Sachsen-LB:"Jetzt haben wir ein richtiges Problem"

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Seit dem Mittelalter war Leipzig ein wichtiger europäischer Handelsknoten. Den Reichtum von einst sieht man der Stadt noch heute an. (Foto: mauritius images)

Im August 2007 gerät die Sachsen-LB ins Straucheln. Dies wirft grundsätzliche Fragen auf. Aus der US-Immobilienkrise wird eine deutsche Bankenkrise.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Als die Chefs der Landesbanken im August 2007 in Frankfurt zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkamen, sollte es eigentlich um die Probleme anderer Banken gehen. Was es vor zehn Jahren in einer der oberen Etage des Fondsdienstleisters Deka zu besprechen gab, war ernst: Wenige Tage zuvor war die bislang grundsolide Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB in Not geraten. Überraschend hatten die IKB-Chefs offenbart, sich mit US-Immobilienpapieren verhoben zu haben. Wie der IKB zu helfen sei, damit die Schieflage nicht noch andere Banken mitreiße, darum sollte es in der Sitzung gehen.

Doch als man fast zu Ende war, meldete sich auf einmal Herbert Süß zu Wort, der damalige Chef der Sachsen-LB. Er habe übrigens auch nur noch für zwei Wochen Liquidität, soll er gesagt haben. "Da war auf einmal klar, jetzt haben wir ein richtiges Problem, jetzt müssen die größeren Landesbanken die Führung übernehmen", erinnert sich ein Teilnehmer der Sitzung.

Tatsächlich ging dann alles ganz schnell: Am 17. August 2007 gab die Sachsen-LB bekannt, wegen der aufziehenden Finanzkrise keine Käufer für ihre kurz laufenden Anleihen mehr zu finden. Diese aber brauchte sie, um ihre Dubliner Zweckgesellschaft, also eine Art Tochter, mit Geld zu versorgen. Dem vorausgegangen waren hektisches Krisenmanagement, Telefonate durch die Republik und schließlich die Zusicherung aller Sparkassen und Landesbanken, die Refinanzierung sicherzustellen. Zusammen mit den Landesbanken bilden die Sparkassen einen Haftungsverbund und müssen im Zweifel ohnehin füreinander einstehen. Weil das nicht reichte, kam wenig später noch eine Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro vom Land Sachsen hinzu. "Der Untergang löste in Sachsen einen Strudel aus, der das Land im ärgsten Fall Milliarden kosten könnte", bilanzierte die oppositionelle Linke wenige Jahre später, als der Fall Gegenstand eines Untersuchungsausschusses wurde.

Die Geschichte der Sachsen-LB zeigt wie die kaum einer anderen Bank, warum aus der US-Immobilienkrise so rasch eine deutsche Bankenkrise werden konnte. Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man bis weit vor der Krise zurückgehen.

Es war kurz nach der Wiedervereinigung, als Sachsen für die neuen Bundesländer eine gemeinsame Sparkassenzentralbank errichten wollte. Angebote der westdeutschen Landesbanken, den Osten in dieser Hinsicht mit zu versorgen, schlug man aus. 1991 dann scherten Thüringen und Sachsen-Anhalt aus und griffen auf die Angebote der Landesbank Hessen-Thüringen und der Nord-LB zurück. Sachsens damaliger Ministerpräsident, der zur Selbstherrlichkeit neigende Kurt Biedenkopf, aber auch sein Finanzminister und späterer Nachfolger Georg Milbradt (beide CDU) gründeten hingegen ihre eigene Landesbank. Es war damals die zwölfte Landesbank in Deutschland. "Im Vergleich zu anderen neuen Bundesländern, wo letztendlich frühzeitig westliche Landesbanken die Sparkassenzentralbankfunktion wahrnahmen, erscheint die Entscheidung für eine Sächsische Landesbank rein politisch gewesen zu sein", schrieben Finanzwissenschaftler der TU Darmstadt 2010.

Es gab zu wenige Firmen, um Kredite zu vergeben. Also suchten die Banker andere Einnahmen

Wirklich gebraucht wurde das Geldhaus nie. Das Hauptproblem: Nach der Wiedervereinigung gab es viel zu wenig Unternehmen, die die Sachsen-LB mit Krediten hätte versorgen können. Gleichwohl lief es die ersten Jahre vordergründig ganz gut. Bis Brüssel 2001 ankündigte, 2005 die Gewährträgerhaftung abzuschaffen. Diese Ausnahme erlaubte es staatlichen Banken in Deutschland, dank der Haftung ihrer Eigner, billig Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen - ein Nachteil für Privatbanken.

Mit fatalen Folgen: Bis zum Stichtag am 18. Juli 2005 saugten sich die Landesbanken mit günstigem Kapital voll. Weil sie aber im Kreditgeschäft nicht genug verdienten, legten sie es etwa in riskanten US-Immobilienpapieren an, die fälschlicherweise über gute Ratings verfügten. Aufgeschwatzt bekamen die Provinzbanker diese Papiere zumeist von Investmentbankern, also von Deutscher Bank, Barclays oder JP Morgan. Den Unbedenklichkeitsstempel wiederum gaben Wirtschaftsprüfer und Finanzaufseher von Bundesbank und Bafin. Letztere sahen dem Treiben bis zum Schluss von der Seitenlinie aus zu.

Auch die Sachsen-LB betrieb dieses "Kreditersatzgeschäft". Über außerbilanzielle Zweckgesellschaften in Irland kaufte sie die Giftpapiere, die hohe Zinsen abwarfen. Das Geld dafür holte sie über kurz laufende niedrig verzinste Anleihen herein. Zeitweise unterhielt das Institut drei Zweckgesellschaften, die 26 Milliarden Euro verwalteten - das war 20-mal so viel wie das Eigenkapital der Bank. 2009 schrieb der sächsische Landesrechnungshof: "Weder die ab 2005 abnehmende Rentabilität des Kreditersatzgeschäfts noch die Erkenntnis, dass die Geschäfte nur noch aufgrund der staatlichen Garantien rentabel waren, hat die Verantwortlichen an der Ausweitung dieser Geschäfte gehindert."

Im Gegenteil: Noch im Frühjahr 2007, die US-Immobilienkrise war bereits ein Thema, legten Bankchef Süß und seine Kollegen nach. In der Branche war das längst ein offenes Geheimnis. Schließlich waren auch Bayern-LB, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), West-LB und HSH-Nordbank fleißige Abnehmer der Papiere. Sie alle mussten kurz darauf gestützt werden.

LBBW-Chef Siegfried Jaschinski ließ sich gleichwohl in die Pflicht nehmen und übernahm die Sachsen-LB 2008. Eine Übernahme, die ihn das Amt kostete. Kurz darauf musste auch die LBBW von den Eignern gerettet werden.

Die Aufarbeitung der Sachsen-LB-Krise ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Ein Strafprozess gegen Süß und seinen Kollegen Stefan Leusder wegen Untreue und Bilanzfälschung wurde "wegen geringer Schuld" im Dezember 2016 gegen die Zahlung von je 80 000 Euro eingestellt. Ein vertrautes Muster: Wirklich büßen musste schließlich kaum einer derjenigen, die für die Finanzkrise verantwortlich waren.

Und die Altlasten der Sachsen-LB? Auf 1,54 Milliarden Euro belaufen sich bislang die Zahlungen der Landesregierung für ausgefallene Kredite, bilanzierte das Dresdner Finanzministerium Anfang Juli 2017. Insgesamt bürgt das Land mit 2,75 Milliarden Euro für Ausfälle. Entsprechend überweist der Freistaat seither Quartal für Quartal einen zweistelligen Millionenbetrag - quälende Routine, die erst in einigen Jahren ihr Ende finden wird.

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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