RWE:Mit dem Ehrgeiz am Ende

RWE - Neuhaus

Arndt Neuhaus, Deutschlandchef von RWE, tritt überraschend ab. Damit verlieren auch die Kommunen einen wichtigen Vertrauten im Konzern.

(Foto: dpa)

Er hatte einen der mächtigsten Posten beim Energiekonzern RWE. Nun tritt Arndt Neuhaus überraschend ab. Offenbar war in der neuen Firma für das grüne Zukunftsgeschäft kein Platz für ihn.

Von Varinia Bernau und Caspar Busse

Vor zwei Wochen noch gab sich Peter Terium, 52, bescheiden: "Ich hoffe, hier herrscht nicht nur so ein großer Andrang, weil meine Wenigkeit dabei ist", kokettierte der Niederländer. Der RWE-Chef saß an der Seite von Hans Bünting, der als Chef der Konzerntochter Innogy in den vergangenen vier Jahren das Geschäft mit dem Ökostrom aufgebaut hatte und immer zu Jahresbeginn darüber berichtet. Bislang stets allein. Nun also mit Terium.

Der Andrang war so groß, dass die Veranstaltung in einen größeren Raum verlegt werden musste. Natürlich lag das vor allem an Terium. Der Manager weiß sehr wohl, dass er unter Beobachtung steht, seit er im Dezember seine Pläne für den radikalen Umbau von RWE verkündet hat. Das Geschäft mit Ökostrom, die Stromnetze und der Vertrieb werden in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert und diese an die Börse gebracht. In der Muttergesellschaft bleibt der Rest.

Wer die neue, noch namenlose Öko-Gesellschaft führen wird, ist noch nicht entschieden. Wird Terium sich mit dem Vorsitz des Aufsichtsrats begnügen? Oder will er selbst der Chef werden? Dass ihn diese Rolle reizen würde, daraus machte Terium an jenem nieselgrauen Tag in Essen keinen Hehl. Nun gibt es einen weiteren Hinweis: Einen seiner gefährlichsten Rivalen hat er gerade aus dem Konzern gedrängt. Arndt Neuhaus wird schon Ende Januar das Unternehmen verlassen. Der 49-Jährige leitet seit fünf Jahren die RWE Deutschland AG, eine der mächtigsten Töchter im Unternehmen. Sie trägt nicht nur etwa zwei Drittel zum Konzernumsatz bei, sondern sorgt mit dem Vertrieb und dem Netzgeschäft auch für Gewinne. Und die waren im Konzern insgesamt zuletzt schmerzlich geschrumpft.

Der Vertrieb und die Netze sind neben den erneuerbaren Energien auch die beiden tragenden Säulen, auf denen die neue Gesellschaft basiert. Bislang trägt sie noch den Projektnamen Newco, sie wird ein wirkliches Schwergewicht werden, mit einem Umsatz von 40 Milliarden Euro, 40 000 Beschäftigten und einem Ergebnis von 4,5 Milliarden Euro. Nach Analysten-Schätzungen könnte der Unternehmenswert zwischen 15 und 25 Milliarden Euro liegen, so viel wie ein mittelgroßes Dax-Unternehmen. Die Deutsche Bank etwa bringt es derzeit auf 23 Milliarden Euro, Adidas auf 19 Milliarden Euro.

Bis Anfang April soll die Ausgründung abgeschlossen sein, derzeit wird mit Hochdruck an den Voraussetzungen für einen Börsengang und an den entsprechenden Unterlagen für die Börsenaufsichtsbehörden gearbeitet. Im Oktober oder im November, so die derzeitige Planung, soll dann zunächst ein Anteil von zehn Prozent an die Börse gebracht werden. Mit den Erlösen soll unter anderem die Expansion im Ökostromgeschäft finanziert werden. Um am Aktienmarkt und gegenüber den Investoren glaubwürdig agieren zu können, muss die neue Tochter unabhängig geführt werden. Der Aufsichtsrat wird deshalb neu besetzt. Wichtig ist dabei natürlich auch, wer das Unternehmen als Vorstand führt.

Der Vorstand der Newco, so hatte Terium noch vor zwei Wochen betont, werde in der Zeit bis zum Börsengang ohnehin von einer Mannschaft gebildet, die nicht dauerhaft an Bord bleiben werde. Wer welchen Posten erhält, darüber wird offenbar noch verhandelt. Für Neuhaus allerdings sei in der Newco kein prominenter Platz vorgesehen, hieß es in Unternehmenskreisen. Deshalb verlasse er nach 14 Jahren den Konzern.

Die Kommunen verlieren ohnehin an Einfluss, jetzt kommt eine neue Niederlage

Die Aufgaben von Neuhaus übernimmt bis auf weiteres Bernd Böddeling, Finanzvorstand der RWE Deutschland AG. Der Abtritt des Managers, der als engagiert und zupackend galt und ein ehemaliger McKinsey-Berater war, ist auch ein herber Rückschlag für die Kommunen. Sie hatten, als Terium Anfang Dezember zur allgemeinen Überraschung die Aufspaltung ankündigte, ohnehin schon befürchtet, dass sie an Macht verlieren würden. Bislang halten sie knapp ein Viertel der Anteile am Mutterkonzern, doch auf die Geschicke der Newco werden sie nur bedingt Einfluss nehmen können. Terium versprach ihnen zwar einen "intensiven Dialog", allerdings außerhalb des Kontrollgremiums der Newco. Statt im Aufsichtsrat sollen sie sich in drei Beiräten für die erneuerbaren Energien, den Vertrieb und die Netze einbringen. Dass sie dem Umbau des Konzerns zähneknirschend ihre Zustimmung gaben, liegt vor allem daran, dass es kaum einen anderen Weg gab, um den Konzern, der durch die Energiewende und die sinkenden Energiepreise stark getroffen ist, zu retten - und damit auch die Energieversorgung und die Arbeitsplätze in den Kommunen zu sichern sowie eine Dividende, auf die viele klamme Kämmerer in Nordrhein-Westfalen angewiesen sind.

Als Wächter über Netze und Vertrieb pflegte Neuhaus einen engen Kontakt zu vielen Kommunen. Er galt als ihr Vertrauter , viele Bürgermeister und Landräte hätten wohl lieber ihn als Terium an der Spitze der Newco gesehen. Ihm, der zuletzt etwa die Entwicklung eines intelligenten Stromnetzes mit ganz neuen Dienstleistungen vorangetrieben hatte, trauten sie es eher zu, den Konzern in eine grüne Zukunft zu führen als Terium. Der Niederländer, der 2003 im Controlling bei RWE anfing und seit 2012 Vorstandsvorsitzender ist, galt bislang vielen als zu wenig zupackend. Doch das ändert sich offenbar gerade.

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