RWE:Der Wind und die Sonne

Das Geschäft bei der Ökostromtochter von RWE läuft gut. Das hilft Konzernchef Peter Terium beim radikalen Umbau. Doch Unsicherheiten bleiben.

Von Varinia Bernau, Essen

Die Zukunft, von der sie bei RWE träumen, steckt in Folien, in solchen, die aus Sonne Strom machen. Folien, die sich an Fassaden oder selbst an Autos anbringen lassen. "Mit all den Industriebauten, auf die sie wegen der Statik keine herkömmlichen Photovoltaikanlagen bringen können, bieten sich damit enorme Möglichkeiten", schwärmt Konzernchef Peter Terium. Entwickelt werden diese Solarfolien von dem Dresdner Start-up Heliatek, dem der Konzern als einer der ersten Investoren Risikokapital gegeben hat.

Für Terium ist dies ein Beispiel dafür, dass RWE, hinter Eon Deutschlands zweitgrößter Energiekonzern, nicht länger nur auf Atommeiler und Braunkohlekraftwerke setzt, sondern sich durchaus der Energiewende stellt. Deshalb sitzt der Niederländer nun an der Seite von Hans Bünting, der als Chef der Konzerntochter Innogy in den vergangenen vier Jahren das Geschäft mit dem Ökostrom aufgebaut hat. "Es soll ein Signal sein, dass die Erneuerbaren ins Herz des Unternehmens gerückt sind, in den Fokus unserer Aufmerksamkeit", sagt Terium. Die Sparte hat ihr Ergebnis im vergangenen Jahr verdoppelt, auf voraussichtlich etwa 400 Millionen Euro. Das gibt Terium Unterstützung für den Umbau, den er, wie er nun sagt, seit Mai vorbereitet, aber Anfang Dezember dann doch recht überraschend verkündet hat. "Wir haben Wind in den Segeln", sagte Terium.

RWE Innogy - Windpark

Ein Windpark von RWE vor der Küste von Nordwales.

(Foto: dpa)

Die Zukunftsgeschäfte erneuerbare Energien, Netze und Vertrieb werden in einem Tochterunternehmen gebündelt. Projektname: Newco. Anfang April soll diese Gesellschaft gegründet werden, gegen Ende des Jahres dann ein Anteil von zehn Prozent an die Börse gebracht werden. Etwa die Hälfte des so bei Investoren eingesammelten Geldes soll in den Ausbau der erneuerbaren Energie fließen, bekräftigt Terium noch einmal.

Derzeit erzeugt RWE noch etwa die Hälfte seines Stroms mit Braun- und Steinkohle. Der Ökostromanteil liegt bei etwa fünf Prozent und damit deutlich niedriger als beim Konkurrenten Eon. Mit dem sinkenden Strompreis sind zuletzt auch die Gewinne bei der konventionellen Stromerzeugung mit Kohlekraftwerken geschrumpft. Dazu kommen hohe Schulden, etwa Rückstellungen für den Abriss von Atommeilern, die Entsorgung des strahlenden Abfalls, die Renaturierung der Braunkohlegebiete und Pensionszusagen. Unter diesem Druck hatte RWE seine Investitionen in den Ausbau des Ökostromgeschäfts zuletzt gesenkt: Statt jährlich eine Milliarde Euro ist diese Summe nun für die Jahre 2015 bis 2017 vorgesehen. Deshalb hoffen sie bei RWE, dass der Börsengang Ende des Jahres möglichst viel Geld bringt.

Offen ist noch, wer die neue Gesellschaft demnächst führen wird

Geld, das irgendwann vielleicht einmal in die Solarfolien fließt, an denen in Dresden getüftelt wird und die demnächst in die industrielle Fertigung gehen sollen. Zunächst aber fließt es in klassische, großflächige Solaranlagen. Vor allem im Nahen Osten, in Nordafrika und der Türkei sieht RWE dazu die besten Möglichkeiten. In der Türkei, so sagt Bünting, sei die Zahl der Sonnenstunden doppelt so hoch wie in Deutschland, an der Mittelmeerküste könne man mit dem kräftigen Wind an Land ähnlich viel Strom gewinnen wie in Nordeuropa auf dem offenen Meer. Und die Wachstumsraten seien dort ebenfalls so hoch wie nirgendwo sonst in Europa. Die aufstrebende Mittelschicht werde auch mehr Strom verbrauchen und das Land deshalb seine Kapazitäten ausbauen müssen. Allerdings ist die Türkei auch ein Land, in der die gesellschaftlichen Spannungen und damit die Unsicherheiten eher zunehmen, wie zuletzt der Anschlag in Istanbul zeigte. "Diese Region will sich entwickeln, aber natürlich dürfen wir die Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließen", sagt Terium.

Eon verkauft

Der Energiekonzern Eon verkauft seine britischen Öl- und Gasfelder an Premier Oil. Das Volumen der Transaktion liegt bei 120 Millionen Dollar. Die Aktien des britischen Ölkonzerns Premier Oil waren seit dem Morgen vom Handel ausgesetzt, es wurden bereits über den Deal spekuliert. Im Oktober hatte Eon bereits seine norwegischen Öl- und Gasfelder für rund 1,4 Milliarden Euro an den russischen Milliardär Michail Fridman verkauft. Eon musste dabei nach eigenen Angaben einen Buchverlust von mehr als einer Milliarde Euro hinnehmen. Der Wert des Geschäfts ist wegen des abgestürzten Ölpreises deutlich geschrumpft. Eon kann die Einnahmen angesichts seiner Schulden in Höhe von gut 28 Milliarden Euro dennoch gut gebrauchen. Der Konkurrent RWE hatte seine Öl- und Gasfördertochter Dea im vergangenen Jahr für rund fünf Milliarden Euro an Fridmans Fonds LetterOne verkauft.

Eon-Aktien legten am Mittwoch zeitweise gut sechs Prozent zu und führten vor dem Rivalen RWE die Gewinnerliste im Dax an. Ein zuversichtlicher Analystenkommentar verlieh den Versorger-Aktien zusätzlichen Schwung. Nach Einschätzung der UBS könnte die geplante Aufspaltung der beiden Konzerne zu einer positiven Neubewertung führen. Reuters

Bei der Newco sollen in Zukunft zwei Drittel der etwa 60 000 RWE-Mitarbeiter beschäftigt sein - und deshalb interessieren sich viele nun natürlich mehr für die Personalien als für die Windparks. Etwa dafür, wer den Chefposten bei der neuen Gesellschaft übernehmen wird. Sowohl Konzernchef Terium selbst als auch die Stromlobbyistin Hildegard Müller, eine langjährige Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die kürzlich ihren Wechsel zum Energiekonzern RWE bekannt gegeben hatte, werden dafür ins Spiel gebracht. "Mit Planspielen beschäftige ich mich nicht", sagt Terium dazu. "Ich habe genug anderes zu tun."

Und im Übrigen komme Hildegard Müller auch nicht zum Konzern, um Lobbying zu betreiben, sondern um das Alltagsgeschäft voranzubringen. "Dafür brauchen wir Frau Müller genauso dringend wie Herrn Bünting", schiebt Terium noch nach. Wohl nicht nur, um dem Gerede, er wolle sich mit der nun verpflichteten Müller wieder einen besseren Draht ins Bundeskanzleramt sichern, etwas entgegenzusetzen, sondern auch als eine Art Anerkennung für seinen Ökostrom-Mann. Wie viel diese Anerkennung wert ist, wird sich zum Börsengang zeigen: Erst dann will RWE die Führungsmannschaft der neuen Gesellschaft bekannt geben.

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