RWE:Frischer Wind

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Ein Windpark von RWE vor der Küste Großbritanniens: Dort liegt die Zukunft, bislang liegt der Anteil des Ökostroms erst bei fünf Prozent. (Foto: dpa)

Wie geht es weiter bei RWE - und mit wem? Der Chef Peter Terium sucht schon mal gute Ideen im Silicon Valley.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Peter Terium ist gerade im Silicon Valley. Das Tal der Tüftler ist für deutsche Manager wie den RWE-Chef zur Pflichtstation bei ihren dienstlichen Reisen geworden. Sie hoffen, dort Kontakte zu den klügsten Köpfen der Technologiewelt zu knüpfen, ohne die in der digitalisierten Wirtschaft gar nichts mehr geht. Sie erhoffen sich dort Inspiration bei dem einen oder anderen Start-up. Und wohl auch einen kleinen Schub für das eigene Image. Wer ins Silicon Valley reist, der versteht etwas von dieser neuen Welt. Da passt es, wenn Terium sagt: "Es gibt viele pfiffige Start-ups, die Ihnen jeden Logarithmus rechnen, den Sie gebrauchen können. Aber wir haben die Kunden, 23 Millionen an der Zahl, und wir kennen deren Wünsche." RWE, das macht der Konzernchef deutlich, suche im Silicon Valley nicht nur nach Trends oder Investitionen, sondern nach verlässlichen Partnern.

Terium schwärmt von den Steuervorteilen, die Kalifornien bei der Anschaffung von Elektroautos gewährt, und den Ladesäulen, die sie dort aufbauen. Von Apps, mit denen man in Echtzeit seinen Stromverbrauch verfolgen und etwa überprüfen kann, wie viel ein Waschgang kostet, und ob man womöglich vergessen hat, die Kaffeemaschine auszuschalten. Er redet viel, nur zu einer Frage sagt Terium wenig: Wird er der neue oberste Mann bei der Newco, in der RWE sein zukunftsträchtiges Geschäft zunächst bündeln und dann an die Börse bringen will? "Das ist Sache des Aufsichtsrats, der wird sich Gedanken dazu machen."

Im Dezember hat Terium seine Pläne für den radikalen Umbau von Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern verkündet: Das Geschäft mit Ökostrom, die Stromnetze und der Vertrieb werden in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert. Bis Ende des Jahres soll ein Anteil von zunächst zehn Prozent an die Börse gebracht werden. Der Rest bleibt bei der Muttergesellschaft. Man könnte auch sagen: Newco, die neue Tochter steht für die Zukunft; RWE muss die Vergangenheit abwickeln. Und natürlich will jeder Manager, der etwas auf sich hält, über die Zukunft gebieten.

Terium, so wird in der Branche nun spekuliert, werde die Führung der neuen Gesellschaft übernehmen, sein bisheriger Stellvertreter Rolf Martin Schmitz den Mutterkonzern leiten. Darauf hat sich dem Vernehmen nach Werner Brandt mit dem Vorstand verständigt. Brandt soll im Frühjahr an die Spitze des Aufsichtsrates von RWE rücken, ist aber bereits der starke Mann im Hintergrund. Entschieden ist die Sache noch nicht. Erst am 3. März kommt der Aufsichtsrat zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Laut Tagesordnung geht es dabei um die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres, aber es wäre nicht das erste Mal, dass sich andere Themen bei dem Treffen aufdrängen. Offenbar blieben bei der Diskussion dieser Personalfragen bislang einige Mitglieder des Aufsichtsrates außen vor - etwa die Vertreter der Kommunen. Sie halten ein Viertel der Anteile an RWE und sind derzeit nicht gerade glücklich darüber, dass sie wichtige Fragen des Konzernumbaus nur abnicken sollen.

Im April bereits soll das zukunftsträchtige Geschäft in die neue Tochter ausgelagert und dann im Jahresverlauf an die Börse gebracht werden. So will Terium neue Investoren anlocken, die zuletzt um den Konzern einen großen Bogen machten. Die Gewinne schmelzen dahin, zudem lasten milliardenschwere Schulden auf dem Unternehmen.

Terium fing vor 13 Jahren im Controlling des Konzerns an und gilt einigen auch an der Spitze nicht gerade als zupackend oder als visionär. Nun sagt er, dass er Innovation zur Chefsache gemacht habe - und dass sein Konzern im Silicon Valley auch beabsichtige, 15 Millionen Dollar in einen renommierten Fonds zu grünen Technologien zu stecken. Als Zeichen dafür, dass er mit dem Chefposten bei den zukunftsträchtigeren Geschäften des Konzerns liebäugelt, will er das nicht verstanden wissen.

Schmitz wäre, wenn der Plan umgesetzt wird, für das kriselnde Geschäft mit Kohle- und Gaskraftwerken zuständig sowie dafür, den Atomausstieg abzuwickeln. Ein undankbarer Job, für den 58-Jährigen aber eine späte Genugtuung: Er war, als es vor vier Jahren galt, einen Nachfolger für den damaligen Konzernchef Jürgen Großmann zu finden, Terium knapp unterlegen und muss sich seither mit der Rolle als dessen Vize begnügen. Schmitz hat Erfahrung im politischen Geschäft. Auch vor der von der Bundesregierung eingesetzten Atomkommission hat der Rheinländer bislang die Interessen von RWE vertreten. Sie berät derzeit darüber, wie der Ausstieg aus der Atomkraft geregelt wird.

Den Draht zur Politik kann er gebrauchen: Neben der Abwicklung der Atomkraftwerke, aus denen RWE fast die Hälfte seines Stroms gewinnt, steht eine andere heikle Fragen an: Wie ernst nimmt Deutschland sein Bekenntnis zum Klimaschutz - und steht womöglich bald schon der nächste Ausstieg an, nämlich der aus der Kohlekraft? Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf einer Energietagung kürzlich selbst eher vage von einem Runden Tisch zur sozialverträglichen Abwicklung der Kohlekraftwerke sprach, erwiderte Schmitz entschieden: So etwas halte er für überflüssig. RWE habe jedenfalls Wichtigeres zu tun.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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