Stahlkonzern:Weiterer Korruptionsverdacht bei Salzgitter

Salzgitter AG

Die Ermittlungen beim Stahlkonzern Salzgitter häufen sich.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen gegen Mitarbeiter einer Salzgitter-Tochter.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Die Hand auf dem Foto schreibt das Wort "impossible" auf eine Glasscheibe. Die Silbe "im-" ist durchgestrichen. Stehen bleibt "possible", das englische Wort für "möglich". Die Botschaft auf der Homepage der Salzgitter-Tochter Klöckner Desma Schuhmaschinen in Achim bei Bremen ist klar: Unmöglich darf es hier nicht geben, für den Kunden wird alles möglich gemacht.

Vor ein paar Wochen bekam diese Werbeaussage einen ganz neuen Beiklang. Da nämlich nahm die Staatsanwaltschaft in Verden/Aller Ermittlungen auf. "Wir ermitteln gegen Mitarbeiter der Desma Schuhmaschinen und Firmenexterne wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr", bestätigte ein Sprecher entsprechende Informationen der Süddeutschen Zeitung. Zehn Personen zählen demnach zurzeit zum Kreis der Verdächtigen. Sollte sich der Verdacht erhärten, könnten sie den Angaben zufolge illegale Provisionen innerhalb und außerhalb Europas gezahlt oder empfangen haben, um den Verkauf von Schuhmaschinen anzukurbeln. Dabei wurden laut Staatsanwaltschaft von Fall zu Fall womöglich Summen in bis zu fünfstelliger Höhe gezahlt. Bei Salzgitter hieß es dazu, der Vorfall liege mehrere Jahre zurück. Salzgitter kooperiere uneingeschränkt mit den Behörden, Desma sehe sich als Geschädigter. Tatsächlich stehen die Ermittlungen ganz am Anfang.

Unangenehm ist die Sache allemal - auch für Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann. Seit geraumer Zeit häufen sich die Ermittlungen in Deutschlands zweitgrößtem Stahlkonzern. Wiederholt geht es um Korruption und dubiose Provisionszahlungen. Inzwischen scheint es, als habe das Unternehmen, an dem das Land Niedersachsen mit 26,5 Prozent beteiligt ist, ein gravierendes Problem. Als hätten sich die Regeln einer sauberen Unternehmensführung nicht bis in alle Winkel des Konzerns herumgesprochen - oder als sei die Kontrolle zu lax. Salzgitter will davon nichts wissen: Der Konzern verfüge über ein funktionierendes Compliance-System.

Auch bei einer weiteren Salzgitter-Tochter, der Mannesmann Großrohr, geht es nach wie vor um Bestechung. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt seit gut einem Jahr. Zwei frühere Manager sollen für illegale Provisionen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro verantwortlich sein. Was sich bei Mannesmann Großrohr genau abspielte, konnten die Braunschweiger Strafverfolger noch nicht abschließend ermitteln. Bei umfangreichen Razzien im In- und Ausland stellten sie jede Menge Aktenordner und Festplatten sicher, die nun gesichtet werden müssen. In den nächsten Wochen gehe es darum, Unterlagen aus der Schweiz auszuwerten, hieß es bei der Staatsanwaltschaft. Salzgitter beauftragte eine Anwaltskanzlei, um den Sachverhalt genau zu klären: Bisher gebe es keinerlei Anhaltspunkte, dass der Verdacht begründet sei.

Ärger droht dem Salzgitter-Chef auch mit dem Fiskus. Es besteht der Verdacht, der Konzern könne gegen Steuergesetze verstoßen haben und Beratern für die Anbahnung von Geschäften mit Nigeria und dem Iran zwischen 2005 und 2009 Provisionen von insgesamt 100 Millionen Euro gezahlt haben. Diese Summe soll in Teilen fälschlicherweise als Betriebsausgabe deklariert worden sein. Salzgitter bestreitet das und erklärt, alle Zahlungen zutreffend behandelt zu haben. Im Mai ließ Fuhrmann mitteilen, dass "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" mit einer größeren Steuernachforderung der Finanzbehörden nicht zu rechnen sei. Doch bis heute wurden die Ermittlungen nicht eingestellt.

Nun also nehmen sich die Staatsanwälte auch die Salzgitter-Tochter Klöckner Desma in Achim bei Bremen vor. Der Schuhmaschinenhersteller mit seinen etwa 60 Millionen Euro Jahresumsatz und mehr als 200 Beschäftigten ist einer jener Weltmarktführer, wie sie im deutschen Mittelstand so häufig zu finden sind. Noch vor ein paar Jahren sei das Unternehmen zu seinen Kunden in alle Welt gereist, wenn es seine Maschinen präsentieren wollte, ließ sich ein Manager noch vor Kurzem bei einer Hausmesse in der Firmenzentrale in Achim zitieren. Dazu mussten die riesigen Anlagen demontiert, verschifft und wieder aufgebaut worden. Heute betreibe die Firma diesen Aufwand nicht mehr, die Kunden kämen jetzt zu Desma gereist.

Vielleicht klärt die Verdener Staatsanwaltschaft bald, warum die Kunden aus aller Welt so gern nach Norddeutschland kommen.

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