Schadenersatzklage des Ex-Chefs:Nicht AIG gerettet, sondern die Welt vor AIG

  • Der frühere Chef von AIG, der 89-jährige Maurice Greenberg, verklagt die US-Regierung, weil er sich enteignet fühlt.
  • Die Regierung kontert: "Das Ziel war nicht, AIG zu retten. Das Ziel war, die Welt vor AIG zu retten."
  • Greenberg und weitere Kläge wollen 50 Milliarden Dollar.
  • Ex-Fed-Chef Bernanke und die früheren Finanzminister Henry Paulson und Timothy Geithner sollen in den kommenden Wochen aussagen.

Worum es geht

Die US-Regierung muss sich wegen der Rettung des Versicherungskonzerns American International Group (AIG) vor Gericht verantworten. Hinter der Klage steht der frühere AIG-Chef Maurice "Hank" Greenberg, der sich von der Regierung enteignet fühlt. Greenberg hatte AIG fast vier Jahrzehnte lang geführt und zum größten Versicherungskonzern der Welt geformt, ehe er 2005 wegen Betrugsermittlungen seinen Posten räumen musste. Über seine Firma Starr International blieb Greenberg aber größter Anteilseigner des Unternehmens. Der jetzt begonnene sechswöchige Prozess soll klären, ob die Teilverstaatlichung des Konzerns im Jahr 2008 rechtmäßig war - oder ob die Aktionäre mit einer Milliardensumme entschädigt werden müssen. Washington pumpte seinerzeit insgesamt 182 Milliarden Dollar in die AIG und übernahm im Gegenzug rund 80 Prozent an dem Unternehmen. Im Dezember 2012 verkaufte das US-Finanzministerium seine letzten Anteile wieder und machte mit der Rettungsaktion unterm Strich einen Gewinn von rund 23 Milliarden Dollar. Im Prozess geht es nun um Schadenersatz in Höhe von 50 Milliarden Dollar.

Die wichtigsten Fragen im Prozess

Durfte sich die Regierung AIG-Aktien im Wert von 35 Milliarden Dollar aneignen durfte, obwohl sie dafür nur 500 000 Dollar zahlte? Nach der US-Verfassung ist Privateigentum vor dem Zugriff der öffentlichen Hand geschützt, sofern es keine faire Entschädigung gibt. Die zweite Frage ist, ob die Regierung ihren Kredit über 85 Milliarden Dollar an die Bedingung knüpfen durfte, Anteilseigner zu werden.

Was die Kläger sagen

Greenbergs Anwalt David Boies argumentierte zum Prozessauftakt, dass es "keine Rechtfertigung" für die weitgehende staatliche Übernahme gegeben habe. AIG sei der einzige während der Finanzkrise gerettete Konzern, bei dem die Aktionäre den Großteil ihres Kapitals eingebüßt hätten. Das damalige Vorgehen der Regierung habe an "Erpressung" gegrenzt, die für das Rettungsgeld verlangten Zinsen seien viel zu hoch gewesen. "Sie haben versucht, AIG zu dämonisieren und zu suggerieren, dass AIG ein Paradebeispiel für die Probleme der Finanzkrise sei", sagte Boies. Citigroup etwa habe niedrigere Zinsen bezahlt und keine Firmenanteile als Sicherheit abgeben müssen, obwohl die Regierung dem Institut später Betrug bei Hypothekengeschäften vorgeworfen habe.

Die Antwort der Regierung

Die Regierung hielt dagegen, dass die Pleite des Versicherers katastrophale Folgen gehabt hätte. "Das Ziel war nicht, AIG zu retten. Das Ziel war, die Welt vor AIG zu retten", hieß es im Eröffnungsplädoyer. Der Konzern sei damals faktisch zahlungsunfähig gewesen und habe selbst um Staatshilfen gebeten. Dafür habe die Regierung dann Unternehmensanteile als "Sicherheit" gehalten. Der Versicherungskonzern stand wegen riskanter Geschäfte auf dem Hypothekenmarkt vor dem Ruin. Damals saßen Finanzinstitute auf einem Berg dubioser Wertpapiere, in denen die Kredite von einkommensschwachen US-Hausbesitzern gebündelt waren. Als immer mehr Hausbesitzer wegen steigender Zinsen ihre Darlehen nicht zurückzahlen konnten, fiel das System zusammen wie ein Kartenhaus.

Illustre Zeugen

In dem Prozess sollen zahlreiche Architekten der Bankenrettung während der Finanzkrise aussagen. Darunter sind der damalige Zentralbankchef Ben Bernanke sowie die früheren Finanzminister Henry Paulson und Timothy Geithner.

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