SAP:Manchmal kracht es

Chief Executive Officer Of SAP SE Bill McDermott Interview

Der Konzern SAP schickt mittlerweile Hunderte Mitarbeiter zu den großen Jahreskongressen der Anwendergruppe DSAG.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

SAP-Anwender haben vor 20 Jahren einen Verein gegründet, um die Software zu verbessern. Mittlerweile sind sie strategischer Partner des Konzerns.

Von Helmut Martin-Jung

Der Software-Konzern SAP ist eine der großen Ausnahmen: Seit vielen Jahren behauptet sich das Unternehmen unter den Top drei der weltweit größten Softwarehäuser. Dabei hat es seinen Hauptsitz nicht etwa in den USA, sondern in Deutschland, in der badischen Provinz. Als privater Computernutzer hat man in den meisten Fällen nichts direkt mit SAP zu tun. Wer aber in einer größeren Firma etwa für Produktion, Einkauf oder Personal verantwortlich ist, arbeitet mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem SAP-System. Doch wie ist das, wenn sich ein Mittelständler mit einem gewaltigen Konzern auseinandersetzen muss?

Dann hilft es, wenn man das nicht alleine tut, sondern mit anderen zusammen. Denn die IT-Probleme ähneln sich ja doch bei den Unternehmen. Dieser Gedanke steht hinter der deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe, kurz DSAG. Seit 20 Jahren gibt es sie schon, 18 Mal hat sie bisher getagt, zuletzt vor Kurzem in Bremen. 3300 Mitgliedsfirmen gehören der DSAG an, gut 60 000 einzelne Teilnehmer arbeiten regelmäßig mit an den 160 Arbeitskreisen und Arbeitsgemeinschaften zu verschiedenen Themen. Oder sie kommen zu Tausenden zu Kongressen wie dem jüngsten Treffen in Bremen.

Daran nehmen inzwischen auch Hunderte SAP-Mitarbeiter teil, sagt Marco Lenck, der Vorstandsvorsitzende der DSAG. Bei mehr als 270 Vorträgen von DSAG-Mitgliedern oder SAP-Mitarbeitern gab es Gelegenheit, sich auszutauschen. "Das ist in der Branche ziemlich einmalig", sagt Lenck, der im Hauptberuf Chief Information Officer von Döhler ist, eines Hidden Champion der Lebensmittelbranche. In der Anwendergruppe gebe es einfach sehr viel SAP-Erfahrung, "viele arbeiten schon seit 20 Jahren damit", sagt Lenck.

Ursprünglich sei der leitende Gedanke gewesen, die Software zu verbessern - "die typische deutsche Mentalität eben", so Lenck. Anfangs ging es mehr um Selbsthilfe, heute sehen sich die DSAG-Mitglieder als strategischer Partner der SAP und werden von dem Konzern auch als solcher wahrgenommen. Viel entsteht im Konsens, manchmal kracht es aber auch, zum Beispiel 2008, als SAP überraschend die Preise für Wartungsdienste stark anheben wollte. Die DSAG intervenierte mit der geballten Kraft ihrer Mitglieder und hatte Erfolg. Heute läuft es eher so, dass sich DSAG-Vertreter vorher mit SAP zusammensetzen, um dergleichen von vornherein zu verhindern.

Früher waren auch die Einführungsprozesse deutlich aufwendiger als heute. Da gab es Projekte mit langen Laufzeiten, erinnert sich Lenck, manche seien auch gescheitert. "Diese Prozesse sind deutlich schlanker und einfacher geworden", lobt Lenck. Allerdings: Immer mehr Prozesse in den Firmen sollen heute "in Software gegossen" werden, nahezu alle Bereiche seien betroffen, auch Produktion oder Qualitätssicherung.

Natürlich beschäftigt die IT-Chefs auch der Trend zur Cloud. Ein Teil der Prozesse lasse sich sehr gut dorthin verlagern. Warum sollten sich die Firmen um Server oder Wartung selbst kümmern? Zumal Prozesse, an denen auch Lieferanten beteiligt seien, ohnehin von außen erreichbar sein müssten, sagt Lenck. Anders aber liegt der Fall nach Meinung des IT-Experten bei Prozessen des Kerngeschäfts. Die zu verlagern sei teuer, der Nutzen ungewiss. Schließlich geht es auch um das Know-how der Firmen. "Wenn ich solche Daten in der Cloud habe, muss ich aufpassen, wer darauf Zugriff erhält." Dabei denkt Lenck nicht nur an Hacker, sondern auch an ausländische Geheimdienste.

Das alles ändert aber nichts daran, dass das Thema Digitalisierung bei den Treffen der DSAG eine wichtige Rolle spielt. Eine Frage, die jedes Unternehmen für sich beantworten muss. Bei Döhler, einer Firma mit etwa 5500 Mitarbeitern weltweit, die unter anderem Fruchtzubereitungen herstellt, sei man "weiter als der Markt", sagt Lenck, doch sein Chef finde, das Unternehmen sei noch nicht weit genug. Lenck hat das Unternehmen auf die jüngste Software von SAP, S 4, umgestellt. Dabei nutzte er gleich die Gelegenheit, die Strukturen anzupassen. "Früher oder später hätten wir das ohnehin migrieren müssen." Sein Ziel ist es, zum digitalen Anführer in seiner Branche zu werden.

Andere Unternehmen täten sich weit schwerer. Und nicht für alle sei es sinnvoll, auf die neue SAP-Version zu wechseln, "für viele ist es sicher eine gute Entscheidung, noch eine Weile bei der Business Suite zu bleiben". Sich bei solchen Entscheidungen mit Kollegen abzusprechen, das sei für viele auch ein Grund, zu den Kongressen der DSAG zu kommen, sagt Lenck. Entscheiden muss dann freilich jeder selbst.

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