Russland: Jelena Baturina:Die arme reiche Königin

Er regierte, sie kassierte: So fassen Kritiker die Zeit des Ehepaares Luschkow/Baturina an Moskaus Spitze zusammen. Doch nach dem Sturz des Bürgermeisters setzt eine Hetzjagd auf seine Frau ein - die drittreichste Unternehmerin der Welt.

F. Nienhuysen

Niemand geht ans Telefon. Die Pressestelle von Jelena Baturinas Büro scheint verlassen. Es sind schwierige Zeiten für Russlands reichste Unternehmerin, die nach Einschätzung des Magazins Forbes mit einem geschätzten Vermögen von 2,9 Milliarden Dollar sogar die drittreichste Geschäftsfrau der Welt sein soll. Baturina, Inhaberin der Firma Inteko, ist seit Jahren die Königin der Moskauer Baubranche, jetzt aber wackelt ihr Thron. Sogar ihr Bruder traut sich plötzlich hervor und will gegen sie ermitteln lassen.

Medwedew entlässt Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow

Jurij Luschkow und seine Ehefrau Jelena Baturina (rechts).

(Foto: dpa)

Begonnen hatte alles mit dem Sturz ihres Mannes: Jurij Luschkow, Bürgermeister von Moskau, wurde vergangene Woche von Präsident Dmitrij Medwedjew abgesetzt. Damit war auch das "Moskauer Konsortium", wie die russische Zeitschrift New Times das Paar Luschkow/Baturina nannte, am Ende, und Viktor Baturin, der Bruder, wittert jetzt seine Chance auf Geld. "Egal an wen ich mich auch gewandt habe, es ist mir wegen der Korruption und Baturinas Verbindungen zu den Rechtsorganen nie gelungen, recht zu erhalten", zitierte ihn die Zeitung Kommersant. Er fordert von den Ermittlungsbehörden "genaueste Untersuchungen der verbrecherischen Tätigkeit meiner Schwester".

Die beiden hatten 1991 Inteko gegründet. Im selben Jahr heiratete seine Schwester Luschkow, der im Jahr darauf Bürgermeister wurde. Inteko begann mit der Produktion von Gummistiefeln und Hartsitzschalen, stieg einige Jahre später erfolgreich in die Baubranche ein - nach Ansicht von Kritikern vor allem dank der Hilfe des Bürgermeisters. Auf etwa sieben Millionen Quadratmeter bemisst sich die Gesamtwohnfläche der Inteko-Projekte. Ende 2005 verließ Baturin das Unternehmen. Jetzt verlangt er angeblich ausstehende Gehaltszahlungen in Höhe von mindestens 3,4 Milliarden Rubel zurück, nach derzeitigem Kurs wären das 85 Millionen Euro. Außerdem habe seine Schwester bei der Aufteilung der Firma 24 Prozent der Aktienanteile an sich gerissen, die eigentlich ihm zugestanden hätten, behauptet Baturin.

Was davon stimmt, ist eine Sache. Die andere ist, dass seit dem Rücktritt Luschkows die Furcht vor dem einst mächtigen Ehepaar offensichtlich gewichen ist. Wegen eines Grundstücks, das die Stadt Moskau Baturina einmal zugesprochen hatte, wird ermittelt. Vor wenigen Tagen berichteten russische Zeitungen, Inteko habe Probleme mit den Banken. Genannt wurde allerdings nur eine. Die Investitionsbank WEB habe Inteko zu verstehen gegeben, dass ein gemeinsames Projekt zum Bau von 950.000 Quadratmetern günstigen Wohnraums wegen fehlender Dokumente "kaum zustande kommen" werde, hieß es.

Der Internetdienst newsru.com hielt es vor ein paar Tagen sogar für berichtenswert, dass eine Truppe des Bolschoi-Theaters es nicht fertig gebracht habe, rechtzeitig den Auftritt für ein Galakonzert bei Inteko vorzubereiten. Gleichzeitig tauchten Meldungen aus Österreich auf. "Baturinas burgenländisches Geheimnis", schrieb die Zeitung Die Presse über ein angeblich von ihr gemietetes Haus. Anderswo hieß es, die Milliardärin kaufe ein Schlosshotel am Wörthersee aus dem 16./17. Jahrhundert. Ja, will sie überhaupt noch in Russland leben, in Moskau arbeiten?

In einem Interview mit der New Times noch vor der Entlassung Luschkows hatte Jelena Baturina deutlich gemacht, dass es in ihrem Unternehmen noch viele offene Projekte gebe, die abgeschlossen werden müssten. Sie werde an Bord bleiben. Das Handelsportal BFM.ru prophezeit indes, dass das Leben ihrer Firma ohne die Protektion des Stadtoberhauptes komplizierter werden dürfte. Man wird sehen, wie weit Auftraggeber nun von Baturina abrücken werden und ob ihr riesiges Häuserimperium tatsächlich ins Wanken gerät. Luschkow hatte Kritikern einmal geantwortet, ohne ihn wäre seine Frau noch viel reicher. Nun, da er nicht mehr Bürgermeister ist, könnte sie das beweisen.

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