Sanitärausstatter Ille:"Ich habe einen ausgeprägten Toilettenblick"

Ille-Chef Wilhelm Blatz über gepflegte Toilettenräume, moderne Seifenspender und goldene Klobürsten.

Interview von Elisabeth Dostert

Ille

Der Seifenspender sieht nicht nur aus wie Gold, er ist wirklich vergoldet.

(Foto: oh)

Was machen Sie eigentlich?

Wir vermieten Hygienesysteme an Unternehmen, Gaststätten, Hotels und öffentliche Einrichtungen. Wir rüsten auch alle Autobahnraststätten mit Sanifair-Toiletten aus.

Was genau liefern Sie?

So ziemlich alles: Spender für Papierhandtücher, Seife, Toilettenpapier, Kosmetiktücher, Damenhygiene und Raumdüfte, aber auch Toilettenbürsten, Abfallbehälter und Fußmatten. Wir entwickeln die Geräte und lassen sie nach unseren Vorgaben in Deutschland fertigen. Dann verleihen wir sie und füllen regelmäßig auf. In der Regel fahren wir die Standorte alle vier Wochen an. Wir machen es wie Rockefeller: Der hat die Öllampen verschenkt, um dann sein Öl zu verkaufen.

...und sie füllen immer wieder Ihre Spender auf?

Ja. Aber unsere Kunden müssen keine Bestellung aufgeben. Nach zwei, drei Lieferungen wissen wir ziemlich genau, was der Kunde braucht. Er kriegt dann eine Lieferung auf Basis des durchschnittlichen Verbrauchs plus 30 Prozent, sodass er gewisse Schwankungen ausgleichen kann. Selbst ein Konzern wie VW hat Schwankungen, weil in der Ferienzeit weniger Papier verbraucht wird und wenn Sonderschichten gefahren werden ist es mehr.

Die Firma

Ille Holding

  • Sitz: Altenstadt
  • Gegründet: 1965 als Ille Aussteuer
  • Umsatz: 64 Millionen Euro (2014)
  • Mitarbeiter: 450
  • Gesellschafter: Familie Blatz

Ihre Mitarbeiter dürften einige der unappetitlichsten Orte der Republik zu sehen bekommen!

Ja, aber nur wenn ein Gerät überprüft oder ausgetauscht werden muss. Meistens liefern unsere Fahrer die Nachfüllware nur im Lager ab.

Können Sie denn noch unbedarft eine öffentliche Toilette betreten?

Nein, ich habe schon einen ausgeprägten Toilettenblick. Den kriegt aber jeder, der mit uns redet. Sie werden auch nie mehr eine Toilette betreten, ohne nachzuschauen, wer sie ausgestattet hat.

Und da hängen dann Ihre Geräte und die Toilette ist trotzdem in einem erbärmlichen Zustand. Das muss doch jedes Mal eine ziemliche Enttäuschung sein!

So schlimm ist es nicht. Wenn einer bereit ist, uns jeden Monat einen bestimmten Betrag zu bezahlen, der stellt schon gewisse Ansprüche. Der hält auch seine Toilette sauber.

Wie viel muss er denn zahlen?

Eine Gaststätte mit 40 Plätzen etwa 150 Euro im Monat, das sind drei, vier Tassen Kaffee am Tag. Da ist dann aber wirklich alles drin. Die Miete, die Nachfüllware, Austausch und Ersatz der Geräte. Es kommt ja auch schon mal vor, dass in einer Discothek das Ding demoliert wird oder ein Pächter alle Geräte mitnimmt, wenn er auszieht.

Wie viele Papierspender von Ihnen hängen da draußen in der Welt?

Zirka 550.000. Wir verkaufen 20 000 Tonnen Hygienepapier im Jahr. Das beziehen wir aus Italien. Und bevor wir es ausliefern, wird es in unserem Labor nochmal kontrolliert. Ist es reine Zellulose? Stimmt das Gewicht pro Quadratmeter? Sind die Rollen ordentlich gewickelt?

Unterscheiden sich die Ansprüche von Land zu Land?

Ja. Die Deutschen sind schon sehr anspruchsvoll. Die wollen es gerne ordentlich. Die Kunden legen heute Wert auf gutes Design. Früher kaufte man die Klobürste von dem, den Seifenspender von jenem und die Papierspender wieder von einem anderen. Da passte nichts zusammen. Das eine war Edelstahl, das andere lackiert oder aus Kunststoff. Das hat sich geändert. Bei uns sind alle Teile einer Kollektion weiß, verchromt, golden oder schwarz. Schwarz ist gerade total in Mode.

"Die Inder lieben Gold. Araber stehen auf Swarowski-Steine."

Wer bitte schön steht auf goldfarbene Klobürsten?

Nicht goldfarben. Unser Gold ist Gold.

Ernsthaft?

Ja, sie sind vergoldet, dann läuft nichts an. Das sieht dann Top aus

Wer braucht das?

Die Inder lieben Gold. Araber stehen auf Swarowski-Steine.

Verkaufen Sie noch selbst?

Klar. Ich gehe mit meinem Koffer auf Reisen wie jeder andere Verkäufer hier auch. Da ist alles drin. Übrigens: Nehmen Sie im Hotel nie die Gläser zum Zähneputzen, sondern den Kunststoffbecher. Die Gläser kommen nie in die Spülmaschine, die werden nur gewischt. Dann kann es schon mal vorkommen, dass Toilette und Glas mit dem selben Lappen bearbeitet werden.

Sind Sie ein guter Verkäufer?

Das sollen andere beurteilen. Immerhin habe ich vier Sterne am Hemdkragen. Vier sind das Maximum. Früher habe ich auch selbst Papier ausgeliefert, notfalls auch sonntags, wenn es irgendwo knapp wurde. Heute haben wir einen Notdienst.

Wie viel Umsatz müssen Sie abliefern für vier Sterne?

48 000 Euro mindestens im Jahr. 12 000 gibt einen Stern.

Was macht einen guten Verkäufer aus?

Ich kann gut zuhören. Die meisten Leute haben ein völlig falsches Bild von Vertrieblern. Die denken, die quatschen immer nur. Wenn ich zum ersten Mal in eine Firma komme, höre ich zu, sehr lange.

Warum liefern Sie nur Handtücher aus Papier und nicht aus Stoff?

Wir haben fast 20 Jahre lang Stoff gemacht. Wir haben mal als Aussteuer-Firma angefangen. Aber dann haben meine Frau und ich die Firma samt Kundenkartei an CWS, eine Tochter von Haniel verkauft. Der damalige Haniel-Chef hat mich dann gefragt: Was machen Sie jetzt? Dann habe ich gesagt, ich verkaufe jetzt nur noch Toilettenpapier. Ich hatte ja ein Wettbewerbsverbot für Stoffhandtücher unterschrieben. Dann hat er gesagt, lass uns das zusammen machen. Wir haben uns dann ganz flott auf ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen geeinigt.

Warum haben Sie überhaupt verkauft?

Mein Bruder lebte damals in den USA und der hat immer gesagt, Willi verkaufe den Stoff. Hier gibt es nur Papier. Er hatte recht.

Ist das ganze Papier aus ökologischer Sicht nicht eine ziemliche Sauerei?

Die Ökobilanz ist auch nicht schlechter als die von Stoffhandtüchern. Die müssen sie wieder einsammeln und waschen. Wir verbrauchen zwar viel Zellulose. Aber für unser Papier werden keine Wälder in Südamerika gerodet. Wald ist heute wie Ackerbau.

Warum haben Sie damals das Geld aus dem Verkauf nicht einfach genommen und sich zur Ruhe gesetzt?

Ich habe andere Vorstellungen vom Leben und andere Vorbilder. Ich kenne Unternehmer, die sind älter als 80 und noch munter unterwegs. Aber ich will keine Namen nennen. Ich bin erst 76.

Warum haben Sie sich nach fast zwei Jahrzehnten wieder von CWS getrennt?

Das waren sehr fruchtbare Jahre. Wir arbeiten auch heute noch mit ihnen zusammen. Wir sind nicht im Streit geschieden.

Aber irgendwas hat doch nicht gepasst!

CWS ist die Tochter eines Großkonzerns. Die führten uns an der langen Leine, wir waren ja auch erfolgreich. Aber wenn wir eine Tochtergesellschaft in Italien gründen wollten, beispielsweise, brauchten wir eine Genehmigung von ihnen. In so einer großen Firma kann nicht jeder machen, was er will, das wäre ein heilloses Durcheinander. Die brauchen diese Strukturen und diese Führung.

Sie lassen sich nicht so gerne führen?

Eigentlich nicht.

Waren die 50 Prozent, die sie CWS abkauften, teuer?

Sie waren es wert.

Mussten Sie sich dafür Kredit bei der Deutschen Bank nehmen, die Sie mal verklagt und gewonnen haben?

Nein. Das ist eine andere Geschichte, die fing viel früher an. Wir haben von der Deutschen Bank gar kein Geld gebraucht. Die haben uns eine Zinssicherung verkauft, die hat sich dann als riskante Zinswette entpuppt. Das war mir aber nicht klar, als ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich wette nie. Ich mache kein Lotto, kein Toto und sonst keinen Quatsch. Wenn wir die Zinswette nicht schnell beendet hätten, säße ich heute hier als Hartz-IV-Empfänger. Wir hätten alles verloren. Ich kenne viele Tricks im Direktvertrieb, aber die kannten mehr.

Sie haben die Bank verklagt und am Ende hat Ihnen der Bundesgerichtshof den eingezahlten Betrag über 700 000 Euro zugesprochen.

Für mich ist die Sache lange erledigt. Ich will nicht nachkarten.

Sind Sie noch Kunde bei der Deutschen Bank?

Nein.

Was haben Sie gelernt?

Unterschreibe nichts, was Du nicht verstehst.

Wer darf Ihnen sagen, dass Sie etwas nicht gut machen?

Meine Frau sagt immer, sie sei die einzige. Das stimmt aber nicht, es gibt einige in der Firma. Meine Tochter Marion, die ja gemeinsam mit ihrem Mann in der Geschäftsführung sitzt, hat auch keine Hemmungen mir zusagen: Papa, da hast Du Mist gemacht.

Und wenn Ihre Tochter eines Tages sagt: Papa, ich möchte das hier jetzt alleine machen?

Ille

Wilhelm Blatz und seine Frau Helmtraud sind Gründer und Gesellschafter des Familienunternehmens Ille. Ille ist ihr Mädchenname.

(Foto: oh)

Macht sie doch schon. Um den Vertrieb will sie sich gar nicht kümmern.

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