Rundgang:"Sie versteht das"

Angela Merkel und Barack Obama besuchen die Hannover Messe. Die größte Attraktion sind sie selbst - und der sehr spezielle Humor von Siemens-Chef Joe Kaeser.

Von E. Dostert, N. Fried und A. Slavik

So eine Messe ist ja auch immer ein großes Durcheinander, man muss da schon aufpassen, dass man im Gedränge seinen Platz behauptet, besonders wenn wichtige Menschen kommen. Alexander Dobrindt hat das irgendwie nicht hingekriegt, deshalb steht er jetzt da, in Halle neun, und drückt die Oberschenkel gegen ein weißes Absperrband. Die Kanzlerin und der US-Präsident stehen keine fünf Meter von ihm entfernt und begutachten gemeinsam eine besonders schnelle Aufladestation für Elektroautos. Obama will wissen, ob diese Ladevorrichtungen in Europa und den USA einheitlich sind. Sind sie. Dobrindt, der Bundesverkehrsminister, reckt den Hals. Das ist kein leichter Moment.

Barack Obama und Angela Merkel sind gekommen, um auf ihrem Rundgang die Attraktionen zu sehen, die die Hannover Messe in diesem Jahr zu bieten hat. Aber natürlich sind die allergrößte Attraktion Merkel und Obama selbst. Trotzdem wirkt der US-Präsident manchmal überrascht von seinem eigenen Land und dem, was es hervorbringt. Erfinder zum Beispiel und ihren Geschäftssinn. Irgendwann auf seinem Rundgang mit der Bundeskanzlerin kommt Obama zu einer US-Firma, die Geräte für Experimente mit der Schwerkraft im Weltall zur Verfügung stellt. Sie sehen aus wie Plastikkisten mit ein paar Kabeln dran, aber es ist die schiere Hightech, und Obama fragt zweimal nach deren genauem Zweck.

Halle 15 meiden die Politiker. Dort hat Volkswagen seinen Stand

Noch viel mehr interessiert ihn aber der Firmenchef selbst, der aussieht wie ein Teenager. "Sie sind ein junger Kerl, wie sind Sie darauf gekommen?", fragt der Präsident. Nun, er habe schon am College in Kentucky kleine Satelliten gebaut, berichtet der junge Kerl. Einen hat er sogar dabei, ein kleines Gerät, kaum größer als eine Konservenbüchse mit Antennen, die aussehen wie Mikado-Stäbe. "Das ist die Originalgröße?", fragt Obama sichtlich erstaunt. Auch die Kanzlerin steht daneben und guckt interessiert. An einem anderen Stand, wo Merkel gezielte Fragen zur Technik stellte, hat Obama zuvor schon anerkennend gesagt: "Sie ist Wissenschaftlerin, sie versteht das."

Trotzdem gibt es diplomatische Fallstricke: Der Stand von Volkswagen in Halle 15 zum Beispiel steht nicht auf dem Programm von Merkel und Obama. Das wäre noch vor einem Jahr nur schwer vorstellbar gewesen, VW ist einer der wichtigsten Konzerne des Landes. Aber jetzt, nach dem Bekanntwerden der Abgasaffäre, wird Halle 15 großräumig gemieden. Der Präsident betrachte sich wegen der laufenden Verhandlungen des Autokonzerns mit den US-Behörden als befangen, sagt sein Sprecher. Deswegen rede er öffentlich nicht über den Fall. Auch am Abend zuvor, während eines Dinners von Obama und Merkel mit Managern aus den USA und Deutschland, war VW nach Angaben mehrerer Teilnehmer kein Thema - obwohl der neue Vorstandschef Matthias Müller mit am Tisch saß.

Die Familienunternehmen, die den US-Präsidenten empfangen dürfen, haben auch mit Problemen zu kämpfen: Familie Lapp aus Stuttgart zum Beispiel zeigt einen Industrieroboter. Der Roboter kann Basketball spielen. Obama will gegen ihn antreten. Er fragt nach einem Ball. Das gibt Bilder für die Familienchronik! Der US-Präsident, wie er gegen einen Industrieroboter Basketball spielt! Obama deutet ein paar Wurfbewegungen an. Es gibt immer noch keinen Ball. Die Sicherheitsleute des Weißen Hauses haben alles, was fliegt, verboten. Auch Basketball-Bälle.

Ein paar Meter weiter müht sich Philip Harting, Enkel des Firmengründers, die Vorzüge einer neuen Datenbox in einem gelben Sportwagen zu preisen. Die Box heißt Mica und kann im Umfeld von Maschinen und Anlagen Daten speichern, auswerten und verarbeiten. Obama interessiert sich mehr für die weiß-gelben Sneakers, die alle Familienmitglieder tragen. "Sind das die offiziellen Firmenschuhe?", fragt er. Harting bejaht. "Wer hatte die Idee?", hakt Obama nach. Das war die Mutter, Margrit Harting. Sie trägt einen gelben Blazer zum schwarzen Rock mit Fransen. Und die gelben Schuhe. "Steile Kombination", sagt Angela Merkel, schwarze Hose, wie immer, schwarze Schuhe, wie immer, blauer Blazer, wie so oft. "Aber ihr steht es gut", sagt Obama. Ob er wohl auch so ein Paar haben könne?

Irgendwann kommt der Tross auch bei Siemens an. Konzernchef Joe Kaeser ist merklich erfreut. Der Stand von Siemens ist riesig, diesmal dürfen auch die Bildungsministerin Johanna Wanka, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil und, endlich, Alexander Dobrindt mit auf die Bühne. Für Merkel und Obama gibt es Geschenke: Kaeser hat zwei Golfschläger dabei, beide sind beschriftet. Auf dem für Obama steht "Yes, we can". Auf dem für Angela Merkel steht: "Wir schaffen das." Kaeser strahlt. Es sind, das muss man ihm lassen, die zwei vielleicht prägendsten Sätze in den Karrieren dieser beiden Politiker. Das Mienenspiel der Beschenkten bleibt, nun ja, unbestimmt.

Alexander Dobrindt bekommt keinen Golfschläger. Vielleicht sollte er froh darüber sein. Kaeser hätte vermutlich "Die Maut kommt" draufschreiben lassen.

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