RWE auf Kundenjagd:Großmann wirbt im Freundeskreis

450.000 Kunden hat RWE in 15 Monaten verloren. Nun geht Konzernchef Großmann auf Kundenjagd und schreibt Werbebriefe - an 1500 enge Freunde.

Hans-Willy Bein

Die Zeiten, in denen Haushaltskunden sich der Preispolitik der Energiekonzerne hilflos ausgeliefert fühlten, sind vorbei. 450.000 Kunden kehrten in den vergangenen 15 Monaten allein RWE den Rücken. Die Abwanderung trifft den Konzern damit besonders hart.

RWE auf Kundenjagd: RWE-Chef Jürgen Großmann auf Kundenjagd und schreibt Werbebriefe - an 1500 enge Freunde.

RWE-Chef Jürgen Großmann auf Kundenjagd und schreibt Werbebriefe - an 1500 enge Freunde.

(Foto: Foto: AP)

Lange schien es so, als ließen die von Billiganbietern angezettelten heißen Preisschlachten die Verantwortlichen im Essener Firmentower kalt. "Wir wollen unsere Kunden nicht um jeden Preis halten", hieß es offiziell.

Keine Wechselprämien

Jetzt endlich beherzigt Konzernchef Jürgen Großmann das Firmenmotto "Vorweg gehen" und schaltet sich selbst in das Tagesgeschäft und die Gewinnung neuer Kunden ein. Der Milliardär und Industrielle kommt viel in der Welt herum und hat einflussreiche Freunde. Was liegt da für den RWE-Quereinsteiger näher, als der Versuch, diese als Kunden für den Konzern zu gewinnen. Wie sich das unter Freunden gehört, spielt er mit offenen Karten.

"Ich möchte Sie ganz persönlich von unseren Leistungen überzeugen und als Neukunden gewinnen", bekundet er in einem Brief. Immerhin kenne man sich persönlich und sei sich sogar verbunden. Und weiter: "Wie schön wäre es für RWE und für mich persönlich, wenn noch eine Geschäftsbeziehung dazu kommt". Wechselprämien wie mittlerweile in der Branche üblich, bietet Großmann nicht an. Aber wem wird schon einmal die Offerte gemacht, mit dem Chef eines der großen Energiekonzerne offen über die Stromrechnung zu diskutieren.

Auch Großmann wurde RWE-Kunde

"Vielleicht können wir über Ihre Erfahrungen mit uns sprechen, wenn wir uns das nächste Mal sehen", kommt dieses Angebot in der eleganten Formulierung Großmanns daher. Für den Fall, dass zunächst einmal Fragen auftauchen, nennt er eine 0800er Nummer, "die exklusiv für Sie geschaltet ist." Das spricht für beste Betreuung, die Großmann avisiert. An 1500 "gute Freunde" ist dieser Brief dem Vernehmen nach gegangen. Natürlich sei er mit seiner Familie auch RWE-Kunde geworden, teilt er darin mit.

Als Privatmann kann er sich das auch leisten. Als Geschäftsmann offenbar nicht. Geflissentlich verschweigt Großmann in dem Brief, dass sein Stahlkonzern, die Georgsmarienhütte, den Strom für ihre Elektrostahlöfen weiter vom Konkurrenten EnBW bezieht.

Ursprünglich RWE-Kunde, war das Unternehmen zur Konkurrenz abgewandert. Das ist schon einige Zeit her. Da lag Großmann das Schicksal des Stahlunternehmens offensichtlich stärker am Herzen als das des RWE-Konzerns.

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