Sanierung des Stahlkonzerns:Thyssen-Krupp steckt tief in der Krise

Thyssen-Krupp weiß nicht mehr weiter. Schulden in Milliardenhöhe und eine Sanierung, die in der Luft hängt, machen dem Stahlgiganten zu schaffen. Und nun tritt auch noch die EU auf den Plan.

Karl-Heinz Büschemann

Thyssen-Krupp Sanierung

Durch den Bau von zwei Stahlwerken in Brasilien und den USA hat sich der Ruhr-Konzern so verkalkuliert, dass er in größten Schwierigkeiten geriet.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Heinrich Hiesinger hat als Vorstandschef von Thyssen-Krupp einen schwierigen Job. Nach weniger als einem Jahr an der Spitze des Krisenkonzerns musste er im November vergangenen Jahres über Nacht die Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 2010/11 um ein paar Tage vorverlegen. Er hatte Verluste von zwei Milliarden Euro entdeckt. Es gab keine Chance, diese unangenehme Wahrheit länger unter der Decke zu halten.

In diesem Jahr kommt es wieder zu einer peinlichen Verlegung. Hiesinger muss die Vorlage seiner Jahreszahlen um drei Wochen nach hinten verschieben. Die Sache war dem Konzern offenbar so peinlich, dass er nicht einmal eine Pressemitteilung darüber verschickte, dass die Zahlen erst am 11. Dezember vorgelegt werden. Die Änderung auf der Internetseite musste reichen.

Für den Sanierer Hiesinger, der vor seiner Thyssen-Krupp-Zeit bei Siemens war, wieder mal ein Zeichen dafür, dass bei Thyssen-Krupp manches im Argen liegt. Sein Zeitplan für die Sanierung kommt erneut durcheinander.

Die Thyssen-Krupp-Manager brauchen Geld. Anfang Februar dieses Jahres hatten sie mitgeteilt, die Edelstahltochter Inoxum an den finnischen Konkurrenten Outokumpu zu verkaufen. Als Kaufpreis wurden 2,7 Milliarden Euro ausgehandelt. Die EU-Wettbewerbsbehörden müssten allerdings noch zustimmen. Alles reine Routine, hieß es in Essen. Bis Ende September werde die Sache über die Bühne sein. Noch vor wenigen Tagen hieß es in der Firmenzentrale, alles sei in bester Ordnung.

Doch die Wettbewerbshüter fanden offenbar einige Gründe, die Sache besonders genau zu prüfen. Die Finnen planen mit Inoxum den größten europäischen Edelstahlhersteller zu schmieden. Doch Brüssel fürchtet eine gefährliche Übermacht des erweiterten Outokumpu-Konzerns. Vor zwei Wochen kam die Überraschung.

Am 20. September teilte die EU den erstaunten Outokumpu-Managern mit, ihre bisherigen Zugeständnisse könnten die Bedenken in Brüssel nicht ausräumen. Der von den Finnen geplante Verkauf von Edelstahlfabriken in Schweden sei "möglicherweise nicht ausreichend", um die Inoxum-Transaktion zu genehmigen. Die Finnen besserten nach und boten den Verkauf eines Stahlwerks in Italien an, das mit mehr als 2500 Beschäftigen ein Brocken des Gesamtgeschäfts ist. Jetzt wird wieder geprüft.

Überkapazitäten führen zu dreistelligen Millionenverlusten

Die Finnen hoffen, den Deal noch bis Ende des Jahres über die Runden bringen zu können und Thyssen-Krupp, das unter Schulden von sechs Milliarden Dollar leidet, kann es nicht erwarten, endlich Geld zu sehen. Der Verkauf an Outokumpu würde den Essenern einen Zufluss von einer Milliarde Euro in bar bringen. "Wir haben gedacht, dass es schneller geht", heißt es in Unternehmenskreisen. "Dass die EU Kommission mit so harten Forderungen kommt, ist überraschend.

Jetzt können die Essener Manager ihre Bilanz nicht fertig machen. Sie wissen nicht, zu welchen Konditionen das geplante Geschäft mit den Finnen abgeschlossen werden kann, sie wissen nicht einmal, ob es überhaupt zustande kommt.

Thyssen-Krupp steckt in einer massiven Krise. Durch den Bau von zwei Stahlwerken in Brasilien und den USA hat sich der Ruhr-Konzern so verkalkuliert, dass er in größten Schwierigkeiten geriet. Die Kosten für die Werke liefen aus dem Ruder. Die Stahlwerke stehen mit sieben Milliarden Euro in den Büchern und Hiesinger will sich durch den Verkauf von Firmenteilen in der Größenordnung von einem Fünftel des Konzernumsatzes von knapp 50 Milliarden Euro aus der Misere befreien. Neben dem Edelstahl stehen auch die Krisenstahlwerke in Amerika zum Verkauf.

Der Vorstand streute zuletzt das Gerücht, es gebe ein Dutzend Interessenten für die Verlustbringer in Amerika, der Verkauf des Edelstahls an Outokumpu sei nur eine Frage der Zeit. Die Börsen glaubten den Beteuerungen. Der Thyssen-Krupp-Aktienkurs ist in den zurückliegenden drei Monaten von 13 auf über 17 Euro gestiegen.

Unternehmenschef Hiesinger hängt mit seiner Entscheidung in der Luft. Er kann nicht einmal sicher sein, dass die Brüsseler den Edelstahl-Verkauf genehmigen. "Wir können nichts ausschließen", sagt ein Manager. Und wenn nicht? Dann werde es den Firmen von Thyssen-Krupp wie von Outokumpu schlecht ergehen. Dann werde es in der Krisenbranche zu Entlassungen kommen.

Die vier großen Hersteller von Edelstahl in Europa machten wegen der Überkapazitäten in der Branche im Moment jeder dreistellige Millionenverluste im Jahr, so ein Stahlmanager. "Es muss zu einer Konsolidierung kommen." Je größer die Auflagen der Brüsseler Wettbewerbsbehörden werden, "desto schlechter ist die Ausgangslage für die Mitarbeiter".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: