Sanierung des Staatshaushalts:Wie Spanien heimlich eine Zwangssteuer für Sparer einführt

Verbal als "Steuerharmonisierung" getarnt, veröffentlicht während der Fußball-WM, pünktlich zum Start der Sommerferien: So heimlich wie möglich will Spanien als erstes EU-Land eine Zwangsabgabe auf Bankeinlagen einführen.

Von Guido Bohsem, Thomas Urban, Markus Zydra, Madrid/Berlin/Frankfurt

Es gibt politische Themen, bei denen eine Regierung nur verlieren kann. Die Einführung einer Sparersteuer gehört dazu. Doch genau das hat die spanische Regierung vor. Sie hält sich dabei an die althergebrachte Tradition, dass unpopuläre Maßnahmen zu Beginn der Sommerferien bekannt gegeben werden - so heimlich wie eben möglich.

Das Projekt der Einlagensteuer erschien Ende Juni auf den Internetseiten des Finanzministeriums und der Nationalbank (PDF), als die Öffentlichkeit durch den Amtsantritt des neuen Königs Felipe VI. sowie durch das Ausscheiden der spanischen Fußballnationalmannschaft abgelenkt war. Der Regierungsbeschluss muss noch vom Parlament abgesegnet werden.

Erstmals würde Spanien dann landesweit auf alle Bankguthaben seiner Bürger eine einheitliche Steuer erheben. Die Regelung soll rückwirkend zum 1. Januar 2014 gelten, der Steuersatz beträgt 0,03 Prozent. Die gesamten Einlagen Spaniens belaufen sich nach Angabe der Zentralbank Banco de España auf 1,43 Billionen Euro.

Verbal getarnt als "Steuerharmonisierung"

Die Maßnahme soll nach Angaben von Finanzminister Crístobal Montoro rund 375 Millionen Euro einbringen - ein Bruchteil der Gesamtschuld des Staates. Diese nähert sich der Billionengrenze: Für Ende Mai gab die Nationalbank die genaue Summe mit knapp 997 Milliarden Euro an, ein Rekordwert. Das entspricht etwa 100 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Eine derartige Steuer hatten bereits mehrere von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffene spanische Regionen erhoben. Die Zentralregierung in Madrid brachte sie deshalb unter dem Stichwort "Steuerharmonisierung" auf die Tagesordnung, eine verbale Tarnung, die bislang funktionierte; denn sowohl spanische Experten, als auch ausländische Analysten wurden davon überrascht.

Der Plan Spaniens ist bemerkenswert, weil alle Sparer - egal ob reich oder arm - dauerhaft zur Haushaltssanierung herangezogen werden. Bislang kursierten in der Euro-Zone zumeist Vorschläge, dass die Reichen eines Landes zur Kasse gebeten werden sollten und dann auch nur einmalig in Form einer Vermögensabgabe.

Im Herbst 2013 machte der Internationale Währungsfonds (IWF) den Vorschlag, die Euro-Zone solle eine Vermögensabgabe von zehn Prozent auf Sparvermögen, Wertpapiere und Immobilien einführen, um so die Staatshaushalte auf einen Schlag kräftig zu entlasten.

Das Schuldenproblem ist immer noch akut

Auch die Bundesbank kann sich eine einmalige Vermögensabgabe vorstellen, allerdings nur im äußersten Ernstfall: Anstatt Hilfen der Partnerländer im Euro-Raum zu beantragen, müssten klamme Staaten spätestens bei drohender Insolvenz zuerst die Vermögen ihrer reichen Steuerzahler anzapfen.

Das Schuldenproblem ist immer noch akut. Die Staatshaushalte der Euro-Zone sind mittlerweile sogar höher verschuldet als vor Ausbruch der Finanzkrise. Allerdings halten sich Schuldenstand und die Vermögen der Privathaushalte in der Euro-Zone in etwa die Waage.

Eine Vermögensstudie der Europäischen Zentralbank (EZB) kam im Frühjahr 2013 außerdem zu dem überraschenden Ergebnis, dass die durchschnittlichen Haushaltsvermögen in Staaten wie Zypern, Italien und Spanien deutlich höher ausfallen als in Deutschland. Das lag zwar auch an methodischen Besonderheiten der Erhebung, doch insgesamt hatten viele Politiker danach den Eindruck, die klammen Staaten könnten doch zunächst ihre - vermögenden - Bürger in die Pflicht nehmen.

Einmalige Vermögensabgaben gab es schon in vielen Staaten. Häufig, so der IWF, sei jedoch der Fehler gemacht worden, dass zu viel Zeit zwischen Ankündigung und Umsetzung verstrichen war. So schafften viele ihr Kapital rechtzeitig weg.

In Deutschland liegt die Vermögensteuer auf Eis

Die Vermögensteuer in Deutschland ist nicht abgeschafft, sondern wird nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erhoben. Insbesondere die Parteien im linken Spektrum forderten angesichts der angeblich wachsenden Ungleichheiten bei der Verteilung von Vermögen eine Wiederbelebung. Daher spielte das Thema Vermögensteuer im Bundestags-Wahlkampf im vergangenen Jahr eine bedeutsame Rolle. Die Grünen sprachen sich für eine auf zehn Jahre begrenzte Vermögensabgabe aus. Die SPD forderte die Wiedereinführung der Vermögensteuer, ohne dafür jedoch ein konkretes Konzept vorzulegen.

Seit die SPD in der Regierung ist, sind die Forderungen nach einer Vermögensteuer jedoch nahezu verstummt. Im Koalitionsvertrag mit der Union hatte man sich schließlich darauf verständigt, die Steuern nicht zu erhöhen. Das könnte sich allerdings ändern, wenn das Verfassungsgericht im Herbst sein Urteil über die Erbschaftsteuer verkündet.

Allgemein wird erwartet, dass die Karlsruher Richter Änderungen an der bisherigen Praxis verlangen werden, wonach betriebliches Vermögen unter Auflagen weitgehend von der Abgabe verschont wird. Der Bundesfinanzhof jedenfalls hatte die ungleiche Besteuerung kritisiert.

Die Koalition in Berlin hofft nun sehr darauf, dass die Änderungsvorschläge des Verfassungsgerichts möglichst gering bleiben. Jedoch dürfte die öffentliche Diskussion über Vermögen in Deutschland und dessen vergleichsweise geringe Besteuerung durch das Urteil der Richter neu belebt werden - und dann käme auch wieder eine neue Debatte über die Vermögensteuer auf.

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