke haben denselben Zweck. Die Austernbänke sollen zudem der Austernfischerei zum Aufschwung verhelfen, die nach der Ölkatastrophe an manchen Orten um mehr als zwei Drittel eingebrochen. Mit einem jährlichen Umsatz von 35 Millionen Dollar im Jahr ist die Austernfischerei ein wichtiger Wirtschaftszweig in Louisiana.

Noch wichtiger als die Fischerei ist für Louisianas Wirtschaft aber die Ölförderung. Und solange das so bleibt, werden wohl auch die Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko weitergehen, wenn auch seit April unter verschärften Sicherheitsbedingungen. Ob sich das Ökosystem an der Golfküste von der Ölpest je ganz erholen wird, ist weniger gewiss. "Die Auswirkungen dieses Desasters werden noch über Generationen zu spüren sein.", meint Raleigh Hoke von "Healthy Gulf". Die Erfahrung aus der anderen großen Ölkatastrophe in den USA gibt ihm recht: 1989 lief das Tankschiff "Exxon Valdez" vor Alaska auf Riff, und bis heute haben sich einige Arten nicht erholt, darunter Killerwale und Heringe. An manchen Stellen stößt man sogar noch auf Rohöl von vor über 25 Jahren.

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