Ryanair:Die Ich-AG im Cockpit

Ryanair: Es geht um den Verdacht der "Anstiftung zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und der Lohnsteuerhinterziehung".

Es geht um den Verdacht der "Anstiftung zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und der Lohnsteuerhinterziehung".

(Foto: Imago)

Der Staatsanwalt ermittelt nun auch gegen Ryanair-Mitarbeiter. Es geht um den Verdacht der "Anstiftung zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt".

Von Klaus Ott, Köln/München

Als Polizei- und Zollbeamte Mitte vergangenen Jahres gleich sechs deutsche Standorte von Ryanair durchsuchten, galt die Razzia gar nicht der Billigfluglinie aus Irland. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelte gegen zwei britische Personalfirmen, die zahlreiche Piloten angeheuert und an Ryanair ausgeliehen hatten. Mittels komplizierter Verträge, so der Verdacht der Strafverfolger, seien Steuern und Sozialversicherungsabgaben hinterzogen worden. Zahlreiche Piloten, die dazu Beihilfe geleistet haben sollen, bekamen ebenfalls ein Aktenzeichen und wurden als Beschuldigte geführt. Die Behörden gingen dem Verdacht der Scheinselbstständigkeit nach.

Nur Ryanair war fein raus. Die Fluggesellschaft mit dem für seine provozierenden Sprüche bekannten Firmenchef Michael O'Leary (Piloten seien "glorifizierte Taxifahrer") hatte mit dem fragwürdigen Treiben angeblich nichts zu tun. Inzwischen sieht das anders aus. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat nach eigenen Angaben nun auch "gegen vier Mitarbeiter von Ryanair" ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sie werden der "Anstiftung zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und der Lohnsteuerhinterziehung" verdächtigt. Einer der vier Betroffenen arbeitet inzwischen nicht mehr bei der Billigfluglinie. Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ wird inzwischen gegen insgesamt 820 Piloten ermittelt, sowie gegen Verantwortliche der zwei Personalvermittlungsfirmen und von vier Steuerkanzleien. Und auch gegen die Ryanair-Manager. Ryanair erklärte dazu, man wisse nichts von Ermittlungen gegen eigene Beschäftigte. Die Fluggesellschaft und ihre Piloten erfüllten sämtliche Pflichten in Deutschland. Anschuldigungen gegen Ryanair oder Manager des Unternehmens seien falsch. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Fluggesellschaft mitgeteilt, man verlange von allen Piloten, "dass sie sich stets entsprechend ihrer steuerlichen Pflichten verhalten". Das gelte sowohl für Flugkapitäne, die direkt bei Ryanair angestellt seien, als auch für die von Personalfirmen ausgeliehenen Vertragspiloten. Die Ermittler interessiert aber, ob Ryanair in die Sache verwickelt ist. Immerhin konnte die Billig-Fluggesellschaft durch dieses Modell den Arbeitgeberanteil für Sozialabgaben und Steuern sparen. Die Piloten waren zumindest auf dem Papier eigenständige Unternehmer. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass dies vorgeschoben war und die Piloten-Firmen nur als Briefkastengesellschaften dienten. Ryanair wird von einen der beiden britischen Personalunternehmen schwer belastet. Das Unternehmen erklärte den deutschen Behörden, bei dem Beschäftigungsmodell habe es sich um ein von der Fluglinie vorgegebenes "System" gehandelt. Die Staatsanwaltschaft Koblenz teilte dazu mit, der Personaldienstleister "hat uns gegenüber geäußert, er sei von Ryanair angewiesen worden, Verträge nach einem festgelegten Vertragsmuster zu verwenden, welches bereits bei den Geschäften zwischen Ryanair und einem weiteren Personaldienstleister verwendet wurde." Zudem, so die Staatsanwaltschaft weiter, soll Ryanair auch bestimmte Steuerkanzleien "vorgeschlagen" haben.

Vertragspiloten, das sind gewissermaßen Ich-AGs, also Beschäftigte, die offiziell selbständig sind und deren einziger Firmenzweck darin besteht, die eigene Arbeit zu verkaufen, also sich selbst. Auch andere Billigflieger und andere Unternehmen nutzen solche Geschäftsmodelle. Ryanair ist kein Einzelfall, steht jetzt aber im Fokus. Noch dazu, da die Billigfluglinie ihre Geschäfte in Deutschland ausweitet und nun auch von Frankfurt aus startet. Das kommt einem Angriff auf die Lufthansa gleich, Deutschlands größte Luftfahrtgesellschaft und wirft die Frage auf, ob Ryanair auch deshalb so erfolgreich ist, weil man mit unfaireren Mitteln arbeite. Diese Mutmaßung hatte der Präsident der Europäischen Pilotengewerkschaft ECA, Dirk Polloczek, bereits im vergangenen Jahr geäußert.

Polloczek nannte es unverständlich, dass zwar gegen Flugkapitäne, nicht aber gegen Ryanair selbst vorgegangen werde. Es könne nicht sein, dass immer wieder die Piloten im Zentrum der Ermittlungen stünden, während das Unternehmen außen vor bleibe. Aber noch ist alles nur ein Verdacht. Die Staatsanwaltschaft verweist auf die Unschuldsvermutung auch der Mitarbeiter von Ryanair.

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