Russland bietet Energiepartnerschaft an:Kraftwerk Moskau drängt auf deutschen Markt

Ungeliebter Partner: Russland bietet der Bundesregierung einen Energie-Pakt an und verspricht, Milliarden in den deutschen Strom- und Gasmarkt zu pumpen. Um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, sind diese Investitionen auch nötig - doch niemand will von Moskau abhängig sein. Deutsche Politiker bringt das Angebot in Zugzwang.

Markus Balser

Russland will in der Energiepolitik viel enger als bisher mit Deutschland zusammenarbeiten und schlägt der Bundesregierung eine weitreichende Allianz vor. Sein Land sei bereit, mit deutschen Partnern Bau, Finanzierung und Betrieb von Kraftwerken im großen Stil zu übernehmen, sagt Russlands Energieminister Sergej Schmatko der Süddeutschen Zeitung. Ziel Russlands sei eine vertiefte Energiepartnerschaft in Form eines bilateralen Abkommens mit Berlin. "Es muss zu einer Annäherung kommen. Das ist im Interesse beider Seiten", sagt Schmatko im Hinblick auf den immer härteren Wettbewerb um Rohstoffe.

Russland pumpt wieder Gas für Europa in ukrainische Pipelines

Gazprom ist bereits jetzt der wichtigste Gaslieferant für Deutschland. Künftig will der russische Konzern verstärkt auf dem deutschen Energiemarkt mitmischen.

(Foto: dpa)

Der Vorschlag kommt zu einem überraschenden Zeitpunkt. Denn das Verhältnis zwischen Westeuropa und Moskau ist gerade in der Energiepolitik von Spannungen geprägt. Die Europäische Union zieht gegen die Marktmacht von Gazprom zu Felde. Auf Unternehmensseite liegt Russlands Rohstoffkonzern mit Abnehmern wie Deutschlands größtem Energiekonzern Eon im Clinch und streitet über die Höhe von Gaspreisen.

Dennoch geht die Regierung in Moskau mit ihrem Vorstoß nun in die Offensive. Deutschland brauche nach dem Atomausstieg neue Ersatzkraftwerke mit einer Kapazität von zehn bis zwölf Gigawatt, rechnet Schmatko vor. Das entspreche der Leistung von zehn bis 15 Großkraftwerken. "Wir sind bereit, Projekte in dieser Größenordnung zu finanzieren", kündigt der Minister an. Branchenschätzungen zufolge geht es bei dem Vorschlag um gewaltige Summen. Es seien Investitionen von zehn bis 15 Milliarden Euro nötig, hieß es.

Ein Energie-Abkommen soll nach dem Willen Moskaus die Weichen für eine weitreichende deutsch-russische Kooperation stellen. Gazprom, bereits jetzt der wichtigste Gaslieferant Deutschlands, hat seit langem Interesse an einem stärkeren Engagement hierzulande. Der Konzern verhandelt über die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens zur Stromproduktion mit Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern RWE.

Nach dem Willen Schmatkos könnte das erst der Anfang sein. Russland sei zu raschen Investitionen bereit, unterstreicht der Minister. Binnen eines halben Jahres könne seine Regierung zusammen mit der russischen Energiewirtschaft und deutschen Technologieanbietern wie Siemens einen entsprechenden Plan ausarbeiten. Erste Gespräche mit deutschen Politikern habe es über diese Ideen bereits gegeben. In vier Jahren könnten die ersten Kraftwerke stehen, sagte Schmatko. Die Realisierung aller Projekte hält er innerhalb von zehn Jahren für möglich.

Hinter dem Engagement steckt das Ziel Russlands, seine Rolle als reiner Rohstofflieferant zu wandeln. Statt das Gas einfach an den Grenzen seiner Abnehmer abzuliefern, wollen Russlands Energiekonzerne künftig ins lukrative Stromgeschäft einsteigen.

Dabei kommt Gazprom offenbar bereits mit großen Schritten voran. Die Verhandlungen mit RWE seien schon sehr weit, verlautet aus Konzernkreisen. Gazprom-Chef Alexej Miller lasse bereits technische Details eines Einstiegs auf dem deutschen Energiemarkt vorbereiten, erfuhr die SZ. Erst am Donnerstag hatte Gazprom den hessischen Strom- und Telekomanbieter Envacom übernommen.

Russland erwartet breite Zustimmung

Die Regierung in Moskau legt mit ihrem Milliardenangebot den Finger in die Wunde der deutschen Energiepolitik. Denn die Bundesregierung setzt bei der Energiewende den Bau vieler neuer Kraftwerke voraus. Doch wegen befürchteter langer Stillstandszeiten erweisen sich diese Investitionen für die Energiebranche zusehends als riskant. Da erneuerbare Quellen immer größere Anteile übernehmen, reichen die Betriebszeiten möglicherweise nicht aus, um Investitionen einzuspielen. Bleiben die Aufwendungen jedoch aus, drohen dem Land Energie-Engpässe.

Zur Bedingung eines Engagements macht Russland nun eine breite Zustimmung in Deutschland. "Das alles geht nur bei einem uneingeschränkten politischen Ja", sagt Schmatko. Gegen den Willen der Politik wolle man nicht aktiv werden. Damit bringt er die Bundesregierung in Zugzwang. Denn bislang blockte die Politik Versuche russischer Investoren ab, bei Großkonzernen wie EADS, der Deutschen Telekom oder Infineon einzusteigen. Kartellbehörden hatten auch in der Energiebranche bereits Vorbehalte gegen deutsch-russische Kooperationen geäußert.

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hatte die Verschlossenheit Deutschlands zuletzt mehrfach kritisiert. Längst zählt Russland zu den mächtigsten Lieferanten Deutschlands auf dem Energiemarkt. Gazprom kontrolliert ein Sechstel der weltweiten Gasreserven. Deutschland deckt 40 Prozent seines Gasbedarfs durch Importe aus Russland.

Nähe zu Berlin, Distanz zu Brüssel

Mit der in der vergangenen Woche eröffneten Ostsee-Pipeline wächst die Bedeutung Russlands als Rohstofflieferant für Europa weiter. Schmatko weist Ängste vor einer wachsenden Abhängigkeit zurück. Weltweit breche eine Gas-Ära an und lasse die Nachfrage steigen. "Unsere Pipelines gefährden keine Sicherheit - wir liefern sie", so der Minister.

Während Flüssiggasanbieter aus dem arabischen Raum ihr Gas per Schiff überall auf der Welt anbieten könnten, sei Russland auf Abnehmer in Europa angewiesen. "Die Abhängigkeit hat zwei Seiten." Zudem dürften Westeuropas Konzerne längst in Russland viel aktiver sein als umgekehrt, sagt Schmatko. "Wir fordern nur Chancengleichheit."

Während Moskau die Nähe zu Berlin sucht, herrscht in den Beziehungen zu Brüssel Distanz. Die Gespräche zwischen Russland und der EU über eine Vernetzung der Energiemärkte sind nach seinen Angaben festgefahren. Versuche, eine Einigung über die EU-Forderung nach einer Entflechtung der Pipeline-Infrastruktur zu erzielen, seien vorerst gescheitert, sagte Schmatko. Gazprom lehnt die EU-Forderungen nach einem sogenannten Unbundling der Netze ab. Sie sieht vor, dass Gaskonzerne Wettbewerbern Zugang zu ihrem Leitungsnetz gewähren müssen.

Der Pipeline-Betrieb soll nach Plänen Brüssels von der Gasförderung getrennt werden. "Das sind immense Eingriffe, die gegen den bestehenden Investitionsschutz verstoßen", sagt Schmatko und deutet juristische Schritte an. "Wir halten das rechtlich für problematisch und lassen es prüfen."

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